Im Gespräch

Sascha Lobo: „KI ist eine Chance, Nachhaltigkeits-Versprechungen einzuhalten“

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Bei der KI-Konferenz von Peters, Schönberger und Partner und WTS trat diesmal auch große Prominenz auf: der Journalist und Blogger Sascha Lobo hielt einen Impulsvortrag. JUVE Steuermarkt hatte am Rande der Veranstaltung Gelegenheit mit dem Internet- und Digitalisierungspionier zu sprechen.

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JUVE Steuermarkt: Sascha Lobo, Ich freue mich riesig – ich muss mich erstmal outen, ich bin natürlich ein kompletter Fan der ersten Stunde…

Sascha Lobo auf der AI Conference von WTS und PSP am Frankfurter Palmgarten

Sascha Lobo: Danke schön!

… Sie sind vermutlich das Gesicht schlechthin, wenn es um Digitalisierung und KI geht sowie eine der prägenden Stimmen, z.B. im Spiegel und auch in anderen Medien. Was bringt Sie zu einer Veranstaltung zum Thema Steuern?
In erster Linie hat WTS mich eingeladen, weil ich einen ganz guten Blick habe auf die große KI-Transformation habe, wie ich sie nenne. Einer meiner Schwerpunkte innerhalb des Großthemas der Verwandlung von Wirtschaft und Gesellschaft – im Grunde der Zivilisation – durch künstliche Intelligenz ist in der Tat die Finanzwirtschaft. Daher ist mein Vortrag genau in diese Richtung unterwegs. Ich versuche auszuloten, wie die bisherigen Entwicklungen – da gibt es ja schon unglaublich viel – auf die gerade im Moment entstehenden und sich weiter entwickelnden Technologien am Ende wirken. Das ist nicht ganz einfach. Gerade was Vorhersagen bei KI angeht liegen sogar die namhaftesten Experten und Expertinnen regelmäßig komplett falsch. Deswegen ist mein Ansatz, mich etwas zurückzuziehen und zu schauen: Was ist denn möglich? Und nicht so sehr, was wird passieren?

Das klingt spannend! Wenn Sie sagen, es hat auch etwas mit gesellschaftlichen Auswirkungen zu tun – wo sehen Sie da die Verbindung zwischen KI und Steuerwelt?
Für die Steuerwelt gilt das gleiche wie für andere Branchen auch: Künstliche Intelligenz kann bestimmte Aufgaben automatisieren und skalierbar machen, bei denen zuvor überhaupt nicht vorstellbar war, dass sie automatisierbar sind. Das gilt besonders für generative KI, wir sehen es aber auch bei Mustererkennung mit Hilfe künstlicher Intelligenz. Wenn man beides zusammendenkt, dann sind wir in einem Bereich, in dem zum Beispiel die präzise Einhaltung von bestimmten regulatorischen Gesetzgebungen eigentlich nur noch sinnvoll mit KI machbar ist oder eben mit einer großen Steuerkanzlei, die dann 27 Fachleute elf Monate lang daran arbeiten lässt. Da kann man sich ungefähr ausmalen, was das für Produktivität und Effizienz bedeutet, wenn plötzlich – selbst wenn es am Anfang nur einfache Aufgaben sind – bestimmte Aufgaben von einer KI erledigt werden können, die dann auch noch auf die aktuelle Gesetzeslage Rücksicht nehmen kann – und das weltweit.

Also auch ein Weg zu mehr Steuergerechtigkeit mittels KI?
Steuergerechtigkeit ist jetzt überhaupt kein Thema, mit dem ich mich auseinandersetze oder auseinandersetzen möchte. Denn Gerechtigkeit, wenn man diese auf andere projiziert, ist meiner Meinung nach immer sehr nah an Selbstgerechtigkeit. Ich habe auch persönlich den Eindruck, dass ich viel zu viel Steuern bezahle. Was aber auf jeden gilt: der Einsatz von KI bedeutet für die allermeisten Unternehmen eine Transformation quer entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Bei jedem einzelnen Punkt muss man schauen: Wie verändert sich da die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie unsere Produkte aufgebaut sind. Dadurch kann es zu sehr disruptiven Veränderungen kommen. Es kann sein, dass halbe oder ganze Branchen sich über Nacht in reine Softwarelandschaften verwandeln, für die vorher noch tausende Menschen tätig waren. Es kann aber genauso gut sein, dass wir sehr viel mehr Arbeit bekommen, weil wir auf einmal preislich sinnvolle Arbeiten anbieten können, die vorher gar nicht anbietbar waren.

CO2-Gesetzgebung nur sinnvoll mit KI-Unterstützung umsetzbar

Wo sehen Sie konkrete disruptive Gefahren, wenn es um das Thema Steuern und Steuerlandschaft geht?
Wir haben ja gerade eine europäische Gesetzgebung, die dafür sorgen soll, dass CO2-Emissionen grenzüberschreitend abgefedert werden sollen – ein großes Vorhaben. Niemand weiß genau, was dies in letzter Konsequenz bedeutet. Das ist gerade in der Implementierung. Ich glaube, dass ganz viel, was dort geschieht, im Grunde nur mit dem Einsatz von KI umsetzbar ist. Nämlich die einzelnen Situationen von bestimmten Unternehmen genau zu analysieren und darauf eine sinnvolle Steuer- und Abgabenstrategie aufzubauen. Das ist eine Aufgabe, bei der ich nicht sagen würde, dass dies jeder Mittelständler mit seinem Steuerberater einfach so ‚klick-klack – fertig‘ leisten kann. Wenn man sich dies alles anschaut, dann braucht man eigentliche eine KI-Wissens- und Handlungsempfehlungsinfrastruktur, bei der man später bestimmte nachgelieferte Regularien noch einbauen aber vorher schon Entscheidungen treffen kann, die für Unternehmen unter Umständen lebenswichtig sind z.B.: Wo bekomme ich welche Produkte her? Und zu welchem Zeitpunkt? Wann bezahle ich wem was und wie? Damit vielleicht am Ende ein Produkt überhaupt noch konkurrenzfähig anbietbar ist.

Also im Grunde KI auch als eine Chance für ESG?
Es ist auf jeden Fall erstmal eine Chance, dass man bestimmte Ziele einhalten kann, der Einhaltung man bis 2037 vorher nur ganz hoch und heilig versprochen hat.

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