Der Preis wurde im Mai 2023 zum 22. Mal verliehen. Schon die Namensgebung ist gleichermaßen eng verbunden mit der Geschichte der deutschen Steuerlehre und der Geschichte der deutschen Struktur der Magic-Circle-Kanzlei Linklaters. Denn den Nukleus der ab 2001 als Linklaters Deutschland firmierenden Einheit bildete die in den 1970er Jahren gegründete Münchner Steuerboutique Rädler Raupach. Während Professor Dr. Albert Rädler bis zu seinem Tod 2012 of Counsel bei Linklaters blieb, ging Professor Dr. Arndt Raupach ab 1997 eigene Wege. Rädler und Raupach waren aber beide Schüler von Ottmar Bühler, der als Begründer und Nestor der steuerrechtlichen Wissenschaft in Deutschland gilt. Beide hatten zu Bühlers 100. Geburtstag 1984 auch gemeinsam eine Gedenkschrift herausgebracht. Der Name des Preises bindet daher Stifter wie Wissenschaft gleichermaßen.
Der Ottmar-Bühler-Preis geht regelmäßig an drei Preisträgerinnen und Preisträger in unterschiedlichen Entwicklungsstufen ihrer akademischen Karrieren. Ausgezeichnet wird möglichst jeweils eine Bachelor- und eine Masterarbeit sowie eine Dissertation. Doch die Ziele, die Linklaters und die LMU damit verfolgen, sind durchaus unterschiedlich.
„Gutes Steuerrecht kann man nur anbieten, wenn man auch eine starke akademische Fundierung hat“, betont Linklaters-Partner Professor Dr. Jens Blumenberg. Dem pflichtet Blumenbergs Partnerkollege Andreas Schaflitzl bei und ergänzt, dass Linklaters Deutschland sich gerade durch seine Vorgeschichte durch eine enge Verbindung mit der betrieblichen Steuerlehre auszeichne: „Wir sind die einzige angelsächsische Großkanzlei, bei der man auch als Nicht-Jurist ohne Probleme Partner werden kann.“ Daher habe man auch bewusst den Ottmar-Bühler-Preis nicht an einem juristischen Lehrstuhl, sondern an einem betriebswirtschaftlichen Lehrstuhl für Arbeiten im Bereich der betrieblichen Steuerlehre gestiftet. Als steuerjuristischen Preis stifte man dagegen den Linklaters Förderpreis für Steuerrecht an der Hamburger Bucerius Law School.
Die Motivation der Linklaters-Partner zielt dabei klar auf die eigenen Nachwuchsförderung: „Wir brauchen Steuerleute, die das Recht auch anwenden können“, sagt Schaflitzl. „Unser Nachwuchs muss mit den konkreten Steuernormen wie etwa der Zinsschranke vertraut sein.“ Gerade angesichts des Siegeszuges der empirischen Steuerlehre in der akademischen Welt versuche man gezielt, den Kontakt zu eher praxisorientierten Steuerwissenschaftlern wie der Münchner Professorin Dr. Deborah Schanz oder dem Göttinger Steuerlehrer Professor Dr. Andreas Oestreicher zu halten. „Wir haben Verständnis, dass man für eine Wissenschaftskarriere heute auch akademische Meriten im internationalen Kontext braucht und daher eher empirisch-statistisch forscht“, so Schaflitzl. Für Linklaters sei aber wichtig, dass sich der zukünftige Nachwuchs nicht nur im akademischen Elfenbeinturm zu Hause fühle oder nur an Politikberatung oder Steuerquoten ausrichte. Es gehe Linklaters um die Förderung des angewandten Steuerrechts, so die beiden Partner.
In diesem Jahr sind dem entsprechend auch die Themen aller Preisträger steuerlich normativ ausgerichtet: Marlon Schöllkopf wurde für seine Bachelorarbeit „Ertragsteuerliche Behandlung von Mining und Staking von Kryptowährungen“ ausgezeichnet. Im Masterstudiengang wurde Stefanie Pettmesser zum Thema „Das Optionsmodell für Personengesellschaften – steuerlicher Regelungsgehalt und deren Auswirkungen“ ausgezeichnet. Als dritten Preisträger würdigte die Jury Georg Bauer für seine Dissertation „Die Besteuerung digitalisierter Geschäftsmodelle – Herausforderungen und Lösungsansätze“.
Als Preis nur für steuerlich normative Arbeiten will die Vorsitzende des Kuratoriums, das den Preis vergibt, Professorin Dr. Deborah Schanz, den Ottmar-Bühler-Preis allerdings nicht verstehen. „Der Preis ist lediglich Ausdruck dessen, was wir an der LMU in der Betriebswirtschaftlichen Steuerlehre machen. Wir brauchen empirische Forschung genauso wie wir normative Forschung brauchen. Daher zeichnen wir auch regelmäßig Arbeiten aus beiden Stoßrichtungen aus“, so Schanz. „Denn isoliert sind beide Bereiche nicht zielführend.“ Daher sei der Ottmar-Bühler-Preis auch nicht auf Arbeiten mit einer bestimmten inhaltlichen Ausrichtung beschränkt. Dass in diesem Jahr nur normative Arbeiten ausgezeichnet worden seien, sei reiner Zufall. „In anderen Jahren waren die prämierten Arbeiten auch schon rein empirisch ausgelegt.“
Das einzige, wovon sich Schanz distanziert, sind Arbeiten, die gar keine Außenwirkung haben und rein l’art pour l’art innerhalb der akademischen Welt verbleiben. „Wenn Arbeiten gar keinen Impakt haben und für niemanden außerhalb des universitären Kontexts relevant sind, dann kommen sie für den Ottmar-Bühler-Preis auch nicht in Frage“, erläutert Schanz. Ob allerdings der gesellschaftliche Nutzen darin bestehe, der Politik Hilfestellung in Fragen der Auswirkungen von Steuergesetzgebungen zu geben oder Kanzleien, Steuerfunktionen oder Steuerberatungen bei der konkreten Anwendung und Auslegung von Normen, sei für den Ottmar-Bühler-Preis nicht maßgebend.
Trotz der vielfältigen Verflechtung zwischen preisstiftender Kanzlei und preisverleihender Universität gibt es also doch unterschiedliche Motivationen, die ausgeglichen und moderiert werden wollen.