JUVE STEUERMARKT: Herr Eisgruber, im Jahr 2013 ist das EU-Amtshilfegesetz in Kraft getreten, das Betriebsprüfern erlaubt, auch im europäischen Ausland zu agieren. Bayern hat schnell reagiert und das Internationale Steuerzentrum (IStZ) ins Leben gerufen. Wofür braucht es eine solche Plattform?
Dr. Thomas Eisgruber: Die Gründung des Internationalen Steuerzentrums war keine Reaktion auf das EU-Amtshilfegesetz, sondern wir haben auf einen konkreten Bedarf reagiert. Das IStZ ist das Ergebnis vorheriger Versuche der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Es gab Bemühungen, gemeinsame Betriebsprüfungen grundsätzlicher aufzuziehen. Um weiterzukommen und auch ein Signal an die Prüfer zu geben, haben wir das Steuerzentrum gegründet. Dass BEPS und das EU-Amtshilfegesetz genau zu diesem Zeitpunkt aufkamen, war tatsächlich eher Zufall. Überlegungen, aufgrund der voranschreitenden Globalisierung eine Anpassung der Betriebsprüfungen vorzunehmen, gab es schon vorher.
Aber das EU-Amtshilfegesetz hat Ihnen in die Karten gespielt. Eisgruber: Das stimmt. Das EU-Amtshilfegesetz hat die Möglichkeit eröffnet, dass unsere Prüfer auf fremden Hoheitsgebieten tätig sein können. Die Richtlinie musste zunächst in den jeweiligen Staaten umgesetzt werden. Italien hatte die Richtlinie noch nicht umgesetzt, als wir die Kooperation anfingen. Wir glauben, dass die gemeinsame Arbeit und das geschaffene gegenseitige Vertrauen zur zeitnahen Umsetzung beigetragen haben.
Um die Prüfungen in Deutschland kümmern sich die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Welche Funktionen erfüllt das bayerische Finanzministerium beziehungsweise das Internationale Steuerzentrum?
Eisgruber: Für Betriebsprüfungen in Deutschland sind die Finanzämter zuständig. Das BZSt kann, muss aber nicht mitwirken. Bei einem Joint Audit sieht die Sache anders aus, denn es geht nicht nur um den Vollzug der Steuergesetze, sondern auch um den Austausch von Informationen zwischen zwei Staaten – in unserem konkreten Projekt Deutschland und Italien. Diese Aufgabe ist – anders als der Vollzug – ausschließlich dem Bund zugeordnet. Hier kommt die Kooperation ins Spiel. Wir haben die Probleme und die Fälle, aber um nach Italien zu kommen, brauche ich ein Sprachrohr: Das ist das BZSt als „competent authority“ für den Informationsaustausch. Es überträgt entweder die Zuständigkeit komplett an uns, oder es stellt eine Person des BZSt ab, die anwesend ist, um den Austausch voranzutreiben.
Wieso braucht es Sie als Ministerium dann überhaupt?
Eisgruber: Eigentlich sähe der Weg für eine Anfrage für eine gemeinsame Betriebsprüfung so aus: Finanzamt, Landesamt für Steuern bzw. Oberfinanzdirektion, Ministerium, BZSt, Italien – ein sehr langer Dienstweg. Um diesen zu verkürzen, aber auch um klar zu machen, dass wir Mittel brauchen, haben wir das IStZ auf die Ebene des Ministeriums gehoben. Das IStZ ist das Auto, aber gefahren wird es von den Prüfern. Und wir sorgen dafür, dass das Auto fahrbereit und funktionstüchtig ist.
Herr Furnari, wie funktioniert es in Italien? Gibt es ein Pendant zum Internationalen Steuerzentrum?
Vito Furnari: In Italien haben wir eine klare Trennung zwischen Ministerium und der Agenzia delle Entrate, der italienischen Steuerbehörde. Die Steuerbehörde agiert operativ selbstständig. Prüfungstätigkeiten – auch auf internationaler Ebene – werden von der Steuerbehörde durchgeführt. Zentral gibt es zwei Einheiten: Der internationale Bereich, in dem es etwa um den Informationsaustausch, die Umsetzung internationaler Richtlinien usw. geht. Und dann gibt es den ausführenden Arm, das ist mein Büro, das sich vor allem mit Joint Audits befasst. Operativ werden die Tätigkeiten aber tatsächlich auf regionaler Ebene ausgeführt. Steht ein Informationsaustausch oder eine grenzüberschreitende Betriebsprüfung an, wird unser Büro informiert. Wir bewerten den Fall. Und wenn wir glauben, es lohnt sich, die internationale Tätigkeit anzustoßen, dann sprechen wir uns mit dem internationalen Bereich ab und kontaktieren das Ausland. Das ist das Standardprozedere.
Aber beim Projekt mit Deutschland gibt es Besonderheiten?
Furnari: Richtig. Wir halten zum Beispiel regelmäßig spezielle Meetings, in denen wir die Probleme besprechen, die wir gemeinsam bearbeiten können. Das liegt auch daran, dass zwischen Deutschland und Italien starke wirtschaftliche Beziehungen bestehen.
Bayern hat mit diversen Staaten Projekte zur gemeinsamen Betriebsprüfung gestartet. Wieso ist die Kooperation mit Italien so intensiv?
Eisgruber: Die Voraussetzungen sind bei jedem Land unterschiedlich. Die Zusammenarbeit mit Österreich ist – zum Beispiel – wesentlich einfacher: Sprache, Kultur und auch die Gesetze sind zum Teil sehr ähnlich. Dieses Projekt konnte schnell auf die Straße gebracht werden. Die Zusammenarbeit mit Italien ist auch deshalb besonders, weil sich beide Seiten sehr stark aufeinander zubewegen mussten. Wir haben keine vorgefertigten Muster. Es ist alles „maßgeschneidert“.
Das Gespräch führte Daniel Lehmann.