JUVE Umsätze Steuern

„Ein Unternehmen ohne Controlling ist wie ein Schiff ohne Kapitän“

Vor gut sieben Jahren haben die Zwillinge Christiane Räbiger und Martina Anzer die Unternehmensberatung twinnovativ gegründet, die sich auch um die Belange von Kanzleien und Steuerberatungsgesellschaften kümmert. Im Interview mit JUVE Steuermarkt sprechen die Schwestern darüber, wieso viele Kanzleien beim Controlling nach wie vor hinterherhinken, wieso sich Kennzahlen aufgrund des Fachkräftemangels geändert haben und welchen Einfluss KI auf das Controlling in Kanzleien hat.

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Christiane Räbiger und Martina Anzer (v.l.n.r.)

JUVE STEUERMARKT: Frau Anzer, Frau Räbiger, wieso brauchen Steuerberatungsgesellschaften ein funktionierendes Controlling? Die Umsätze der Branche steigen doch Jahr für Jahr.
Christiane Räbiger:
Ich fliege das mal von oben an. Generell braucht es ein Controlling, um die Strategie der Gesellschaft zu erfüllen. Um das Ganze zu steuern und zu operationalisieren. Ich sage immer: Man macht sich zunächst einen Plan und lässt dann das ,Ist‘ dagegen laufen. Grundlage für das Controlling ist die saubere Steuerung der Abweichung. Habe ich eine Abweichung identifiziert, sollte ich mich fragen: Welche Maßnahmen muss ich ergreifen, um wieder ,on track‘ zu sein. Und wem muss ich diese Aufgabe übertragen?
Martina Anzer: Für die Geschäftsführung oder Partnerschaft einer Kanzlei bzw. Steuerberatungsgesellschaft ist es wichtig zu erkennen: Wo findet die Wertschöpfung statt? Wo liegen unsere Margen? Und wo verbrennen wir Geld? Doch das erkennt man nur, wenn man weiß, wo die Deckungsbeiträge liegen. Sprich: Mit welchen Mandaten verdienen wir Geld? Dafür braucht es ein funktionierendes Controlling. Das ist wie in einem Industrieunternehmen. Und ein Unternehmen ohne Controlling ist wie ein Schiff ohne Kapitän.

In Kanzleien sind die Unternehmer in der Regel die Partner. Selbst in großen Beratungshäusern wie den Big Four gibt es zumindest partnerähnliche Strukturen. Muss Controlling deshalb auch Partnersache sein? Oder braucht es dafür Controlling-Experten?
Anzer:
In der strategischen Verankerung und Verantwortung muss es dafür unbedingt Partner geben. Ich stelle immer wieder fest, dass das Thema Finanzen und Controlling gerne mal ‚stiefmütterlich‘ behandelt wird. Das operative Controlling, sprich, wer das Steuerungskonzept aufsetzt, die Kennzahlen und Korridore definiert, die Zahlen und Datenqualität kontrolliert, das sollten Experten übernehmen. Dafür braucht es keinen Partner. Würde ich auch nicht empfehlen, denn Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf Partnerebene sollten sich um die Unternehmenssteuerung kümmern.
Räbiger:
Das Stichwort heißt Rollenstruktur. Die Partner haben eine Managementfunktion. Und wenn sie eine Managementfunktion haben, haben sie in dieser Rolle internalisiert auch eine Steuerungsfunktion, aber keine operative Fachkraftfunktion. Sie haben also immer ein ,Zwei-Schritt‘- oder eigentlich ,Drei-Schritt‘-System: Der Controller erstellt das Reporting, z.B. einmal im Monat, je nachdem, auf welchen Turnus man sich einigt. Der Partner erhält das Reporting und dann, je nachdem, wie die Struktur im Unternehmen bzw. in der Kanzlei angelegt ist, erfolgt das Maßnahmen-Tracking und die Steuerung.

Die großen Beratungsgesellschaften sind da häufig professionell aufgestellt. Wie ist das bei kleineren Einheiten?
Anzer:
Wie schon gesagt, grundsätzlich braucht jede Organisation ein Controlling. In kleinen Einheiten ist es häufig so, dass der Geschäftsführer sehr viel überblicken kann. Er weiß ziemlich genau, wie die Deckungsbeiträge bei den Mitarbeitenden und Mandaten aussehen. In größeren Einheiten, ich spreche hier bereits von Einheiten mit 30 bis 40 Mitarbeitenden und aufwärts, sollte eine saubere Struktur aufgesetzt und damit definiert werden, wie viele und welche Kennzahlen man benötigt. Vielen Kanzleien ist oft nicht klar, welche Kennzahlen sie benötigen. Oft wird ein großer Katalog an Kennzahlen festgelegt. Ich frage mich: Warum macht ihr es so kompliziert? Fangt doch erstmal klein an und verantwortet es richtig. Das fängt bei der Frage an: Wer trägt die Verantwortung für die einzelnen Kennzahlen?
Räbiger:
Controlling muss so pragmatisch sein, dass es handhabbar ist. Je kleiner das Unternehmen, desto pragmatischer sollten Controlling und der Kennzahlenkatalog sein. Die Kennzahlenstruktur muss zur Strategie passen. Fährt zum Beispiel eine Kanzlei eine Wachstumsstrategie und führt die Kennzahl Auslastung nicht in ihrem Katalog, wird es schwierig. Denn dann fehlen zum Beispiel wichtige Daten zum Recruiting, um den Prozess zu beschleunigen oder zu verlangsamen.

Was machen Kanzleien und Steuerberatungsgesellschaften häufig falsch beim Controlling?
Anzer:
Häufig fehlt einfach die gute Datengrundlage und es gibt viele Kanzleien, die keine Strategie haben. Das heißt ein Fünfjahresplan ist nicht oder nur rudimentär vorhanden. Der ist aber essenziell: Du musst wissen, wo du hinwillst, um daraus einen Planungsprozess abzuleiten. Ohne Planungsprozess weiß ich nicht, welche Kennzahl ich verfolgen oder in welchen Zielkorridoren ich mich bewegen will. Zur Verteidigung der Branche: Das gehört sicherlich nicht zu den Kernkompetenzen von Steuerberatern. Die sind top in der Steuerberatung. Aber in die Unternehmerrolle reinzuwachsen, das ist eine ganz andere Ebene. Weg von der reinen fachlichen Arbeit hin zum Management bzw. Unternehmertum.
Räbiger:
Wir wollen die Branche hier nicht per se schlechtreden. Aber das A und O im Controlling ist die Reporting-Struktur. Die einen können das gut und die anderen weniger gut. Aber das ist überall so. Für ein Controlling braucht es einfach Struktur, sonst funktioniert es nicht. Übrigens auch dann nicht, wenn sie einen Digitalisierungsansatz fahren.

Das Gespräch führten Daniel Lehmann und Stephan Mittelhäuser.

Das komplette Interview lesen Sie in unserer neuen JUVE Umsätze Steuern 2024. Hier finden Sie eine vollständige Übersicht und Analyse der 30 umsatzstärksten Steuerberatungseinheiten Deutschlands – übrigens auch auf unserer interaktiven und individuell gestaltbaren Website  www.juve-plus.de.

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