JUVE Steuermarkt: Angesichts der vielen Themen, die dem BZSt ins Haus stehen, stellt sich die Frage der Ressourcen, sowohl personell als auch IT-technisch. Wie sehen Sie das BZSt hier aufgestellt?
Brigitte Vossebürger: Hinsichtlich der IT-Themen sind wir auf einem guten Weg. Engagierte Kolleginnen und Kollegen gestalten unser Architekturmanagement. Wir entwickeln nicht mehr einzelne Verfahren gesondert, sondern wir strukturieren nach Geschäftsfähigkeiten und clustern im Programmmanagement. Wenn wir beispielsweise ein Verfahren mit Datenausgang zur EU, zu den Bundesländern und zu den Steuerpflichtigen haben, müssen wir jeweils einen einheitlichen Kanal bauen, der künftig für alle Verfahren mit Datenübertragung zur EU, zu den Bundesländern und zu den Steuerpflichtigen nutzbar ist. Der Nachnutzungsgedanke ist wichtig, um auch Haushaltsmittel zu sparen. Aber diese Transformation in der Digitalisierung nimmt Zeit und Ressourcen in Anspruch. IT-Projekte werden grundlegend anders entwickelt, weg von der Wasserfallmethode hin zur agilen Entwicklung. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg, aber es erfordert Geduld, Zeit und genügend Haushaltsmittel.
Ist das BZSt betroffen von den Haushaltskürzungen infolge des Urteils aus Karlsruhe zum Klima- und Transformationsfonds vom November 2023?
Direkt hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds keine Auswirkung auf das BZSt. Aber das BMF hat – wie auch die anderen Ressorts – die Vorgaben zu erfüllen. Insgesamt sind Haushaltsmittel sehr begrenzt vorhanden. Damit erhalten Behörden wie auch wir die Haushaltsmittel nicht in dem Umfang, wie sie in der Vergangenheit zur Verfügung standen.
Wie sehen Sie die personelle Situation des BZSt?
Personal ist im BZSt – wie bei allen Behörden und Unternehmen – zu einer nur begrenzt vorhandenen Ressource geworden. Die Stichworte sind Arbeitnehmermarkt, Fachkräftemangel und demografischer Wandel. Wir haben schon vor einigen Jahren mit einer neuen Personalmarketingkampagne reagiert, Werbemittel verändert und sind bei Social Media aktiv. Das ist für uns erfolgversprechend, weil zu unserem Bewerberkreis in erster Linie Schulabgängerinnen, Abiturienten und Realschulabsolventinnen und -absolventen für den mittleren und gehobenen Dienst gehören.
Wie sieht es mit den Bewerberzahlen aus?
Wir konnten die Bewerberzahlen nach unserer Personalmarketingkampagne steigern und unsere über 170 Ausbildungsplätze für den gehobenen und mittleren Dienst weitgehend besetzen. Die Ausbildung erfolgt in den Bundesländern. Leider kommen am Ende nicht alle Auszubildenden zu uns, weil einige die Zwischenprüfung nicht schaffen oder die Ausbildung vorher beenden. Wir bekommen also mehr Bewerberinnen und Bewerber, aber nicht mehr Berufseinsteiger. Aber immerhin ausreichend, um unsere Vakanzen perspektivisch in den nächsten Jahren füllen zu können. Denn in Zeiten eines knappen Haushalts rechne ich nicht mit der Zuweisung von mehr Planstellen in den nächsten Jahren.
Wie ist es beim höheren Dienst, also den Hochschulabsolventen?
Beim höheren Dienst stellt sich die Frage, welchen Studienabschluss wir benötigen. Wir sind schon vor Jahren dazu übergegangen, neben Juristinnen und Juristen auch Betriebswirtinnen und Betriebswirte einzustellen. Wir sind also flexibler geworden, weil gerade Studierende der Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Steuerrecht bei uns sehr gut einsetzbar sind. Damit konkurrieren wir am Bewerbermarkt auch mit den Beratungsunternehmen.
Sie suchen aber nicht nur Hochschulabsolventen, sondern auch Berufserfahrene, oder?
Absolut. Wir bewegen uns quasi auf dem ‚zweiten Arbeitsmarkt‘. (lacht) Zu uns kommen oft Menschen, die vorher einige Jahre Erfahrungen in Kanzleien oder Unternehmen gemacht haben. Viele junge Leute binden sich heute nicht mehr langfristig an den ersten Arbeitgeber, sondern schauen sich nach zwei bis drei Jahren neu um. Manche kommen dann gern zu uns, und wir freuen uns über Mitarbeitende mit Berufserfahrung.
Ist es schwieriger, Personal für den höheren Dienst, also Hochschulabsolventen, oder den gehobenen Dienst, Diplom-Finanzwirte, zu finden?
Sowohl im gehobenen als auch im höheren Dienst werden wir perspektivisch unsere vakanten Stellen besetzen können, da wir voraussichtlich in nächster Zeit keine neuen Planstellen bekommen werden. Dabei besteht für uns im Ergebnis kein Unterschied zwischen dem höheren oder gehobenen Dienst. Wichtig ist, neue Kolleginnen und Kollegen dauerhaft an uns zu binden. So absolvieren beispielsweise einige unserer jungen Kolleginnen und Kollegen kurz nach der Prüfung zur Diplom-Finanzwirtin beziehungsweise zum Diplom-Finanzwirt das Steuerberaterexamen. Beratungsgesellschaften werben explizit um diese Gruppe. Einige verlassen uns dann. Zahlenmäßig hält sich der Weggang aber in Grenzen.
Der Fachkräftemangel betrifft alle, die Privatwirtschaft ebenso wie den Staat. Insofern ist es spannend, dass Sie damit rechnen, bei gleichbleibenden Planstellen alle Positionen zu besetzen.
Im Moment sieht es perspektivisch ganz gut aus, wenn die Anzahl der Bewerbungen konstant bleibt. Es sind noch Vakanzen vorhanden, die jedoch bei gleichem Planstellenbestand und trotz des demographischen Wandels in einigen Jahren hoffentlich besetzt werden können.
Was bieten Sie ihren Mitarbeitenden an Benefits?
Im öffentlichen Dienst haben wir nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten. Also versuchen wir, eine gute Work-Life-Balance herzustellen. Wir sind ein familienfreundlicher Arbeitgeber mit eigener Kindertagesstätte am Hauptsitz in Bonn. Wir bieten Homeoffice-Möglichkeiten mit guter technischer Ausstattung für zu Hause. In Teilzeit zu arbeiten, ist bei uns ebenfalls kein Problem. Wir hoffen, auf diese Weise unsere Beschäftigten an uns zu binden.
Wie stellen Sie sicher, dass Ihr Personal angesichts steigender Aufgaben nicht überlastet wird?
Wir unterstützen unsere Mitarbeitenden, etwa indem wir Stellen und Beschäftigte im Hause dort einsetzen, wo ein Arbeitsbereich dringend Unterstützung benötigt. Wir haben im Blick, welche Bereiche ausgelastet sind und welche weniger. Natürlich setzen wir grundsätzlich niemanden gegen seinen Willen auf eine andere Stelle. Wenn ein Kollege oder eine Kollegin aus Altersgründen ausscheidet, schauen wir, in welchem Bereich diese Stelle besonders dringend benötigt wird. Darüber hinaus wollen wir die Digitalisierung vorantreiben, auch um unsere Beschäftigten dadurch zu entlasten.
Sie gehen davon aus, dass das BZSt trotz neuer Aufgaben personell nicht wachsen wird?
Natürlich hoffen wir auf neue Planstellen, wenn unsere Aufgaben zunehmen. Aber der Haushalt ist im Moment sehr eng, und das wird voraussichtlich auch 2025 noch so bleiben. Im Moment müssen wir uns mit unseren vorhandenen Planstellen so aufstellen, dass wir unsere Aufgaben möglichst gut bewältigen können.
Welche Rolle spielt die Sinnhaftigkeit oder der gesellschaftliche Mehrwert von Arbeit gerade für die Kollegen, die in einem späteren Karrierestadium zum BZSt wechseln?
Nicht wenige neue Kolleginnen und Kollegen nennen als Grund für einen Wechsel zu uns tatsächlich die Sinnhaftigkeit und finden es positiv, auf ‚der anderen Seite‘, also auf der Seite des Staates, der Finanzverwaltung zu arbeiten. Ich will das nicht bewerten. Ich will nur sagen, dass manche gern für den Staat arbeiten möchten. Die Aufgaben bei uns sind spannend und vielseitig – gerade im internationalen Bereich sind wir spiegelbildlich zu den großen Beratungsgesellschaften und Konzernen tätig. Das unterscheidet uns auch von Finanzämtern. Das BZSt entspricht stärker einem internationalen Anforderungsprofil.
Und wie verhält es sich mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben beim BZSt als Arbeitgeber?
Viele junge Kollegen und Kolleginnen möchten vielleicht einmal eine Familie gründen. In der Regel kommen Kolleginnen oder Kollegen nach der Elternzeit relativ schnell wieder in den Dienst zurück, einige in Teilzeit. Das machen wir möglich und stellen uns darauf ein.
Ein sensibles Thema für Berater und für das BZSt sind in der Interaktion die langen Bearbeitungszeiten und Rückmeldefristen. Wie möchten Sie das angehen?
Was die Erstattung der Kapitalertragsteuer und den Entlastungsbereich angeht, haben wir bereits über unseren Hinweis auf der Website gesprochen (vgl. Teil 1 des Interviews). So möchten wir über die lange Verfahrensdauer informieren und darüber, dass unsere Kollegen und Kolleginnen derzeit telefonisch nicht erreichbar sind, um sich auf das Abarbeiten der eingegangenen Anträge zu konzentrieren.
Was wünschen Sie sich von den Beratern in Sachen Interaktion?
Seitens der Beraterschaft Anträge, die bei uns vollständig eingehen, mit allen benötigten Unterlagen. Die Vollständigkeit ist, das hören wir aus verschiedenen Teilen unseres Hauses, immer wieder ein Problem. Man mag sich als Berater vielleicht ärgern, dass das Procedere so kompliziert ist, aber so sind nun einmal die gesetzlichen Vorgaben. Von Beratern, Banken und Steuerpflichtigen hören wir, dass die dortige Mitarbeiterfluktuation eine mögliche Ursache für unvollständige Antragsunterlagen ist. So kommt es vor, dass ein Berater oder Unternehmensmitarbeiter, der wusste, welche Unterlagen er bei uns einreichen musste, nicht mehr dort beschäftigt und sein Nachfolger nicht mehr im Bilde ist.
Welche Maßnahmen sind seitens des BZSt denkbar?
Wir überarbeiten unsere Website. Wir prüfen, ob wir alle Anforderungen vollständig auf unserer Homepage aufgeführt haben. Sind die FAQ verständlich? Wir haben uns vorgenommen, nochmals verstärkt mit Verbänden, Beratern und Banken ins Gespräch zu kommen, um zu klären, was wir brauchen und was das Gesetz vorsieht. Das ist die Grundlage unseres Handelns.
Wie gehen Sie die externe Kommunikation an, wenn neue Daten gemeldet werden müssen?
Bei neuen Vorgaben und Meldeverpflichtungen wie beispielsweise bei DAC 6 treten wir frühzeitig mit entsprechenden Verbänden und Banken im Rahmen von User-Group-Treffen in Kontakt. Auf Veranstaltungen und auf unserer Homepage informieren wir darüber, was der Gesetzgeber vorsieht, welche Datenmeldewege wir einrichten und was konkret erforderlich ist. Die Kommunikation flächendeckend hinzubekommen ist teilweise schwer. Es ist ein mühsames Unterfangen und kostet Zeit, die uns für die Bearbeitung fehlt. Es ist also auch eine Frage der Priorisierung und Überlegung, wie viele Kapazitäten wir investieren können.
Wie blicken Sie insgesamt auf die Zusammenarbeit mit Beratern?
Wir haben in mehrere Bereichen Kontaktstellen mit der Beraterschaft, beispielsweise auch bei der Bundesbetriebsprüfung. Hier kommen unserer Prüferinnen und Prüfer und die Kolleginnen und Kollegen der Landesfinanzverwaltung beispielsweise bei Eröffnungsgesprächen und Schlussbesprechungen mit den Unternehmensvertretern und den Beratern zusammen. Grundsätzlich bewerten wir die Zusammenarbeit positiv. In Einzelfällen kann die Kommunikation aber auch schon mal nicht so gut funktionieren. Häufig spielen dabei auch zwischenmenschliche Missverständnisse eine Rolle. Ich sehe das aber nicht als strukturelles Problem, sondern als Einzelfälle.
Spielt das Kommunikationsthema auch bei der internen Neustrukturierung der Bundesbetriebsprüfung eine Rolle?
Wir setzen in Zukunft auf feste Ansprechpersonen für die Landesfinanzverwaltungen, um die Kommunikation und die Zusammenarbeit zu stärken.
Ein weiterer Kontaktpunkt des BZSt mit Beratern bei der Erstattung der Kapitalertragsteuer kam bereits zur Sprache.
Hier haben wir nicht das eine Mittel, das alle Probleme löst. Dies hängt auch wieder stark von den handelnden Personen ab. Wir appellieren noch einmal dringlich, alle erforderlichen Unterlagen möglichst vollständig beizubringen und das Wissen in den Beratungsgesellschaften weiterzugeben. So können wir die Anträge möglichst reibungslos bearbeiten.
Wie sehen Sie Begegnungsmomente jenseits des Alltagsgeschäfts wie der Betriebsprüfung und der Erstattung von Kapitalertragsteuer?
Bei Dialogformaten zwischen BMF und Beratern halten wir uns eher zurück, weil wir nicht im Bereich der Gesetzgebung tätig sind. Verbände und Interessenvertretungen müssen sich mit Anregungen zu Gesetzgebungsvorhaben an das BMF wenden. Ein übergreifendes, institutionelles Format der Zusammenarbeit zwischen BZSt und Beratern gibt es derzeit nicht. Wir begegnen Beratern natürlich bei Konferenzen, wo wir auftreten und beispielsweise berichten, wie wir bestimmte verwaltungstechnische Fragestellungen sehen. Das sind aber eher punktuelle Begegnungen und ist kein regelmäßiges Dialogformat.
Wenn wir breiter gefasst über das Thema Außenkommunikation sprechen: Das BZSt hat viele wichtige steuerliche Aufgaben, ist in der Öffentlichkeit aber kaum bekannt. Warum tut sich das Amt so schwer mit der Öffentlichkeitsarbeit?
Das BZSt ist keine Behörde, die in der Fläche für alle Bürger tätig ist, wie beispielsweise ein Finanzamt, wo jeder seine Steuererklärung abgibt. Zwar erhält jeder Bürger und jede Bürgerin von uns die Steueridentifikationsnummer. Aber wir haben keine umfassenden steuerfachlichen Verfahren mit den Bürgerinnen und Bürgern, wie die örtlichen Finanzämter in den Bundesländern. Somit haben wir keine Adressaten in der breiten Öffentlichkeit, sondern unsere Adressaten sind eher steuerfachlich spezialisiert. Es ist uns wichtig, mit unseren konkreten Adressaten Kontakt zu pflegen, wie vorhin geschildert. Wegen des internationalen Geschäfts haben wir tendenziell auch eher mit großen Steuerberatungskanzleien zu tun als mit kleinen.
Sie unterscheiden also zwischen der breiten Öffentlichkeit und der steuerlichen Fachöffentlichkeit und sehen eher den Bedarf, mit der Fachöffentlichkeit zu kommunizieren?
Was Recruiting, also Personalmarketing angeht, benötigen wir die breite Öffentlichkeit. Das ist uns, Stichwort Bewerberzahlen, auch bereits gelungen. Aber einen Tag der offenen Tür für jedermann – darin sehe ich derzeit keinen Sinn. Das BZSt strebt nicht aus Prinzip nach der breiten Öffentlichkeit. Wenn wir Zeit und Arbeitskraft investieren, dann eher, um den kleineren Kreis der Adressaten anzusprechen, der dafür maßgeblich ist, dass wir unsere Aufgaben besser erfüllen können.
Wie stimmen Sie sich in Sachen Öffentlichkeitsarbeit mit dem BMF ab?
Wir stimmen unser Vorgehen und unsere Pressearbeit, auch gegenüber der Wirtschaftspresse, eng mit dem BMF ab, das ist uns ganz wichtig. Als nachgeordnete Behörde müssen wir mit derselben Stimme wie das BMF sprechen. Wir können mit der Beraterschaft in einen Erfahrungsaustausch treten, wie wir Dinge handhaben, und sehen uns als Ansprechpartner für die Verwaltungspraxis: Was kann man besser machen? Wo können wir informieren, damit es besser läuft? Wir sind nicht die richtigen Ansprechpartner, um inhaltlich über Gesetze zu diskutieren. Dafür ist das BMF der richtige Adressat.