Inhouse-Recruiting

Steuerabteilungen müssen immer stärker um Steuerexperten kämpfen

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Inhouse-Stellen, ob als Tax-Manager oder Steuerreferent, waren früher selten, hoch begehrt und hoch dotiert. Die heilige Dreifaltigkeit eines jeden Inhouse-Recruiters, wie die Personalbranche sagt, denn Besetzungsprozesse für solche Positionen sind eigentlich Selbstläufer. Das hat sich geändert.

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Vor Kurzem war das Recruiting für Inhouse-Positionen noch eine Insel der Glückseligen. Jedenfalls aus Personalersicht. Die Gesetze der Eignungsdiagnostik galten unbeschränkt, Assessment-Center konnten jederzeit durchgeführt und Rückmeldungen im Bewerbungsverfahren von HR nach Belieben prokrastiniert werden dank der sprichwörtlichen Waschkörbe an Bewerbungen. Es gibt keinen Weg, dies schonend auszudrücken: Diese Zeiten sind vorbei.

Oliver Joch

Den Wandel des Arbeitsmarktes hat der ehemalige Steuerchef von KanAm Grund, Oliver Joch, live miterlebt: „Ich habe 2012 bei KPMG angefangen. Das waren noch Zeiten, in denen die Finanzkrise noch nicht so weit weg war. Die Agenda 2010 fing an zu greifen. Es gab immer weniger Arbeitslose, aber damals gab es noch mehr Bewerber als Stellen – auch in der Steuerbranche. „Das hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund des demografischen Wandels, des Wirtschaftswachstums sowie der erhöhten steuerlichen Anforderungen geändert“, berichtet Oliver Joch, der Anfang 2019 von Ernst & Young in die Steuerabteilung von KanAm Grund gewechselt war.

Big Four haben bei Gehältern deutlich zugelegt; Gehaltsvorsprünge Inhouse fallen heute geringer aus

Seitdem baute Joch seine Steuerabteilung konsequent aus – zumindest bemühte er sich. Denn Joch hatte von Anfang an mit den Schwierigkeiten des neuen Arbeitsmarktes zu kämpfen: „Früher konnte man als Inhouse-Abteilung am Kandidatenmarkt ganz gut punkten, weil man in der Regel ein besseres Marktgehalt gezahlt hatte als die Big Four bei juniorigen Profilen oder Personen, die gerade aus dem Steuerberaterexamen kamen. Da lagen die Big Four noch deutlich darunter“, berichtet Joch. „Allerdings haben diese gerade in den vergangenen zwei Jahren besonders stark aufgeschlossen.“ Die Big Four könnten selbst gar nicht mehr so leicht rekrutieren wie früher und bemühten sich daher stärker, Mitarbeitende zu halten – auch über höhere Gehälter. Deswegen sei die Gehaltsdifferenz zwischen Inhouse und Beratung gar nicht mehr so groß – wenn es sie überhaupt noch gibt. „Das erschwerte das Recruiting für uns“, sagt Joch.

Jan Sedemund

Diese Entwicklung spüren selbst die Personalriesen der Branche, auch wenn so mancher durchaus noch sehr zuversichtlich ist, was die Besetzungswahrscheinlichkeit von freien Positionen anbelangt: „Wir haben keine Not, neue Leute zu finden. Wir haben keine Nachwuchsprobleme“, sagt der Steuerchef von Deutscher Post und DHL, Dr. Jan Sedemund, der eine der größten deutschen Inhouse-Steuerabteilungen mit rund 50 Steuerexperten in Deutschland und weltweit knapp 250 Mitarbeitenden führt.

Anzahl außertariflicher Tax Manager und Steuerreferenten nimmt zu

Die Gehaltsspirale zwang Steuerabteilungen nachzulegen. Mittlerweile könne man am Markt schon Junior-Tax-Manager-Positionen mit einer Dotierung zwischen 130.000 und 140.000 Euro finden, berichtet der Steuerchef eines führenden Chemie-Unternehmens. Dies verursache einige Probleme für Steuerabteilungen. Denn in der Regel seien solche Dotierungshöhen nur noch außertariflich abbildbar. Die üblichen Tarifverträge selbst in hochdotierenden Branchen wie der Metall- oder Chemieindustrie könnten mit der galoppierenden Gehaltsspirale im Bereich Steuern schlicht nicht mithalten. Einen außertarifvertraglichen Arbeitsvertrag zu haben, bringt zwar ein gutes Gehalt. Aber auch Nachteile: Tax Manager in dieser Gehaltsstufe fallen auch aus den anderen Vorschriften des Tarifvertrages heraus – etwa in Bezug auf Vergütung oder Ausgleich von Überstunden. Solange kein radikaler Arbeitsanfall ansteht, fällt dies nicht weiter ins Gewicht. Wenn aber – wie aktuell in den meisten Großunternehmen – erhebliche Umstellungen und Umformungen notwendig werden, kann es so mit der vermeintlich besseren Work-Life-Balance in Inhouse-Abteilungen schnell vorbei sein. Einen Schutz gegen Mehrarbeit oder ein Anrecht auf eine 40-Stunden-Woche gibt es dann nicht mehr.

Gehaltsschere zwischen Neueinstellungen und Stammbelegschaft führt zu Spannungen

Ein weiteres Problem sei die Gehaltsschere, die sich zu langjährigen Mitarbeitenden in der Steuerfunktion auftue, so der Chemiesteuerchef. In aller Regel herrscht in Steuerfunktionen eine geringere Fluktuation als in der Beratung. Daher verfügen gerade die größeren Steuerabteilungen über viel Mitarbeitende mit sehr langen Betriebszugehörigkeiten. Normalerweise ist eine lange Betriebszugehörigkeit auch ein Garant für ein besseres Gehalt. Weil üblicherweise Dotierungen bei Neueinstellung eher abnehmen denn zunehmen und bei bestehenden Arbeitsverträgen ein jährliches Plus zu erwarten ist. Beides zusammen garantiert, dass die Stammbelegschaft in der Industrie in der Regel die Nase vorn hat, was die Höhe des Gehaltes anbelangt. Im Bereich Steuern ist dies aber nicht mehr der Fall. Die normale innerbetriebliche Gehaltsentwicklung konnte mit der Gehaltsspirale am Markt nicht Schritt halten. So können die Gehälter von senioren Inhouse-Berufsträgern der Stammbelegschaft zu juniorigen Steuerberatern, die neu eingestellt werden, um mehrere 10.000 Euro variieren – zu Lasten der erfahrenen, angestammten Kräfte. Das führe zu Spannungen, so der Chemiesteuerchef. Und zum immer häufigeren Einsatz von Verschwiegenheitserklärungen bei Neueinstellungen was die Höhe des vereinbarten Gehaltes anbelange.

Die Gehaltsschere sei aber nicht nur innerhalb der Steuerabteilung ein Problem. Die Gehälter im Accounting und in der IT haben sich ebenfalls nicht so rasant entwickelt wie die Gehälter im Bereich Steuern. Im Zuge der Digitalisierung und Automatisierung sind es aber genau die Kollegen aus dem Accounting und der IT, mit denen Steuerabteilungen immer enger und immer verzahnter zusammenarbeiten müssen. Extreme Gehaltsdifferenzen führten auch hier zu innerbetrieblichem Sprengstoff, so der Steuerchef aus der Chemiebranche. Dabei unterscheiden sich Steuerabteilungen von Rechtsabteilungen. Steuerabteilungen werden immer stärker in Unternehmensabläufe und -strukturen integriert. Damit nimmt deren Interaktion und Vernetzung zu. Je enger jedoch Abteilungen interdisziplinär zusammen wachsen, umso schwieriger wird es, große Gehaltsunterschiede zu rechtfertigen.

Gute Frauenförderung: Mehr Frauen in Top-Inhouse-Positionen als in der Beratung

Bettina Rodenberg

Daher müssen selbst die Großen im Inhouse-Kosmos neue Wege gehen. Nur an der Gehaltsschraube zu drehen reicht nicht. Neue Kandidatenkreise müssen erschlossen werden und man muss bei neuen Zielgruppen punkten: In Sachen Frauen- und Familienförderung scheinen viele Inhouse-Abteilungen jedoch die Spitze des Machbaren schon erreicht zu haben – vom Betriebskindergarten über familienfreundliche Arbeitszeitkonzepte, flexible Teilzeitmodelle bis hin zur Kinderbetreuung on demand. Viel Spielraum scheint es da nicht mehr zu geben.

Ulrike Schramm

Auch der Karriereaufstieg stimmt für Frauen inhouse: Viele Head-of-Tax-Positionen sind mit Frauen besetzt. Selbst unter Dax-Konzernen muss man nicht lange suchen, um Frauen in Führungspositionen zu finden: Dr. Ulrike Schramm als Global Head of Tax & Customs bei Continental etwa.

Kerstin Schulz

Die Steuerchefinnen von Lufthansa und Henkel, Kerstin Schulz und Bettina Rodenberg, können jeweils sogar zwei Head-of-Tax-Positionen bei einem Dax-Konzern in ihrer Vita verbuchen. Beide waren zuvor jeweils Steuerchefin von Beiersdorf.

Stefanie Nattkämper-Scholz

Da kann die Beratungswelt nicht mithalten. Im Gegenteil – nach dem Wechsel der deutschen Steuerchefin von Ernst & Young, Ute Benzel, auf die Europaebene der Big-Four-Gesellschaft, ist der Herrenclub in der steuerlichen Führungsspitze bei fast allen großen Beratungsgesellschaften nahezu perfekt. Nur Grant Thornton sticht mit Stefanie Nattkämper-Scholz heraus. In Sachen Frauenförderung und Karrierechancen für Frauen punkten Steuerfunktionen also ohnehin.

Migranten als neue Zielgruppe für Steuerfunktionen: Steuerberaterexamen keine Pflichtvoraussetzung mehr

Dadurch kommt als frischer Kandidatenpool eine Zielgruppe ins Visier, die bisher in der Steuerwelt eher eine untergeordnete Rolle spielt: Migranten. Deutsche Post und DHL haben konzernweit das Programm „Allianz der Chancen“ aufgelegt, um gerade den Pool der Zugewanderten als Arbeitskräfte besser zu erschließen. Das Programm erstreckt sich auch auf die Steuerabteilung. Auch wenn angesichts der Anforderungen im deutschen Steuerrecht eine Eingliederung schwieriger möglich ist als in anderen Fachbereichen. Ein Weg, den auch viele andere Steuerfunktionen gehen. In den Bereichen Zoll, Außenhandel, Umsatzsteuer und Transfer Pricing zählen Kenntnisse des internationalen Steuerrechts häufig mehr als ein deutsches Steuerberaterexamen – dort funktioniert die Integration ausländischer Fachkräfte besonders gut.

Das Steuerberaterexamen als Pflichtvoraussetzung gibt es für Inhouse-Positionen so nicht mehr. „Das Steuerberaterexamen ist für Bewerber kein zwingendes Muss mehr. Für mich spielt die fachliche Qualifikation und nicht der Titel eine Rolle“, sagt etwa Sedemund von der Deutschen Post und DHL. Dennoch bleiben in der deutschen Inhouse-Landschaft ausländische Steuerexperten eher die Ausnahme. Doch auch bei deutschen Steuerexperten mit Migrationshintergrund sieht Sedemund Potenzial: „Nach meiner Wahrnehmung steigt der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund in den Bewerbungsverfahren. Ich habe den Eindruck, dass viele dieser Menschen noch hungriger und motivierter sind, sich einzusetzen.“ Ähnliches beobachte Sedemund auch bei Personen, deren Eltern keine Akademiker sind. „Häufig liegt hier noch eine stärkere Motivation und Einsatzbereitschaft vor. Das überrascht mich nicht, da es per se eine erhebliche Lebensleistung voraussetzt, ein Studium in Eigenregie und oft ohne finanzielle und intellektuelle Unterstützung zu absolvieren.“

Flache Hierarchie hemmt Inhouse-Karriere

Richtig schwierig wird es aber beim Wunsch von Kandidaten, inhouse aufsteigen zu können. Denn die meisten Steuerabteilungen haben eine flache Hierarchie – und zwar so richtig flach. So berichtet Ex-KanAm-Steuerchef Joch: „Wenn man aus der Beratung Richtung Inhouse wechselt und Karriere machen möchte, dann muss man schauen, dass man gleich als Leiter Steuern oder Head of Tax einsteigt.“ Das sei ihm damals bewusst gewesen. „Ich war Senior Manager bei EY und ich wusste, wenn ich inhouse gehe, dann kann ich nur als Head of Tax einsteigen. Denn wenn ich mich erst einreihen muss in ein Team, dann weiß ich ja nie, ob ich jemals der Nachfolger des amtierenden Head of Tax werde.“ Denn bei der gewöhnlich niedrigen Fluktuation könne es sein, dass der Stelleninhaber 20 Jahre auf seiner Position bleibt. „Jetzt habe ich natürlich umgekehrt als Head of Tax bei der Einstellung von Mitarbeitern genau dieses Problem zu beachten“, stellt Joch fest. So habe es einen Kandidaten gegeben, bei dem klar gewesen sei, dass der nächste Schritt für ihn eigentlich die Head-of-Tax-Position wäre. Auf die Frage, wie dies ausgegangen sei, lächelt Joch: „Zum 1. September bin ich gewechselt und bei Cara Investment Geschäftsführer. Mein Nachfolger wurde derjenige sein, den ich die letzten Jahre aufgebaut habe. Für ihn ist die Aufstiegsstory daher aufgegangen.“

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel, den Sie in unserer aktuellen Ausgabe von JUVE Inhouse Steuern finden.

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