Am Montag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde unterschrieben, teilte das Präsidialamt der Wirtschaftswoche auf Anfrage mit. Sobald diese durch Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) übergeben wird, ist Thesling rechtmäßiger Leiter des höchsten deutschen Steuergerichts.
Der Ernennung ging eine monatelange Debatte voraus. Die große Koalition favorisierte nach Informationen von JUVE Steuermarkt für die Leitungspositionen den der CDU nahestehenden Thesling sowie die vormalige Präsidentin des Finanzgerichts des Saarlands und ehemalige SPD-Staatssekretärin, Dr. Anke Morsch. Nach den 2016 zwischen dem Bundesjustizministerium (BMJV) und den obersten deutschen Richterinnen und Richtern vereinbarten Regularien müssen Kandidaten für leitende Richterämter eine mindestens fünfjährige Erfahrung am jeweiligen Gericht vorweisen können. Thesling und Morsch waren jedoch erst im vergangenen Herbst zu Richterin bzw. Richter am BFH ernannt worden und erfüllen diese Anforderung somit nicht. Dass das Justizministerium dennoch an den beiden Kandidaten festhielt, stieß vielerorts auf Unverständnis. So protestierten sowohl der Richterverein des BFH als auch der Deutsche Richterbund (DRB) gegen die Besetzungspläne.
Nun bleibt abzuwarten, ob Morsch sich gegen ihre Konkurrenz um den Posten als Stellvertreterin durchsetzt. Der Präsidentenstuhl ist grundsätzlich ein Politikum. Bei der Berufung seiner Vertretung jedoch müssen die gleichen Erfordernisse gelten, wie für die Besetzung einer Stelle als Vorsitzender Richter, da zu den Aufgaben als ständige Vertretung des Präsidenten der Vorsitz über einen Senat hinzukommt. Hier auf die vereinbarte fünfjährige Erfahrung am Gericht zu verzichten, wird schwerer zu verteidigen sein.
Durch die nun erfolgte Ernennung Theslings ist der Weg frei für Konkurrentenklagen. JUVE Steuermarkt-Informationen zufolge wurde bereits ein Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt.
Zurzeit sind inklusive der beiden Spitzenposten insgesamt vier der Vorsitzenden Richterstellen am BFH unbesetzt. Bereits Anfang Oktober 2020 wählte der Bundesrichterwahlausschuss, der von Lambrecht geleitet wird, neben den Genannten den baden-württembergischen Finanzrichter Dr. Ralf Adam sowie seinen Amtskollegen aus Hamburg, Dr. Reiner Fu, zu Nachfolgerin bzw. Nachfolgern der allesamt aus Altersgründen ausgeschiedenen Richterinnen und Richter. Aufgrund der anhaltenden Debatte konnte noch keiner sein Amt antreten.