‚Jeder Klick zählt‘: Diese Losung des modernen Online-Marketings ist nicht neu. Auch nicht die Idee von Corporate Influencern an sich. Großkonzerne wie Microsoft und selbst die Telekom setzen seit Jahren Mitarbeitende für Werbebotschaften in sozialen Netzwerken ein. Im Zuge des Fachkräftemangels setzt nun auch die eher konservative Steuerberatungswelt auf die eigenen Mitarbeitenden, wenn es darum geht, auf LinkedIn und Co. auf das eigene Angebot als Arbeitgeber oder als Berater hinzuweisen. Schließlich gibt es ja auch anstehende Generationswechsel bei Mandanten. Nun haben die ersten Gesellschaften spezielle Programme für diese sogenannten Corporate Influencer aufgelegt.
„Grundsätzlich möchte EY jeden Mitarbeitenden animieren, als Markenbotschafter in den sozialen Netzwerken aufzutreten“, erläutert Nico Schönberg, Director im National Office Tax von Ernst & Young und mitverantwortlich für den Social-Media-Auftritt der Big-Four-Gesellschaft. „Wir haben darüber hinaus ein spezielles Ambassador-Programm, das in Social Media aktiven Personen helfen soll, ihr Personal Branding, also ihren persönlichen Auftritt auf diesen Plattformen, zu verbessern.“ In diesem Ambassador-Programm würden derzeit rund 30 Personen durch tiefergehende Schulungen betreut. Mit einem individuellen Profilscreening z.B. auf LinkedIn, so Schönberg, gäbe es Tipps zu Posts und Textlängen. LinkedIn sei dabei für EY das wichtigste Netzwerk, um aktiv zu sein.
EY und WTS setzen auf Corporate Influencer
EY gehört damit schon zu den alten Hasen beim Thema ‚Corporate Influencer‘. Andere Beratungen greifen das Thema erst nach und nach auf: „Wir haben vor einigen Wochen die Entwicklung eines spezifischen Corporate-Influencer-Programms angestoßen, bestätigt Florian Kestler, Head of Communications von WTS. „Ziel dieses Programms ist es, für die Marke WTS aus dem Kreis der Mitarbeitenden sogenannte Ambassadors in den sozialen Medien zu entwickeln und diese entsprechend zu unterstützen. In der Entwicklung des Programms stehen wir aber erst am Anfang“, sagt Kestler.
Noch kein Thema sind Corporate Influencer oder Co-Recruiter für die Next-Seven-Gesellschaften Grant Thornton und Mazars. Als Co-Recruiter versteht man Influencer, die gezielt für den eigenen Arbeitgeber im Sinne des Employer Brandings und der Besetzung offener Stellen auftreten. Gerade im Entstehen ist jedoch ein Corporate-Influencer-Programm bei Ebner Stolz.
Erste Schritte bei Next-Seven-Gesellschaften
Ein Coaching für social-media-affine Mitarbeitende, aber kein Corporate-Influencer-Programm, bietet wiederum BDO an. Vorgaben hinsichtlich Inhalts oder Turnus von Posts macht die Next-Seven-Gesellschaft nicht. Die Profile bleiben strikt privat. Einen „Ambassador“-Status gibt es bei BDO nicht.
Auch andere Gesellschaften mischen sich in die Themensetzung und Frequenz von Beiträgen in den sozialen Netzwerken möglichst wenig ein: „Wir kontrollieren keine Posts unserer Mitarbeitenden“, sagt WTS-Kommunikationschef Kestler. „Social Media basieren auf Dialog. Den kann man nicht top-to-bottom vorgeben. Damit ein Social-Media-Dialog funktionieren kann, muss man daher als Unternehmen auch in gewisser Hinsicht loslassen können“, so Kestler. Klare Verhaltensregeln im Netz gibt es dennoch: Einen Code of Conduct für Internetposts oder Veröffentlichungsrichtlinien, welche insbesondere den Umgang mit den eigenen Dienstleistungen und dem eigenen Unternehmen bestimmen, haben aber die meisten Beratungen schon seit Langem.
Mitarbeitende als Multifunktionstalente
Wahrscheinlich ist, dass in Zukunft noch mehr Steuerberatungen und -kanzleien dem Beispiel von EY und WTS folgen werden, denn es gibt gute Gründe für den Einsatz der eigenen Mitarbeiter als Corporate Influencer: Im Gegensatz zu externen Influencern seien Corporate Influencer „vielseitiger einsetzbar, authentischer und hierdurch imstande, auch den Arbeitgeber selbst zu bewerben“, schreiben Rittershaus-Partner Professor Dr. Tödtmann und Rittershaus-Associate Sarah Kaufmann in einem arbeitsrechtlichen Aufsatz im Januar in der Fachzeitschrift ‚Der Betrieb‘. Vor allem ist der Einsatz der eigenen Mitarbeiter kostensparend. Denn externe Influencer sind teuer: So zitieren Kaufmann und Tödtmann eine Studie, wonach sich die Umsätze im Influencer-Marketing in der DACH-Region von 560 Millionen Euro im Jahr 2017 auf 990 Millionen Euro im Jahr 2020 fast verdoppelt hätten.
Tödtmann plädiert dafür, Corporate Influencer auch monetär an ihrem Nutzen für das Unternehmen zu beteiligen, auch wenn man sie schon im Rahmen eines Arbeitsvertrages dotiere: „Wichtig ist, eine Regelung zu haben, wenn das Engagement von Corporate Influencern erfolgreich wird – nämlich dann, wenn die Views und Klicks von Posts in die Tausende gehen“ . Eine solche Regelung könne etwa durch die Aufnahme von Social-Media-Aktivitäten als Tätigkeit in Zielvereinbarungen erfolgen, damit diese dann zu den erfolgsbezogenen Vergütungsbestandteilen beitragen. „Eine andere Möglichkeit ist, neben dem Arbeitsvertrag eine Zusatzvereinbarung abzuschließen,“ schreibt Tödtmann.
Mitarbeitende als Motor im Recruiting
Die besondere Relevanz von Corporate Influencer für Steuerberatungen und Steuerkanzleien liegt im Recruiting. Kaum ein Beratungshaus am Markt klagt nicht über zu wenige Berufsträger, zu wenig Bewerbungen, zu wenig Nachwuchs und gleichzeitig über einen enormen Ansturm an Mandanten und Projekten. Hinzu kommt der Niedergang der normativen Steuerlehre im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Ausbildung an den deutschen Universitäten zugunsten von empirischen Steuerwirkungsanalysen, die eher eine spätere Beschäftigung in der Politikberatung oder Forschung nahelegen als einen Einstieg in die Steuerpraxen der Big-Four oder Next-Seven.
Corporate Influencer in sozialen Netzwerken wie LinkedIn können beim Recruiting helfen – gerade in einer Branche, in der manchmal die Unterschiede zwischen den Beratungsunternehmen nicht so ganz klar erscheinen und die Wechselmotivation daher mitunter gering ausfällt. Da hilft ein Blick von innen, denn eigene Mitarbeiter würden in sozialen Netzwerken laut Kaufmann und Tödtmann als vertrauenswürdigste Quelle eines Unternehmens angesehen: „Den Followern wird durch die Beiträge der Corporate Influencer zu ihrem täglichen (Arbeits-)Alltag das Gefühl vermittelt, ‚aus erster Hand‘ Informationen darüber zu sammeln, wie das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern umgeht und wie eine Tätigkeit bei dem jeweiligen Unternehmen konkret aussehen könnte.“ Das kann ein entscheidender Faktor sein im Kampf um die wenigen Steuerexperten auf dem Markt.
Personalwettbewerb in der Großstadt
Corporate Influencer könnten auch für Rittershaus selbst relevant werden, die ihren Stammsitz in Mannheim hat: „Für uns als Arbeitgebermarke sind Social-Media-Posts von Mitarbeitenden besonders im Recruiting an den Standorten München und Frankfurt am Main interessant,“ berichtet Tödtmann, der selbst als Gremienberater tätig ist. „In Mannheim sind wir neben SZA Schilling Zutt & Anschütz einer von zwei Platzhirschen. In Frankfurt und München dagegen nur eine Beratung unter vielen,“ stellte die Partnerschaft fest. Um Rittershaus an diesen Standorten sichtbarer zu machen, könnten daher solche Posts hilfreich sein. „Auch weil sie authentischer wirken, als wenn man auf sozialen Medien selbst Werbung schaltet“, sagt der Rittershaus-Partner. Eine entsprechende Social-Media-Guideline sei daher bei Rittershaus ebenfalls bereits in Arbeit.