JUVE Steuermarkt: Die elektronische Akte wird erst ab dem Jahr 2026 Pflicht für alle Gerichtsbarkeiten – und das bundesweit. Sie haben nun mehr als fünf Jahre früher die flächendeckende Einführung in der Finanzgerichtsbarkeit des Landes NRW vollzogen. Wieso haben Sie sich nicht einfach mehr Zeit gelassen?
Harald Junker: Die elektronische Akte bietet viele Vorteile gegenüber der klassischen Papierakte. Zum einen haben alle Prozessbeteiligten von nun an von überall Zugriff auf die Akten. Keiner kann immer Berge von Papier mit sich herumschleppen – in elektronischer Form ist dies allerdings möglich. Dies wiederum führt zu einer Beschleunigung der Arbeit. Wenn alle von überall Zugriff auf die E-Akte haben, kann diese schneller und effizienter bearbeitet werden. Und sie bietet eine viel bessere Struktur: Richter und Anwälte können Akten schneller durchdringen und sich insgesamt einen besseren und strukturierteren Überblick über den Stand des Verfahrens machen. Diese Vorteile wollten wir für die Finanzgerichte in NRW schnellstmöglich nutzen. Übrigens haben Prozessbevollmächtigte schon seit dem Jahr 2004 die Möglichkeit, Schriftsätze und Klageschriften in elektronischer Form bei uns zu einzureichen.
Und wie wurde dieses Angebot bisher wahrgenommen?
Leider mehr schlecht als Recht. Mittlerweile erreicht uns zwar mehr Post in digitaler Form als noch vor einigen Jahren. Aber viele reizen die Möglichkeiten der Digitalisierung noch nicht gänzlich aus und versenden weiterhin auf dem klassischen postalischen Weg. Wir glauben aber, dass sich dies mit der aktiven Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) ab dem Jahr 2022 ändern wird.
Stichwort beA: Das Gros der Prozessbevollmächtigten an den Finanzgerichten dürfte Steuerberater sein. Diese sind aber – anders als Anwälte – nicht von der im Jahr 2022 kommenden Nutzungspflicht betroffen. Geht der Papierkrieg trotz aller Bemühungen Ihres Hauses so nicht zwangsläufig weiter?
Dieses Problem teilen wir mit anderen Gerichten. So besteht zum Beispiel auch an den Sozialgerichten kein Anwaltszwang. Der Gesetzgeber hatte in Bezug auf die elektronische Akte vor allem die ordentlichen Gerichte im Blick. Bei den Steuerberatern kommt noch eine andere Besonderheit hinzu: Es ist richtig, dass das Gros der Prozessbevollmächtigten an den Finanzgerichten Steuerberater ist. Aber: Nur rund 15 Prozent aller Steuerberater gehen überhaupt vor die Gerichte. Diesen Teil müssen wir erreichen, und hier stehen wir in engem Kontakt zu den Verbänden und Kammern. Die restlichen 85 Prozent der Steuerberater betrifft dies jedoch nicht. Es wird also schwierig, den gesamten Berufsstand diesbezüglich einzubeziehen. Hier müssen Gerichte, Verbände und der Gesetzgeber eine gemeinsame Lösung finden.
Wie stellen Sie sicher, dass die Richter trotzdem vollumfänglich digital an den Akten arbeiten können?
Eingehende Post wird bei uns an zentraler Stelle eingescannt. Dafür verwenden wir Hochleistungsscanner, die extrem schnell arbeiten. In einem zweiten Schritt werden die eingescannten Dokumente den elektronischen Gerichtsakten hinzugefügt.
Und die Finanzverwaltungen? Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Behörden bei der Digitalisierung noch nicht ansatzweise soweit sind wie Sie.
Es ist unbefriedigend, wenn die Gerichtsakten vollständig digitalisiert sind, die Steuerakten aber nicht. Das bringt weder Richter noch Anwälte und Steuerberater bei der Arbeit wirklich weiter. Auch die Finanzverwaltungen müssen in Zukunft ihren Teil dazu beitragen. Auch hier stehen wir in engem Austausch mit den Behörden, damit die Umsetzung spätestens im Jahr 2026 vollständig erfolgen kann.
Wäre es nicht eine Möglichkeit, dass Ihre Scan-Abteilung die Steuerakten einfach selbst elektronisch erfasst?
Nein, das kann und darf wirklich nicht das Ziel sein. Zum einen haben wir nicht das Personal, um Akten Dritter zu digitalisieren. Zum anderen läge dann die Verantwortung bei uns, dass die Akten vollständig sind und nichts verloren geht. Diese Aufgabe muss die Finanzverwaltung selbst übernehmen.
Das Gespräch führte Daniel Lehmann.