Recruiting

Genderverbot: Stolperstein für Beratungshäuser

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat mit dem geplanten Genderverbot einen Stein ins Rollen gebracht, der auch die Steuerbranche betreffen könnte. Denn viele Einheiten nutzen vor allem beim Employer-Branding gendergerechte Sprache. Sollte dies im Umgang mit Hochschulen verboten werden, müssten sich die Beratungsgesellschaften entscheiden: Werte hochhalten oder Recruitingkanäle nutzen?

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Das Genderverbot an hessischen Universitäten wird dann zu einem Stolperstein für die Steuerbranche, wenn Hessen die sächsische Regelung zum Genderverbot übernimmt: Der Freistaat hat ebenfalls ein Genderverbot erlassen – allerdings nur in Bezug auf Schulen. Das sächsische Genderverbot erstreckt sich aber nicht nur auf die Schriftsprache von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülerinnen und Schülern. Das Genderverbot gilt in Sachsen auch für alle Kooperationspartner von Schulen. Wer als Kooperationspartner im sächsischen Schulsystem gendert, fliegt raus – das gilt auch für Unternehmen aus der Steuerbranche. Das sächsische Staatsministerium sieht darin allerdings kein Problem. „Ich bezweifle, dass Kanzleien und Gesellschaften, die international tätig sind, durchgehend gendern, denn zum Beispiel in Frankreich kennt man kein Gender-Sonderzeichen. Gar keine Geschlechtsmarkierung gibt es zum Beispiel in den asiatischen Ländern, Estland und Finnland“, hieß es bereits im Juli auf Anfrage von JUVE Steuermarkt. „Unabhängig davon können die Kanzleien kommunizieren, wie sie wollen, aber wenn sie als Kooperationspartner in unserem Auftrag handeln sollten, müssen sie sich im Rahmen des Auftrages an die Regeln des Rates für deutsche Rechtschreibung halten. Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat am Freitag (14. Juli 2023) noch einmal klargestellt, dass die Sonderzeichen im Wortinneren (*, _ und : etc.) nicht Kernbestand der deutschen Orthografie sind.“

Unklar ist jedoch, was das sächsische Kultusministerium genau unter ‚im Rahmen eines Auftrages‘ versteht. Ein größeres Problem hatte die Steuerbranche in Sachsen aber bisher nicht, weil es im Freistaat nur wenige Kooperationen von Steuerberatungsgesellschaften etwa mit Berufsschulen gibt, in denen die Steuerbranche als Kooperationspartner mit speziellen Unterlagen oder Schriftstücken innerhalb des Schulsystems in Erscheinung tritt. Sollte Hessen eine ähnliche Regelung wie Sachsen anstreben und diese auch für die Universitäten in der Rhein-Main-Region in Kraft setzen, dann würde sich die Situation ändern. Denn Next-Six- und Big-Four-Gesellschaften unterhalten zahlreiche intensive Kooperationen mit hessischen Hochschulen.

Einige Beispiele gefällig? Die Next-Six-Gesellschaft Grant Thornton bietet zusammen mit der Hochschule RheinMain, der ehemaligen Fachhochschule Wiesbaden, eine duale Ausbildung an. Parallel zur Tätigkeit für Grant Thornton erwerben Studierende berufsbegleitend einen Bachelor of Laws (LL.B.). Die ehemalige Fachhochschule Frankfurt, die Frankfurt University of Applied Sciences, bietet gleichfalls dual unter anderem zusammen mit KPMG und PricewaterhouseCoupers (PwC) einen berufsbegleitenden sechssemestrigen Bachelor ‚Steuerlehre‘ an.

Die Bemühungen der Steuerbranche um die Hochschulen sind nicht zufällig. Der Fachkräftemangel setzt der Branche zu. Genügend Nachwuchskräfte kann nicht mehr finden, wer sich erst nach dem Uniabschluss um das Recruiting bemüht. Daher gehen viele Steuereinheiten vermehrt auf Nachwuchstalente schon in ihren ersten Unisemestern zu und versuchen diese über Förderungen, Praktikas und Werkstudententätigkeiten langfristig an sich zu binden.

Gendern ist Teil des Recruitings

Genau dies müsste – wenn das sächsische System auch in Hessen kommt – in Zukunft genderfrei ablaufen: also ohne typografische Zeichen für geschlechtergerechtes Formulieren wie Genderstern, Doppelpunkt oder Binnen-I. Das klingt einfacher, als es für die Unternehmen in der Steuerbranche tatsächlich ist. Denn das Gendern in der Kommunikation mit Hochschulen und Studierenden ist Teil des Employer-Brandings und der Recruiting-Strategien der Beratungsgesellschaften. Und diese sind auch Ausdruck der Unternehmenswerte. Auf genderneutrale Sprache in Hessen zu verzichten, würde das Konzept in Frage stellen, das hinter der Etablierung solcher Unternehmenswerte und ihrer Umsetzung als Arbeitgebermarke steht.

Schon heute gehen die großen Steuerberatungsgesellschaften unterschiedlich mit dem Thema Gendern um: Während Grant Thornton auf seiner Karriereseite Genderstern, Doppelpunkt oder Binnen-I vermeidet und geschlechtersensible Sprache vor allem mittels Partizipialkonstruktionen wie ‚Werkstudierendentätigkeiten‘ oder der Nennung beider Geschlechter ausdrückt, benutzt PwC auf seiner Karriereseite den Doppelpunkt zum Gendern.

Falls also Hessen die harte Linie Sachsens in Sachen Gendern umsetzen sollte, könnte das Thema durchaus zu einem Stolperstein für das Unirecruiting der Steuerbranche werden.

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