Internationale Steuerabteilungsleiterinnen im Interview

„Mit der Ausgestaltung von Pillar II bin ich nicht einverstanden“

Autor/en
  • Catrin Behlau

Internationale Steuerfragen wie Pillar II beschäftigen Inhouse-Experten rund um den Globus. Romana Giesen, Head of Group Tax bei Swisscom in Zürich, erklärt im Interview, warum sie für eine globale Mindestbesteuerung, mit Pillar II aber trotzdem nicht einverstanden ist und wo sie positive Erfahrungen mit den deutschen Finanzbehörden gemacht hat.

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„Die Arbeit als Steuerexpertin verbindet mein Faible für Zahlen und strategisches Denken“, sagt Romana Giesen, Head of Tax bei Swisscom, dem größten Schweizer Telekommunikationsunternehmen. Giesen steht einer 15-köpfigen Abteilung vor, die in Schweiz und in Italien sitzt und berichtet direkt an den CFO des Unternehmens. Vor ihrem Wechsel zu Swisscom 2013 war Giesen unter anderem Sachbearbeiterin, Betriebsprüferin und Steuerfahnderin bei verschiedenen Finanzämtern in Sachsen-Anhalt und Niedersachen sowie Steuerberaterin bei Ernst & Young (Zürich). Vor ihrem Wechsel zu Swisscom war Giesen zudem Head of Country Tax bei Alstom in der Schweiz.

Was sind die drei Steuerarten, die Sie aktuell am meisten beschäftigen?
Aktuell beschäftigt uns Trade Compliance, gerade jetzt mit dem Krieg in der Ukraine. Außerdem setzen wir uns mit BEPS 2.0/Pillar II sowie den notwendigen Strukturierungen und Reorganisationen im Post-Covid-Umfeld auseinander, um auf die Veränderungen im Geschäft, inklusive der Inflationseffekte, vorbereitet zu sein.

Was sind Ihre Erfahrungen mit internationaler Streitbeilegung und -vermeidung?
Es mag banal klingen, aber meine Hauptstrategie ist, Steuerstreitigkeiten von vornherein zu vermeiden, da in den meisten Fällen das Kosten-Nutzen-Verhältnis ungünstig ist. Gerade in Ländern, in denen die Rechtslage zu viel Interpretationsspielraum lässt und allgemeine Standards nicht auf hohem Niveau sind, sind Streitigkeiten zu zeitaufwändig – um nicht zu sagen ineffizient –, um einen Konsens zu erzielen. Das ist unbefriedigend und sicherlich ein Thema, das aus regulatorischer Sicht mehr Aufmerksamkeit benötigt.

Ist Pillar II für Ihr Unternehmen relevant und wie positionieren Sie sich dort aktuell? Sehen Sie sich eher als First Mover oder Follower?
Ja, Pillar II ist, und ich muss sagen „leider“, für die Swisscom Gruppe relevant. Obwohl ich das Prinzip der Mindestbesteuerung befürworte, bin ich mit der Ausgestaltung von Pillar II nicht einverstanden. So, wie es derzeit geplant ist, ist es ein sehr kompliziertes Verfahren und ich hoffe, dass es für die Zukunft vereinfacht wird.

Wir sehen uns nicht wirklich als First Mover, aber wir sind bereits damit beschäftigt, einen Weg zu finden, die Daten auf die gewünschte Weise zu liefern.

Wie begegnen Sie dem Fachkräftemangel?
Talente durch die Schaffung eines inspirierenden Arbeitsumfelds anzuziehen, ist eines meiner Credos. Meine Hauptstrategie besteht darin, ein starkes Netzwerk aufzubauen und dieses Netzwerk zu nutzen, um direkt mit (den knappen) Talenten in Kontakt zu treten. Insbesondere WIN könnte genutzt werden, um junge Frauen auf ihrem Weg einzubeziehen, zu betreuen und zu coachen. Wir könnten ihnen helfen zu wachsen, und dies stellt uns im Gegenzug einen Pool talentierter Spezialisten zur Verfügung.

Dieses Jahr findet der IFA-Kongress in Deutschland statt – was ist Ihre Sicht auf das deutsche Steuerrecht und welche Erfahrungen haben Sie mit dem deutschen Steuersystem gesammelt?
Ich habe keinen wirklichen Blick von außen auf das deutsche Steuerrecht, denn ich habe meine Karriere bei den deutschen Finanzbehörden begonnen. Seit ich in der Schweiz arbeite, ist mir jedoch aufgefallen, dass Deutschland einen recht formalistischen Ansatz verfolgt. Aber es gibt immer wieder positive Beispiele von Steuerbehörden, die es trotzdem schaffen, pragmatisch und offen für Diskussionen und Lösungen zu sein. Zum Beispiel habe ich mit dem Finanzamt Konstanz, das für umsatzsteuerpflichtige ausländische Unternehmen zuständig ist, einige konstruktive Gespräche geführt.

Das Interview ist Teil einer Serie und entstand in nicht-kommerzieller Kooperation mit Win@Ifa, der Frauenorganisation der International Fiscal Association. Die International Fiscal Association (Ifa) ist eine neutrale, unabhängige, nicht lobbyistische Organisation. Zweck der Ifa ist das Studium und die Förderung des internationalen und des vergleichenden Steuerrechts. Die Ifa verwirklicht ihren Zweck durch wissenschaftliche Forschung, die Veranstaltung von Kongressen und Seminaren und die Herausgabe von Studien. Derzeit gehören der Ifa weltweit mehr als 11.000 Mitglieder an, sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen. In diesem Jahr findet der Ifa-Kongress Anfang September in Berlin statt.

Das Women in Ifa Network (Win) ist ein Netzwerk von Frauen innerhalb der Ifa, die im internationalen Steuerbereich tätig sind. Win Global und Win Germany fördern den fachlichen Austausch durch das Win Seminar und Win in Conversation und führen kulturelle Veranstaltungen durch, zum Beispiel die Win Reception, das Win Luncheon und die Win Lounge.

Übersetzung des englischen Originalinterviews: Catrin Behlau
Please find the English version here.

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