Begründet wird der Schritt mit der Sorge vor dem harten Brexit und dem Ziel, aufwändige Zollprozeduren zu vermeiden. Vor Sony hatten sich unter anderem bereits Unilever und Panasonic entschlossen, ihre Europazentrale in die Niederlande zu verlagern. Steuerrechtsexperten vermuten, dass der Schritt auch steuerlich motiviert sein könnte. Dafür spricht, dass die niederländische Holding bereits jetzt für viele multinationale Konzerne ein beliebter Sitz für die Steuerung ihres europäischen Geschäfts ist.
„Der Schritt von Sony wie auch von Panasonic und Unilever unterstreicht den Trend zur Errichtung niederländischer Holding-Gesellschaften durch international tätige Unternehmen. Das ist steuerlich sehr interessant, zudem lässt sich so die Konzernstruktur rechtlich optimieren“, erklärt Bart Le Blanc, Partner von Norton Rose Fulbright in Amsterdam. „Sony hat bereits umfangreiche Geschäftsaktivitäten in den Niederlanden. Daher ist es sinnvoll, Sony Europe mit diesen Gesellschaften innerhalb der EU zusammenzuführen. Auch der Umzug der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) nach Amsterdam dürfte eine Rolle gespielt haben, denn Sony ist umfassend im Medizinsektor tätig.“
Aber auch das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Japan und den Niederlanden sichert ein optimales steuerliches Umfeld für die Entscheidung von Sony. Auch Banken könnten verstärkt mit ihren Europageschäft nach Amsterdam ziehen, so wie wie die japanische Norinchukin, die kürzlich ankündigte, ihren Europasitz dorthin zu verlegen. „Die Niederlande bieten einen sehr guten regulatorischen Rahmen und hervorragende Investitionsbedingungen. Die niederländische Regierung hat wichtige Schritte unternommen, gleiche Bedingungen für die Besteuerung zu schaffen, die mit der internationalen Entwicklung, insbesondere der BEPS-Initiative der OECD, übereinstimmen.“
Das scharfe Auge der EU
Der Europäischen Kommission sind die günstigen steuerlichen Bedingungen in manchen EU-Ländern allerdings ein Dorn im Auge. Erst kürzlich hatte sie Nike ins Visier genommen, um zu prüfen, ob sich der Sportartikelhersteller durch Steuerdeals in den Niederlanden einen unfairen Vorteil gegenüber Wettbewerbern verschafft.
Auch gegen andere Konzerne geht die EU in dieser Hinsicht bereits vor. Seit Juni 2013 prüft die Kommission besonders kritisch, ob die individuellen Tax Rulings der Mitgliedstaaten unerlaubte Beihilfen sein könnten. In einigen Fällen hat sie bereits abkassiert. Im Fall von Fiat bzw. Starbucks kam sie beispielsweise bereits im Oktober 2015 zu dem Schluss, dass Luxemburg und die Niederlande den Unternehmen ausgewählte Steuervorteile verschafft hatten. Daraufhin hatte Luxemburg 23,1 Millionen Euro von Fiat zurückfordern müssen, die Niederlande forderten 25,7 Millionen Euro von Starbucks.
In Belgien wurden von insgesamt 35 Unternehmen rund 900 Millionen Euro zurückgefordert – knapp 90 Prozent der vermeintlichen Beihilfen sind bereits wieder eingetrieben worden, heißt es. Im August 2016 knüpfte sich die Kommission Apple vor, das in Irland unangemessene Steuervorteile genießen soll: 14,3 Milliarden Euro sollen die Steuerbehörde dort zurückholen.
Auch Amazon und Engie sollen in Luxemburg Steuervorteile genießen, die ihnen nicht zustehen. Seit Oktober 2017 fordert die Kommission daher die Rückzahlung von 262,7 Millionen Euro durch Amazon und 120 Millionen von Engie. Auch wegen der Steuerurteile der Niederlande zugunsten von Inter Ikea und multinationalen Unternehmen in Großbritannien wurden Untersuchungen eingeleitet.
Trotzdem gilt wohl: Der Binnenmarkt bleibt für die Brexit-Flüchtlinge attraktiv. „Von jedem Mitgliedstaat aus können Unternehmen in 28 Staaten steuerlich und gesellschaftsrechtlich sicher operieren. Daher werden auch nicht nur die Niederlande von durch den Brexit getriebenen Sitzverlegungen profitieren“, meint der Frankfurter Norton Rose-Steuerpartner Tino Duttiné. Für Versicherungsunternehmen und Finanzinstitute biete sich aber auch der Weg nach Luxemburg, Belgien oder Irland an.