Kurz nach Ostern kam der Paukenschlag: EY stoppt das ‚Project Everest‘. Beratung und Wirtschaftsprüfung der Big-Four-Gesellschaft werden vorerst nun doch keine getrennten Wege gehen. Partner aus den USA, der größten EY-Landesgesellschaft, hatten sich gegen das Projekt gestellt. Aus der deutschen Partnerschaft kamen bis zuletzt hingegen größtenteils zuletzt positive Signale – zumindest in der Steuerberatung.
In einem sind sich aber alle sicher: Eine Aufspaltung des Branchenprimus hätte den Steuermarkt in den kommenden Jahren gehörig durcheinander gewirbelt. Die Wettbewerber haben sich in den vergangenen Monaten mehr und mehr in Stellung gebracht. Und nun? Wie wirkt sich der Kurswechsel auf die Branche aus? Und welche Zukunft hat der One-Firm-Ansatz angesichts verschärfter Independence-Regeln? Hierzu hat JUVE Steuermarkt Stimmen aus dem Markt eingefangen.
Stefanie Nattkämper-Scholz, Mitglied der Geschäftsbereichsleitung Steuern bei Grant Thornton, stellt fest: „Insgesamt führen die jüngsten Ereignisse zu einer erhöhten Nachfrage nach Transparenz, Integrität und Vertrauen in die Steuerbranche.“
Bezüglich des One-Firm-Ansatzes unterstreicht sie, dass das interdisziplinäre Modell es nach wie vor ermögliche, die beste Leistung für den Mandanten zu erbringen. Ähnlich äußert sich Prof. Dr. Holger Jenzen von Ebner Stolz Mönning Bachem. So verweist er mit Blick auf die klassische Mandantschaft der Next-Seven-Gesellschaft: „Der Mittelstand sucht die Beratung aus einer Hand.“
Auch Oliver Hubertus hat in Bezug auf mögliche Independence-Regeln zuerst die Mandanten im Kopf: „Abgesehen von dem Bereich der PIEs gibt es den unerschöpflich großen Bereich der Non-PIEs mit unzähligen Hidden Champions. Dort ist der interdisziplinäre Approach weiterhin regulatorisch möglich und wird weit überwiegend auch gefordert“, sagt der Steuerchef von Baker Tilly. Zudem sieht er Recruiting-Vorteile, wenn ein Arbeitgeber sowohl steuerlich berät als auch prüft. Dies biete bessere Karrierechancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten für Talente. Ein Argument, das auch Mazars und KPMG nennen.
Big-Four-Konkurrentin PricewaterhouseCoopers (PwC) verweist wiederum auf die enge Verflechtung der Wissensbereiche Steuern, Recht und Prüfung. Es brauche, so Steuerchef Björn Viebrock, das Know-how von Steuern und Recht, um überhaupt richtig prüfen zu können.
Die einzige Gesellschaft, die sich explizit gegen den MDP-Ansatz ausspricht, ist WTS. Laut Vorstandsmitglied Jürgen Scholz führt das One-Firm-Modell zu Problemen beim Wissenstransfer und beim Thema Tax Technology. So gehe bei anstehenden Wechseln des Jahresabschlussprüfers historisches Steuerwissen verloren und IT-Lösungen müssten kurzfristig abgeschaltet werden. Zumindest Scholz und WTS dürften entsprechend durchatmen – bleibt die Gesellschaft unter den zehn größten doch zunächst die einzige im Steuermarkt, die gänzlich auf das Thema Abschlussprüfung verzichtet.