Best of JUVE Steuermarkt

Jura Jury

Autor/en
  • Catrin Behlau
  • Esra Laubach

Finanzrichter sind weiterhin mit ihren Arbeitsbedingungen zufrieden. Das zeigt die zweite Umfrage unter deutschen Finanzrichtern, die JUVE Steuermarkt in diesem Herbst durchgeführt hat. Die gute Stimmung wurde noch nicht einmal durch die Corona-Pandemie getrübt.

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Kristian Friedenhagen hat seinen Wechsel in die Gerichtsbarkeit bislang nicht bereut. Seit rund zwei Jahren ist Friedenhagen Finanzrichter in Hamburg, und das in Teilzeit. Davor war er mehrere Jahre Rechtsanwalt und in der Finanzverwaltung tätig. Doch nicht nur die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat bei seinem Laufbahnwechsel eine Rolle gespielt: „Meine Motivation und den Charme des Richterberufs sehe ich in der unabhängigen Tätigkeit, den Beteiligten sicheren Zugang zu Rechtsschutz zu gewähren. Das ist im Amtseid in § 2 des Hamburgischen Richtergesetzes gut niedergelegt.“ Dieses hehre Ziel, gekoppelt mit einer guten Work-Life-Balance, einer angenehmen Arbeitsatmosphäre und dem durchaus soliden Gehalt – das sind die Zutaten für ein zufriedenes Arbeitsleben, nicht nur bei Friedenhagen.

Junge Richter, neue Kultur: Richter am FG Hamburg, Kristian Friedenhagen

Das zeigen zumindest die Ergebnisse der zweiten Umfrage unter den über 500 Finanzrichtern Deutschlands, die JUVE Steuermarkt im Herbst 2020 durchgeführt hat. Rund elf Prozent der angeschriebenen Richter nahmen an der Umfrage teil.

Die Herausforderung lockt

Ob das jeder so sieht wie Friedenhagen, ist nicht überliefert. Fest steht aber, dass sich im Vergleich zur ersten Finanzrichterumfrage des JUVE Steuermarkt 2018 die Zufriedenheit grundsätzlich sogar noch einmal gesteigert hat. So erreichte die Note zur Work-Life-Balance in diesem Jahr sogar einen sehr hohen Wert von 4,02. Die Befragten waren zudem mit der technischen Ausstattung etwas zufriedener als vor zwei Jahren. Darauf könnten die in der Corona-Pandemie erprobten technischen Neuerungen wie die elektronische Akte Einfluss genommen haben. Ob im Homeoffice oder bei Gericht, mit dem Arbeitspensum sind die Befragten ebenfalls zufrieden – egal ob in Voll- oder Teilzeit.

Doch all dies sind noch nicht einmal die Hauptgründe für Steuerjuristen, an die Finanzgerichte zu wechseln. Die häufigste Motivation lag vielmehr im Interesse, das Gemeinwohl zu sichern, oder weil sie etwa Steuergerechtigkeit für sehr wichtig halten. Den höchsten Stellenwert hat jedoch wie 2018 die intellektuelle Herausforderung, die Finanzrichter an ihrem Beruf reizt.

Die grundsätzliche Zufriedenheit der Finanzrichter konnten auch die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht erschüttern. Tatsächlich zeigt sich eine überwältigende Mehrzahl der teilnehmenden Finanzrichter mit dem Krisenmanagement ihres Gerichts im Großen und Ganzen zufrieden – und dass, obwohl die Gerichte dabei vor große Herausforderungen gestellt wurden. So wurden in fast allen Gerichten mündliche Verhandlungen auf das Allernotwendigste beschränkt, Fortbildungen und Dienstreisen weitgehend ausgesetzt. Die Richter und – sofern es dafür die nötigen Voraussetzungen gab – große Teile der Servicekräfte arbeiteten vom Homeoffice aus. „Ich arbeitete zu Lockdown- Zeiten einen Tag im Gericht und vier Tage remote zu Hause“, berichtet beispielsweise Kristian Friedenhagen. „Dank Homeoffice, Teilzeit und einem soliden Teamgedanken konnten meine Frau und ich das Homeschooling so ganz gut bewältigen.“

Von Beratern unterschätzt: Richterin am FG Münster, Franziska Peters

Doch für die Gerichte war dies eine Gratwanderung, wie Dr. Franziska Peters vom FG Münster betont: „Auf der einen Seite wollen wir in einem Rechtsstaat natürlich die Öffentlichkeit in den Gerichten herstellen, auf der anderen Seite stand der Schutz der Mitarbeiter und Besucher im Vordergrund.“ Auch für Friedenhagen war die Zeit während des Lockdowns ein Spagat: „Meine zentrale Aufgabe ist die Rechtsschutzgewährung: Der gesetzliche Richter muss erreichbar sein. Am FG Hamburg waren etwa der Rechtsantragsdienst und die Geschäftsstellen präsent, und auch ich als Richter war erreichbar.“

Allerdings: In der Wahrnehmung der Teilnehmer, inwiefern die Maßnahmen zur Corona-Pandemie ihre Arbeit dann tatsächlich beeinflusst haben, ergibt sich keine klare Tendenz in die eine oder andere Richtung – auf einer Skala von eins bis fünf pendelten sich die meisten Antworten im Mittelfeld ein, sei es bei der Frage, ob Corona die eigene Arbeit stark beeinträchtigt hat oder die Pandemie gezeigt hat, dass es eine bessere technische Ausstattung braucht.

Das dürfte mehrere Gründe haben: Zum einen sorgt die richterliche Unabhängigkeit dafür, dass viele Finanzrichter auch schon vor Corona teilweise oder sogar überwiegend zu Hause arbeiteten, und sich somit im Arbeitsalltag ab März für den einzelnen womöglich gar nicht so viel geändert hat. Vor allem bei denjenigen Richtern, die nicht Vorsitzende eines Senats sind, dürfte es häufig kaum eine Rolle gespielt haben, ob sie zu Hause oder im Gericht arbeiteten. Zudem herrscht unter den Finanzrichtern weitgehend Einigkeit darüber, dass sich die Verwaltung zu Corona- Zeiten gegenüber den Unternehmen sehr kulant gezeigt hat – und dies auch umgekehrt die Arbeit für die Richter erleichterte. Und ähnlich kulant waren auch die Gerichte: „Wir waren mit Fristverlängerungen im Allgemeinen sehr großzügig“, meint zum Beispiel Franzis a Peters vom FG  Münster. Auch wurde eine große Menge von AdV-Anträgen vom Gericht in kurzer Zeit beschieden.

Vorsprung durch die E-Akte

Auf der anderen Seite waren die technischen Voraussetzungen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich und beeinflussten so die Arbeit zu Corona-Zeiten: Finanzgerichte wie in Nordrhein-Westfalen oder auch Baden-Württemberg sind aufgrund der bereits erfolgten Umstellung auf die sogenannte E-Akte so digitalisiert, dass sie einen nahezu reibungslosen Übergang ins Homeoffice vollziehen konnten. „Da sieht man, dass es den Bürgern nutzt, wenn man technisch gut ausgestattet ist“, so Peters, „es verbessert die Kommunikationswege, die Erreichbarkeit und stärkt die Zusammenarbeit.“

In kleineren Gerichten, die bei der Einführung der E-Akte in ihren Bundesländern hinter der ordentlichen Gerichtsbarkeit zurückstehen, war es demgegenüber nach JUVE-Steuermarkt- Informationen teilweise noch so, dass die Papierakten zunächst eingescannt werden mussten, damit jeder Richter von überall her darauf zugreifen konnte. Dies erklärt auch, warum noch nicht einmal bei der Frage, ob Corona gezeigt habe, dass die technische Ausstattung der Gerichte verbessert werden müsste, Einigkeit unter den Finanzrichtern besteht – denn die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen haben auch gezeigt, dass bundesweit in Sachen technischer Ausstattung kaum Waffengleichheit herrscht.

Alles im grünen Bereich: FG-Präsident in Baden-Württemberg, Manfred Muhler

Trotzdem hatten kleinere Gerichte durchaus an anderer Stelle einen organisatorischen Vorteil: „Dadurch, dass wir so klein sind und auch so wenige Servicekräfte haben, war es nicht so aufwendig, das Homeoffice zu organisieren und im Gericht die Abstände einzuhalten“, hieß es aus einem kleinen Finanzgericht. Die Mitarbeitenden, die weiterhin vor Ort arbeiten mussten, wurden einfach auf mehrere Büros verteilt. Und mündliche Verhandlungen gibt es in vielen Flächenbundesländern mit schwächerer wirtschaftlicher Infrastruktur ohnehin weniger. Anders als beispielsweise in NRW, wo sehr viele große und mittelständische Unternehmen ihren Sitz haben.

Dort wiederum war der sogenannte ‚Lockdown‘ nur von kurzer Dauer: Bereits nach wenigen Wochen wurden die ersten Lockerungen eingeführt, unter strengen Sicherheitsvorschriften der Regelbetrieb an den Gerichten weitgehend wieder eingeführt. „Soweit Beteiligte noch vorsichtig waren, haben wir darauf Rücksicht genommen“, erinnert sich Franziska Peters vom FG Münster. Viele Vorsichtsmaßnahmen wie Mindestabstände und das Verbot gemeinsamer Frühstückspausen blieben daher bestehen.

Auch Richter Friedenhagen ist seit dem Ende des strengen Lockdowns und der Wiederöffnung der Schulen wieder deutlich häufiger im Gericht. Für die Kommunikation ein wichtiger  chritt zurück zur Normalität. Denn die JUVE Steuermarkt-Umfrage zeigt auch: Während der Pandemie haben die Richter weniger untereinander kommuniziert.

Um sich trotzdem auszutauschen, griffen (und greifen) die Richter im Wesentlichen – zum Telefonhörer. Über ein Drittel der Teilnehmer gab an, regelmäßige Telefonkonferenzen durchgeführt zu haben. Was auf den ersten Blick einmal mehr als Beweis für die vermeintliche technische Rückständigkeit im öffentlichen Dienst durchgehen würde, hatte einen ebenso banalen wie wichtigen Grund: das Steuergeheimnis. „Zoom beispielsweise ging nicht wegen der Datensicherheit“, erläutert Franziska Peters vom FG Münster. Am Gericht habe es schon Anfragen gegeben, „ob man nicht niedrigschwelliger, per Video oder E-Mail kommunizieren“ könne, so Peters, aber: „Das lassen die Vorschriften zur Informationssicherheit und das Steuergeheimnis nicht zu. Wir versuchen hier im Einzelfall, pragmatische Lösungen zu finden. Ab dem kommenden Jahr werden wir aufgrund neuer Videokonferenztechnik die Berater und Finanzämter vom jeweiligen Schreibtisch aus einbeziehen können.“

Anders am Finanzgericht Hamburg. „Über das städtische Rechenzentrum bei Dataport verfügte das Gericht mit Skype for Business schon vor Corona über eine sichere und bewährte Videokonferenzlösung“, berichtet Kristian Friedenhagen. Virtuelle Gerichtsverhandlungen seien zwar noch nicht Praxis gewesen. Dies entwickle sich aber seiner Wahrnehmung nach, auch durch überregionale Arbeitsgruppen in der Justiz: „Ich halte Videokonferenzen in geeigneten Fällen für eine gute Ergänzung“, so Friedenhagen, „denn so ist der Rechtsschutz auch unter besonderen Umständen sichergestellt.“ Doch das Homeoffice schuf auch neue, ungeahnte Freiheiten: Denn der Wegfall des klassischen richterlichen Berufsalltags ermöglichte es vielen Richtern, größere Fälle auch einmal in Ruhe abzuarbeiten, berichtet Franziska Peters.

Wenig verwunderlich, dass sich rund 70 Prozent der Teilnehmer der JUVE Steuermarkt-Umfrage, die sich vorstellen können, dass Corona auch zukünftig für ihre Arbeit eine Rolle spielt, angeben, auch zukünftig mehr von zu Hause aus arbeiten zu wollen. So blieb ein befürchteter Rückstau erstmal aus, zumal sich auch die Finanzämter zunächst auf die drängendsten Fälle konzentrierten.

Dies bestätigt Prof. Dr. Manfred Muhler. Der Präsident des FG Baden-Württembergs in Stuttgart kann keine Delle in den erledigten Fällen ausmachen, zumindest nicht aufgrund der Veränderungen durch die Corona-Maßnahmen.

Das ist allerdings eher eine Momentaufnahme. Ob Corona nicht doch auch Auswirkungen auf die Anzahl der (erledigten) Verfahren haben wird, ist noch offen. Und auch hier können sich die Teilnehmer der JUVE Steuermarkt-Umfrage auf keine einheitliche Meinung einigen – einige erwarten mehr, andere eine gleichbleibende Anzahl von Verfahren. Aber schon jetzt scheint klar: Themen wie beispielsweise die Arbeitnehmerbesteuerung dürften zukünftig noch eine größere Rolle spielen als bisher – also zum Beispiel Fragen rund ums Homeoffice oder die Pendlerpauschale zu Corona-Zeiten.

Denkbar ist auch, dass die Zahl der Verfahren steigt, wenn das Jahr 2020 in die Betriebsprüfung kommt – denn ob die Finanzverwaltung vor dem Hintergrund wachsender Staatsverschuldung und niedrigerer Steuereinnahmen dann noch so kulant ist wie im Moment, ist alles andere als ausgemacht. Und ob Unternehmen, die in wirtschaftlicher Schieflage sind, ihren Bescheid dann noch unwidersprochen akzeptieren, auch.

Wo es noch hapert

Klar ist jedoch eins: Egal, welche Folgen Corona für die Finanzgerichte haben wird, meistern können die Gerichte sie nur, wenn sie ihre Baustellen konsequent angehen. Und da sehen die Finanzrichter durchaus einiges zu tun. Eine zuverlässige IT-Hardware sowie der sichere und mühelose elektronische Austausch stellen dabei offensichtlich nur noch kleinere Hürden dar. In der Umfrage haben die Teilnehmer andere Themen angeführt, die sie als Probleme in der Finanzgerichtsbarkeit wahrnehmen – und die so einfach nicht zu lösen sein dürften: So gab eine Vielzahl an, dass das größte Problem im komplizierten Steuerrecht liege, allerdings nicht in den ständigen Gesetzesänderungen, sondern eher in der Vielschichtigkeit der Materie, die Ursache für weiterführende Probleme ist.

Als mögliche Antwort darauf wünschen sich viele der teilnehmenden Richter eine größere Spezialisierung bei den Abgabearten. Dieser Wunsch war schon in der Finanzrichterumfrage 2018 am größten. Tatsächlich würde eine höhere Spezialisierung wohl das Vertrauen vieler Berater in die Finanzgerichte stärken.

Doch so einfach ist es nicht: Denn ob ein Gericht Spezialzuständigkeiten abbilden kann, hängt nicht zuletzt von seiner personellen Ausstattung ab. So gibt es an größeren Gerichten wie Hamburg oder Münster schon seit Längerem Spezialzuständigkeiten. Finanzrichter Friedenhagen ist beispielsweise auf Verbrauchsteuern fokussiert: „Ich profitiere von meiner Spezialisierung, da die Verbrauchsteuern spezielle Fragestellungen mit sich bringen. Aber das lässt sich nicht generalisieren.“ In kleineren Gerichten muss jeder Finanzrichter fast alle Themen abdecken, schon allein, damit sich die Richter im Krankheits- oder Urlaubsfall vertreten können.

Hinzu kommt ein klassisches Henne-Ei- Problem: Fehlende Spezialisierungen führen bei Beratern nicht selten zu fehlendem Vertrauen in die Fähigkeiten der Finanzrichter, bestimmte Themen angemessen beurteilen zu können – und daher bringen die Berater die Fälle nicht vor Gericht, die wiederum für eine Spezialisierung sorgen könnten. Bestes Beispiel sind die Verrechnungspreise. „Die Steuerjuristen im Finanzgericht sind hervorragend ausgebildet. Aber wenn wir die Fälle nicht haben, dann können wir das nicht unter Beweis stellen. Und wenn es auf tatsächlicher Ebene doch zu kompliziert werden sollte, dann sind Finanzrichter auch in der Lage, die eigenen Erkenntnisgrenzen zu erkennen und gegebenenfalls Sachverständige hinzuzuziehen“, so Finanzrichterin Peters. Auf der anderen Seite: Eine zu enge Spezialisierung birgt das Risiko, den Blick für das große Ganze zu verlieren.

Eine Antwort darauf könnte eine stringentere Aus- und Fortbildung sein. Der Fortbildungswunsch zeigt sich auch in den individuellen Antworten in der JUVE-Umfrage, was in der Finanzgerichtsbarkeit noch verändert werden kann. „Die Ausbildung des Steuerrechts im Jurastudium stärken“, schreibt ein Teilnehmer, das könne etwa Nachwuchsprobleme oder Wissenslücken vorbeugen.

Ob die Komplexität des Steuerrechts etwa daran hindert, richterlichen Nachwuchs zu finden, ist nicht ausgemacht. Rund 30 Prozent der Umfrageteilnehmer sieht darin ein Problem. Allerdings ist die Mehrheit überzeugt, dass trotz des komplizierten Steuerrechts genügend qualifizierter Zuwachs gefunden werden kann.

Das ist auch nötig, denn nach wie vor stehen viele Gerichte vor der Herausforderung des Generationswechsels Die meisten Gerichte haben diesen mittlerweile jedoch fest im Blick, etwa das FG Münster. „Wir haben in den letzten Jahren beim Finanzgericht Münster einen Generationenwechsel vollzogen“, sagt Franziska Peters. Nachwuchs zu finden, sei eine Herausforderung, gelinge aber, auch aufgrund guter Kontakte zu den Universitäten. „Der Richterberuf ist schon aufgrund des Inhalts der Tätigkeit attraktiv. Das Gehalt ist bei der Entscheidung für diesen Beruf nur eine von vielen Komponenten. Es wird zukünftig außerdem noch attraktiver werden, in den öffentlichen Dienst zu gehen, denn Gerichte bieten Sicherheit in den unsicheren Zeiten des heutigen Arbeitsmarktes“, so Peters.

Auch kleinere Finanzgerichte haben eher eine größere Auswahl an Bewerbern. Die kennen sie oft schon aus der Referendariatszeit und das Finanzgericht bleibt als attraktiver Arbeitgeber im Hinterkopf.

Jedoch gelingt nicht jedem Finanzgericht, den richtigen Zeitpunkt zu finden, einen Generationswechsel anzugehen. Beispiel FG Mecklenburg-Vorpommern:Im März 2019 zweifelte der Bundesfinanzhof sogar grundsätzlich die Entscheidungsfähigkeit des Gerichts an. Denn der Vorsitzende eines Senats war damals nicht nur auch der Präsident des Finanzgerichts, sondern gleichzeitig auch noch Präsident des Oberverwaltungsgerichts (OVG) und leitete dort weitere vier Senate.

Mittlerweile hat sich die Situation nach Informationen von JUVE Steuermarkt sogar noch verschärft: Statt der zuletzt acht Richter sind mittlerweile nur noch fünf am Gericht tätig, der Altersdurchschnitt reduzierte sich von 60,5 auf 60,4 noch nicht merklich. Ein Generationswechsel steht also weiterhin an. Dabei geht es nicht allein um die nominelle Nachbesetzung von Posten, sondern um einen diversen Blick auf die Themen, der häufig hilfreich sein kann.

Das lobt etwa Friedenhagen am Hamburger Finanzgericht: „Sowohl die Altersstruktur als auch das Geschlechterverhältnis empfinde ich in Hamburg als ausgewogen. Auch die Mischung aus richterlicher, Verwaltungs-und Beratererfahrung nehme ich als äußerst fruchtbar wahr.“ Ergänzend kommt der Wunsch nach erleichterten Möglichkeiten „zur wissenschaftlichen Tätigkeit an Hochschulen und bei der Beraterausbildung.“ Nicht nur mit Blick auf die Nachwuchsgewinnung ist die wissenschaftliche Tätigkeit eine Chance.

Der schnöde Mammon

Egal, in welche Branche man schaut, an einer Stellschraube würden am liebsten alle drehen – am Gehalt. Die Finanzrichter hierzulande machen da keine Ausnahme. Knapp 56 Prozent der Befragten plädieren für eine höhere Besoldung, um den Beruf attraktiver zu gestalten. Mit ihrem Gehalt sind die Finanzrichter am unzufriedensten, wie die JUVE-Steuermarkt-Umfrage zeigt. Dieses Stimmungsbild hat sich im Vergleich zur Umfrage 2018 nicht wesentlich verändert.

„Eine mögliche Ursache könnte sein, dass sich viele Finanzrichter an den Beraterlaufbahnen und -gehältern orientieren und die deutsche Richterbesoldung auch im europäischen Vergleich eher schlecht abschneidet“, sagt Peters. Sie hebt hervor, dass die meisten die Gehälter aus den Großkanzleien gewohnt sind, in denen die Richter vorher tätig waren. Doch es gelte zu bedenken, dass bei Gericht die Haftung mit dem privaten Vermögen sowie die private Altersvorsorge wegfalle.

Nahezu gleichermaßen unzufrieden sind die Teilnehmer auch mit ihren Karriereaussichten. Diese scheinen darauf beschränkt, irgendwann vielleicht einmal Vorsitzender Richter werden zu können – drei Viertel der Teilnehmer können sich dies vorstellen. Dabei kommt es allerdings wiederum auf die Größe des Gerichts an: Je mehr Senate, desto höher ist die Chance auf einen Vorsitz. Diese Position ist als Karriereaufstieg so populär, weil man dadurch nicht nur in die nächsthöhere Besoldungsgruppe rutscht und mehr Verantwortung trägt, sondern auch ein gewisses Renommee genießt.

Doch es gibt noch andere Karrieremöglichkeiten, die auf ambitionierte Finanzrichter warten: „Das Spektrum an Entwicklungsmöglichkeiten ist größer als man denkt. Es reicht beispielsweise vom Queraufstieg beim Landesrechnungshof über die Abordnung zum Landtag bis zu jener an Bundesund Landesministerien oder an den Bundesfinanzhof“, so Peters.

Obwohl die Befragten mit ihrem Gehalt und ihren Karrieremöglichkeiten eher unzufrieden sind, würden rund 83 Prozent der Teilnehmer wieder Finanzrichter werden wollen. Das mag an der akzeptablen Arbeitsbelastung und der recht guten Work-Life-Balance liegen. Doch am Ende ist es dann vielleicht auch das hehre Ziel, das jeder Richter mit dem Amtseid verbindet: Etwas größeres, als nur Geld und Karriere.

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