Staat, wir müssen reden. Es gibt ein Problem: Bei der JUVE-Steuerexperten-Umfrage haben dir die Mitarbeitenden in der Finanzverwaltung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Im Vergleich zu Angestellten in der freien Wirtschaft haben sie dir die schlechteste Bewertung für Aufstiegschancen, Weiterbildungsangebote, Betriebsklima, Gehalt und IT-Ausstattung gegeben. Im Fünfjahresvergleich sind die Finanzbeamten die einzige Arbeitnehmergruppe im Markt, die 2023 weniger zufrieden waren als 2019.
Was heißt das in der Praxis? Sind die Mitarbeitenden derart unzufrieden, sinkt ihre Motivation, ihre Arbeit gut zu machen. Nach dem Quiet Quitting kommt dann das Real Quitting: Staatsdiener beenden nach Jahren, manchmal nach Jahrzehnten, ihren Dienst und gehen in die Beratung.
So geschehen bei den Steuerfahndern Volker Radermacher und Sandra Höfer-Grosjean, außerhalb der Finanzverwaltung beim Staatsanwalt Dr. Sebastian Peters und zuletzt bei der Delegierten Europäischen Staatsanwältin Dr. Anna-Elisabeth Krause-Ablaß. Sie wechselte zu Jahresbeginn zu Flick Gocke Schaumburg nach Bonn, wo sie in Sachen Steuerstrafrecht tätig ist. Die Liste ließe sich fortsetzen. Kein Wunder: Berater mit Erfahrung in der Finanzverwaltung oder an anderen Stellen im Staatsdienst sind ein echtes Plus für die Kanzleien, bringen sie doch Kenntnisse der Gegenseite mit. Außerdem gilt die steuerliche Ausbildung an den Finanzhochschulen als exzellent, Diplom-Finanzwirte sind bei Big Four & Co. hochwillkommen.
Als Steuerzahler muss uns das allerdings besorgen. So elementar der Rechtsbeistand des Bürgers gegenüber dem Staat ist, so sehr muss der Staat bedauern, gutes Personal zu verlieren. Was müsste passieren, damit sich das ändert? In Zeiten des Fachkräftemangels müsste der Staat die Illusion aufgeben, dass langgediente Beamte für immer bleiben. Er müsste in Sachen Feedback- und Führungskultur, Wertschätzung, Weiterbildungsmöglichkeiten, flexible Strukturen und Karrierewege von anderen Arbeitgebern lernen. Er müsste Raum schaffen für unbequeme Beamte. Dabei geht es weniger um Geld. Gerade wenn man akzeptiert, dass der Staat, was Einstiegsgehälter angeht, nicht mit Anwaltskanzleien konkurrieren kann, ist es umso wichtiger, an den anderen Stellschrauben zu drehen. Und da ist deutlich Luft nach oben, wie die Steuerexperten-Umfrage zeigt. Deshalb Staat, tu was!