Bis vor ziemlich genau acht Jahren war Grant Thornton noch ein klassisches Familienunternehmen. Das Gros der Anteile der damals noch unter Warth & Klein Grant Thornton firmierenden Gesellschaft lag bei der Familie Klein. Erst nach dem Tod des damaligen Kopfes Klaus-Günter Klein im Jahr 2016 entwickelte sich die Next Six stärker zu einer ‚managed-service-firm‘. Seit Oktober 2017 halten die Equity-Partner 100 Prozent der Anteile an der deutschen Gesellschaft.
„Der Deal zeigt, wie dringend Beratungen nach Finanzierung suchen.“
Nun geht die Einheit – mit hoher Wahrscheinlichkeit – den nächsten Schritt und schließt sich mit dem Finanzinvestor Cinven zusammen. Die Partnerschaft muss dem Deal noch zustimmen. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass der Einstieg von Cinven scheitert. „Bei uns knallen die Sektkorken. Wir müssen wachsen“, beschreibt ein Partner die Stimmung hinter vorgehaltener Hand.
Der Deal ist nicht nur deshalb bemerkenswert, weil sich ein ehemaliges Familienunternehmen nicht einmal innerhalb einer Dekade zu einem Kooperationspartner für einen Finanzinvestor entwickelt. Er zeigt auch, wie dringlich Beratungsgesellschaften jeglicher Couleur nach Finanzierungsmöglichkeiten suchen und wie komplex das Thema auf vielen Ebenen ist.
Ebene 1: Der Hebel
Die Finanzierungshilfe von KKR bei ETL sowie der Einstieg der Partners Group bei Afileon hat zunächst vermuten lassen: Investoren sehen vor allem Chancen darin, kleinere Kanzleien zu bündeln und damit effizientere Strukturen zu schaffen. Mit dem Zusammengehen von Ufenau und PKF WMS ist dann eine größere und singuläre Mittelstandsgesellschaft zum Investitionsobjekt geworden. Die Kooperation von WTS und EQT hat zudem gezeigt, dass auch sehr große Berater börsennotierter Konzerne attraktiv für die PE-Branche sind.
„Die Investoren gehen ein regulatorisches Risiko ein.“
Die jüngste Entwicklung um Grant Thornton und Cinven ist daher nur konsequent: Als erste Next-Six-Einheit holt sich die Beratungsgesellschaft finanzielle Unterstützung an Bord. Fazit: Der PE-Branche geht es in erster Linie nicht um die Größe oder das Geschäftsmodell der Beratungsgesellschaften an sich. Sie investiert dort, wo sie mit finanzieller und vor allem technologischer Unterstützung eine möglichst große Hebelwirkung erreichen und damit eine große Anzahl an Mandanten unterschiedlicher Größe erreichen kann.
Ebene 2: Die Rechtslage
Gleichzeitig gehen die Investoren zurzeit nicht nur – wie ohnehin üblich – ein finanzielles, sondern auch ein regulatorisches Risiko ein. Denn der Gesetzgeber will den Deals im Steuermarkt einen Riegel vorschieben. Das Bundesfinanzministerium hat Anfang August den Referentenentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes veröffentlicht. Dieser sieht vor, die bislang gängige Gestaltung des Fremdbesitz- und Fremdbeteiligungsverbots an Steuerberatungskanzleien zu erschweren beziehungsweise gar zu unterbinden. Sprich: Oben genannte Deals wären dann nicht mehr möglich. Zwar würden die neuen Anforderungen erst „ab Inkrafttreten des Gesetzes gelten“, wie Christian Mayer und Elena Marks, beide Anwälte der Wirtschaftskanzlei Noerr, im hauseigenen Blog schreiben. „Bereits errichtete Strukturen dürften damit derzeit noch Bestandsschutz genießen, das heißt, bereits errichtete Strukturen werden noch nach der alten Rechtslage beurteilt und wären damit noch zulässig.“
„Der deutsche Gesetzgeber täte gut daran, den Markt für Finanzinvestoren zu öffnen.“
Trotzdem bliebe ein Restrisiko und ein potenzielles Problem für die Zukunft: Selbst für bestandsgeschützte Strukturen bedeute der Entwurf, dass „sobald schon errichtete Strukturen im Nachhinein wieder angetastet würden, die Steuerberaterkammer diese auf Vereinbarkeit mit der neuen Rechtslage prüfen könnte.“ Und das führt direkt zum nächsten Punkt.
Ebene 3: Die (Anti-)Stimmung
Gegner, Kritiker und Zweifler am aktuellen Geschehen gibt es zuhauf. Die Managing-Partner von Nexia und dhpg zum Beispiel haben auf der Pressekonferenz zur jüngsten Lünendonk-Studie vor gut zweieinhalb Monaten klare Kante gezeigt: Sie stünden der Entwicklung grundsätzlich nicht skeptisch gegenüber. Für Ihre Gesellschaften seien Zusammenschlüsse mit PE-Unternehmen derzeit allerdings ausgeschlossen.
Auch eine kürzlich veröffentlichte Studie der Beratungsgesellschaft Ecovis gibt der Steuerberaterkammer und anderen Skeptikern oberflächlich betrachtet Recht: Demnach kommt die nicht repräsentative Umfrage zu dem Ergebnis, dass 49 Prozent der 1.500 Teilnehmenden „sich eher Sorgen um Risiken dieser Entwicklung machen, während nur elf Prozent mehr Chancen sahen. Ein gutes Drittel erwartet ein ausgewogenes Verhältnis von Vor- und Nachteilen.“
„Mandanten, denen PE nicht schmeckt, können ihre Berater wechseln.“
Das Risiko liegt für die Befragten darin, dass sich die unabhängige Beratung und damit die Rolle als unabhängiges Organ der Rechtspflege extern getriebenen Profitmotiven unterordnen müsse. „Als besonders problematisch bewerten sie außerdem die mögliche Benachteiligung ‚uninteressanter‘ Mandanten oder sogar deren Ausschluss von kompetenter Beratung.“
Hinzu kommt das häufig bemühte Argument, dass viele Mandanten die Investition von PE in ihre Berater selbst kritisch sähen. Doch dieses Argument greift zu kurz und sitzt zudem einem Trugschluss auf.
Zum einen werden große und professionell geführte Einheiten wie WTS und Grant Thornton im Vorfeld solcher Deals – in welcher Form auch immer – bei ihren Mandanten ‚vorfühlen‘, um deren Haltung zu erahnen. Das Gros des Mandantenstammes zu verlieren, wäre wohl ein höheres Risiko als sich nicht mit einem Finanzinvestor zusammenzutun, um die nächsten Schritte gehen zu können. Zum anderen könnten die Mandanten, denen diese Entwicklung nicht schmeckt, jederzeit ihre Berater wechseln und auf eins der vielen Häuser vertrauen, die skeptisch sind und sich deshalb nicht mit einem Finanzinvestor zusammentun.
In Wahrheit zeigen derlei Umfragen eher, dass die Haltung zum Einstieg von PE-Investoren in Steuerberatungsgesellschaften vor allem von der eigenen Situation abhängt. Ein Beispiel: Vor allem vielen älteren Partnern in kleineren und mittelgroßen Einheiten wird nachgesagt, dass sie der Entwicklung deshalb wohlwollend gegenüberstehen, weil sie ihr Tafelsilber so noch einmal vergoldet sähen. Jüngere Partner, die einen Großteil ihres restlichen Berufslebens noch vor sich haben, würden ihre – häufig noch kleineren Anteile – wiederum gerne selbst behalten und das unternehmerische Geschick nicht einem Finanzinvestor übertragen.
Tatsächlich sollte man aber davon ausgehen, dass PE-Investoren Geld und Technologie zur Verfügung stellen. Von Steuerberatung und Steuerrecht haben sie keine Ahnung. Die Hoheit über das Geschäft und die Beratung bleibt dementsprechend bei Steuerberatern und Steuerjuristen selbst.
Die Konsolidierung schreitet voran – mit oder ohne PE
Und ja: Man kann auch argumentieren, dass vor allem kleinere Kanzleien angesichts dieser Entwicklung unter die Räder kommen. Das mag sein. Doch schreiten Marktkonsolidierung und Digitalisierung ohnehin voran – unabhängig vom Phänomen Private Equity.
Der deutsche Gesetzgeber täte daher gut daran, den Markt für Finanzinvestoren zu öffnen. Auch um des Standorts willen. In Großbritannien zum Beispiel ist Cinven bereits seit vergangenem November Mehrheitsgesellschafter von Grant Thornton. Und wenn die Mandanten dem Thema tatsächlich größtenteils skeptisch gegenüberstehen, dann regelt das der Markt ganz automatisch – und die Beratungshäuser, die sich gegen eine Investition entscheiden, profitieren!