Thomas Eisgruber vom Bundesfinanzministerium

„Die BP ist in Coronazeiten nicht systemrelevant!“

Autor/en
  • Catrin Behlau

Die Corona-Krise legt auch viele internationale Steuerprojekte auf Eis. Dr. Thomas Eisgruber, Referatsleiter für Internationale Betriebsprüfungen beim Bundesfinanzministerium, spricht mit JUVE Steuermarkt über die Vollbremsung beim ICAP-Verfahren und warum man in Zeiten von Corona nicht einfach normal weiterarbeiten kann.

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Thomas Eisgruber
Thomas Eisgruber

Herr Eisgruber, Sie sind seit knapp acht Monaten beim Bundesfinanzministerium in Berlin, gerade erreiche ich Sie jedoch in München. Wie organisieren Sie in Zeiten von Corona Ihren Arbeitsalltag?

Ich bin derzeit tatsächlich in München. In meinem Referat habe ich zwei Mitarbeiter, die weiterhin in Berlin bzw. im Berliner Umland tätig sind. Wir telefonieren täglich und diese Art der Zusammenarbeit funktioniert auch ganz gut. Allerdings ist unter diesen Umständen völlig klar, dass sich Arbeit im Homeoffice vom üblichen Arbeitsalltag unterscheidet, man aber auch nicht in eine Art Scheinhektik verfallen sollte. Dafür ist Corona ein viel zu beherrschendes Thema, auch in den Köpfen der Menschen. Über allem steht immer die Frage: Sind alle gesund?

Womit beschäftigen Sie sich gerade inhaltlich?

Wenn Sie mich vor ein paar Wochen gefragt hätten, wäre meine Antwort gewesen: Unser aktuelles Kernprojekt ist die Verabschiedung von ICAP, also dem ‚International Compliance Assurance Programme‘ der OECD. Wir waren unmittelbar vor dem Abschluss und hatten mit Vollgas die letzten nötigen Face-to-Face-Meetings organisiert. Es war alles terminiert und geplant. Jetzt gab es in Sachen ICAP eine Vollbremsung, denn niemand kann mehr reisen. Das Projekt ist weitgehend auf Eis gelegt. Anders als andere Referate im Haus steht die internationale Betriebsprüfung nicht im Brennpunkt der Coronakrise. Unser Alltag sieht derzeit so aus: Wir arbeiten die Dinge ab, die wir können. Es gibt einige Arbeiten, für die während des laufenden Prozesses keine Zeit war. Auch die Ablage und das Aufräumen des Postfachs findet nun seinen Raum.

Müssen denn diese Meetings für ICAP zwingend face to face stattfinden?

Natürlich hatten und haben wir auch einige Videokonferenzen und wir werden nicht komplett auf null runterfahren. Es zeigt sich nun, dass Videokonferenzen auch viele Vorteile haben. Aber bei vielen Themen und Diskussionspunkten ist die persönliche Begegnung und das direkte Gespräch wichtig und nicht ersetzbar. Diese digitalen Treffen werfen aber auch nicht vorhersehbare technische Probleme auf, sei es hinsichtlich der technischen Ausstattung oder den unterschiedlichen Sicherheitsstandards in den beteiligten Staaten. Wir haben jetzt erste Termine in den Herbst gelegt. Diese können aber nur eine Orientierung sein. Niemand weiß ja, wie lange sich dieser Zustand noch hinzieht, und welche Themen dann auf der Agenda stehen. Es ist ja auch sehr fraglich, ob die Staaten nach Corona direkt zur Tagesordnung übergehen und sagen: „Das erste, was wir jetzt brauchen ist ein solches Projekt“. Für internationale Projekte ist es gerade eine ganz schlechte Zeit. Steuerverfahrensrechtliche Themen geraten etwas in den Hintergrund. Wir wissen noch nicht, wann die notwendigen Gespräche für die Fortführung stattfinden werden.

Ein weiteres wichtiges Thema Ihrer Arbeit sind die internationalen Betriebsprüfungen. Wie sieht es da vor dem Hintergrund von Corona aus?

Es ist eine sehr schwierige Situation. Was gemacht werden kann, wird gemacht, aber das ist nicht viel. Man versucht Betriebsprüfungen, die schon weit fortgeschritten sind und wo man vielleicht den Rest telefonisch klären kann, zu Ende zu bringen. Das meiste ist derzeit gestoppt – gerade im Hinblick auf Italien und Österreich, aber nicht nur bei internationalen Betriebsprüfungen. Klar ist aber auch: Die Betriebsprüfung ist in Coronazeiten nicht systemrelevant! Viele Unternehmen haben derzeit ganz andere Sorgen. Die logistische Unterstützung, die für eine Betriebsprüfung nötig wäre, können viele Firmen im Moment gar nicht leisten, und der Betriebsprüfer kann ja auch nicht ins Unternehmen kommen. In der derzeitigen Lage wird es daher in Bezug auf die Betriebsprüfung sicher keine Zwangsmaßnahmen von Seiten der Verwaltung geben. Es wäre auch im Hinblick auf die massiven Hilfsprogramme, die gerade anlaufen, obskur, dann über die Betriebsprüfung bei strauchelnden Unternehmen wieder Geld hereinholen zu wollen.

Trotzdem muss ja irgendwann geprüft werden. Wie wird die Verwaltung mit den Betriebsprüfungen umgehen, die jetzt nicht stattfinden können?

Es ist absehbar, dass es viele unerledigte Betriebsprüfungen geben wird, aber wie damit umgegangen wird, ist unklar; je nachdem, wie lange sich die aktuelle Situation hinzieht muss vielleicht zuletzt auf politischer Ebene entschieden werden, was passiert. Aktuell ist das alles Spekulation. Vieles hängt davon ab, wie lange dieser Zustand andauert. Im Moment stehen die Finanzämter vor ganz anderen Problemen: Sie werden von Anträgen für Stundungen oder Erlasse überrollt – das sind aber Dinge, die sonst nur Randtätigkeiten in der Finanzverwaltung sind. Da verschieben sich intern gerade die Arbeitslasten.

 

Dr. Thomas Eisgruber (61) ist seit März Referatsleiter für Internationale Betriebsprüfung im Bundesfinanzministerium (BMF). Seine Abteilung beschäftigt derzeit zwei Mitarbeiter, zwei weitere Stellen sollen noch besetzt werden. Das Referat entstand aus einem Projekt, für das Eisgruber im August letzten Jahres als Ministerialrat zum BMF kam. Zuvor war er lange Jahre beim Bayerischen Staatsministerium der Finanzen und für Heimat tätig und hat dort auch das internationale Steuerzentrum geleitet, das im Bereich der internationalen Betriebsprüfung Pionierarbeit geleistet hat.   

Die Fragen stellte Catrin Behlau.

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