Netzwerke

Netzgeschichten: Wie hält es die Steuerbranche mit internationalen Netzwerken?

Internationale Netzwerke sind Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite spülen sie Geschäft und damit Geld in die Kassen der deutschen Beratungsgesellschaften. Auf der anderen Seite können Netzwerke zum Hemmschuh werden, wenn – wegen fehlender Autonomie – Entscheidungen etwa immer mit ausländischen Landesgesellschaften abgesprochen werden müssen oder Anweisungen gar von diesen diktiert werden. Die Gretchenfrage lautet also: integriert, lose oder am besten gar kein Netzwerk? Einen Königsweg gibt es nicht, dafür aber ganz unterschiedliche Herangehensweisen.

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Was hatten sie sich gefreut! Endlich keine Konflikte mehr! Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Großteil der deutschen Partner von Ernst & Young (EY), allen voran aus der Steuerberatung, der globalen Aufspaltung der Big-Four-Gesellschaft mehr als positiv gegenüberstand. Eine Trennung von Beratung und Wirtschaftsprüfung ist aus ihrer Sicht längst überfällig. Zumal die Konflikte ja nicht nur auftreten, wenn ein deutscher Steuerberater sein Mandat abgeben muss, wenn EY Deutschland ein Prüfungsmandat gewinnt. Auch internationale Prüfungsmandate können Beraterinnen und Beratern hierzulande – oder eben auch anderswo – einen Strich durch die Rechnung machen, wenn es sich bei der potenziellen Mandantin etwa um eine Tochter des zu prüfenden Unternehmens handelt. Dann macht ausgerechnet die US-amerikanische Landesgesellschaft den Plänen der EY-Spitze einen Strich durch die Rechnung. Die Trennung von Prüfung und Beratung ist zumindest vorerst geplatzt. Und all das – wie man hört – wegen gerade mal etwas mehr als einer Handvoll Entscheider aus Übersee.

Fakt ist: Der Frust in der Partnerschaft ist groß. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die EY-Partner die Zugehörigkeit zum internationalen Netzwerk – und damit auch die Zusammenarbeit mit der US-Landesgesellschaft – per se nicht in Zweifel ziehen. Die Notwendigkeit für deutsche Konzerne und den Mittelstand fast überall auf der Welt einen Ansprechpartner zu haben, können die Berater aller Big-Four-Gesellschaften in Gesprächen gar nicht genug betonen. Auch das Inbound-Geschäft lebt von eben jener Vernetzung.

All das trifft längst nicht mehr nur auf die Big Four zu. Nahezu alle Kanzleien und Beratungsgesellschaften sind heutzutage auf internationale Hilfe angewiesen – sei es in Form von eher losen oder sehr festen Beziehungen, die in Anbetracht aller Vor- und Nachteile immer wieder neu überdacht und im Zweifel nachjustiert werden müssen. Jüngstes und wohl prominentestes Beispiel ist die Entscheidung von Ebner Stolz Mönning Bachem, sich dem internationalen Netzwerk RSM als exklusiver Deutschlandpartner anzuschließen.

Die Hochzeitsparty des Jahres

Holger Jenzen

„Der Wechsel ins internationale RSM-Netzwerk war keine Ad-hoc-Entscheidung“, betont der Sprecher der Partnerschaft der Next-Seven-Gesellschaft, Professor Dr. Holger Jenzen. Im März hatten die Stuttgarter den Deal verkündet, der die Netzwerkdebatte zuletzt erst wieder so richtig entzündet hatte: Wenn RSM International ihre deutsche Landesgesellschaft vor die Tür setze, werde Ebner Stolz dem internationalen Netzwerk beitreten und perspektivisch dafür sogar auf seinen Namen verzichten. Das bisherige Netzwerk Nexia hatte für Ebner Stolz mehr schlecht als recht funktioniert und RSM International wünschte sich trotz guter Wachstumszahlen der deutschen Landesgesellschaft mehr.

Doch der Deal zwischen RSM International und Ebner Stolz ist mehr als nur eine Zweckehe. Wer verstehen will, welche Bedeutung der Namensverzicht für eine Traditionsgesellschaft wie Ebner Stolz hat, der muss sich die schwäbischen Ursprünge der Gesellschaft und ihr Umfeld einmal näher ansehen. Im schwäbisch-pietistischen Protestantismus ist der Name alles. Denn etwas anderes hat man gemäß des Gebots der innerweltlichen Askese nicht, um die eigene Bedeutung herauszustellen. So hießen die Stuttgarter Automobilgiganten auch lange ganz schlicht nach den Nachnamen der maßgebenden Gründer „Porsche“ und „Daimler-Benz“, im Unterschied zu schon immer deutlich ambitionierteren Benennungen wie „Bayrische Motorenwerke“ oder „Volkswagen“. Die beiden Weltmarktführer „Stihl“ und „Kärcher“ führen die Namensschlichtheit noch heute fort und doch weiß jeder sofort Bescheid. Ohne Namen bist Du nichts im Südwesten.

Wenn also Ebner Stolz den eigenen Namen aufgibt, dann hat dies etwas zu bedeuten. Und es hängt mit der Mandantschaft der Beratungsgesellschaft zusammen. „Ebner Stolz betreut den Mittelstand ganzheitlich“, betont Jenzen. Auf die einfachste Formel heruntergebrochen, bedeutet das Motto der Schwaben „Mittelstand = Ebner Stolz“. Was der Mittelstand braucht, das wird Ebner Stolz also umsetzen. „Unsere Mandate erwarten einen Berater, der in allen Disziplinen international aufgestellt ist“, sagt Jenzen. Daher formt sich Ebner Stolz zu eben einem solchen Berater um. „Wir sind mit unseren Mandanten mitgewachsen“, erläutert Jenzen. „Unsere Anpassung ist konsequent auf den Mittelstand bezogen. Der Mittelstand in Deutschland wird immer internationaler“. Also werde Ebner Stolz dies auch. Eine nationale Marke für eine internationale Marke aufzugeben, sei daher kein Opfer, so Jenzen. „Wir brauchen international hohe Professionalität, durchgehende Qualität, einheitliche Standards und ein einheitliches Auftreten“ – mit nur losen Netzwerken sei dies nicht zu machen. „Ob Maschinen- oder Anlagenbauer oder Automotive: Unsere Mandanten sind alle international aufgestellt und erwarten an allen Betriebsstätten die gleiche hohe Beratungsqualität in Verrechnungspreisen, Umsatzsteuer oder globaler Mindeststeuer“, sagt Jenzen.

Der Sprecher der Partnerschaft von Ebner Stolz verdeutlicht dabei vor allem den Wandel, den der deutsche Mittelstand in den letzten Jahrzehnten hinter sich gebracht hat. Gerade im Stammumfeld von Ebner Stolz versteht sich der Mittelstand heute als internationaler Global Player. Denn als nichts anderes operieren Hidden Champions und OEMs (Original Equipment Manufacturers) heutzutage. „International heißt nicht nur Export“, so Jenzen. Nur ein reines „Made in Germany“ reicht nicht mehr. Der neue Mittelstand ist ein weltweiter Mittelstand. Nicht nur ein deutscher Mittelstand, der von Deutschland aus die Welt beliefert. Der heutige Mittelstand produziert global für globale Kunden – und will deshalb auch global betreut werden und das nicht nur von Deutschland aus. Deshalb braucht Ebner Stolz eine weltweite Marke. Auch um den Preis, dass der eigene Name dafür verschwindet.

Was man bei alldem auch nicht vergessen darf. Laut Handelsregister heißt die Next-Seven-Gesellschaft nach wie vor Ebner Stolz Mönning Bachem. Die Hamburger und die Kölner mussten im Zuge des Rebrandings schon vor Jahren auf ihre mit in die Fusion gebrachten Namen Mönning beziehungsweise Bachem verzichten. So schwer es den Stuttgartern also gefallen sein mag, die anderen Büros könnten durchaus argumentiert haben, dass die Schwaben nun endlich auch ihren Teil beitragen sollten, sprich auf ihren Namen zu verzichten.

Gleiche Klientel, anderer Weg?

Hans Weggenmann

Solche Diskussionen dürfte es bei Wettbewerberin Rödl & Partner nicht geben. Den Namen aufgeben? Das würde den Nürnbergern wohl im Leben nicht einfallen. Zumal mit Prof. Dr. Christian Rödl der Sohn des Kanzleigründers nach wie vor an der Spitze der Gesellschaft steht. Rödl empfindet sich – und zwar wesentlich stärker als irgendeine ihrer Wettbewerberinnen – als Familienunternehmen. Trotzdem: Ein Vergleich mit Ebner Stolz hinkt nicht. Beide MDP-Einheiten sehen sich selbst als die Beraterin des Mittelstands schlechthin. Wohl auch deshalb beobachtet der für den Steuerbereich bei Rödl zuständige Geschäftsführende Gesellschafter Dr. Hans Weggenmann den Schritt von Ebner Stolz sehr genau. Schlaflose Nächte bereite ihm dieser nicht. „Wir schauen uns natürlich trotzdem immer sehr genau an, wie sich der Markt entwickelt. Und wir ziehen auch unsere Rückschlüsse daraus“, sagt er.

Weggenmann sieht Rödl vor allem international nach wie vor durch die eigenen Büros robust und gut aufgestellt und grenze sich damit von den Netzwerken klar ab. Die Next Seven ist in 94 Ländern präsent und dabei ein Unikat – zumindest was die deutsche Beratungslandschaft angeht. Denn immerhin 49 der Auslandsbüros sind eigene Niederlassungen von Rödl & Partner. Die restlichen Standorte gehören der sogenannten German Professional Services Alliance (GPSA) an, deren Gründer und Initiator wiederum Rödl ist. Offiziell sind diese Büros aber unabhängig. Das Konstrukt als Netzwerk zu bezeichnen, stößt in Gesprächen mit Beratern der MDP regelmäßig auf Kopfschütteln – und Korrekturen. Der Stolz, in fast 50 Ländern auf eigene Büros zugreifen zu können, ist auf jeden Fall groß. Trotzdem: Wenn Weggenmann über Internationalisierung spricht, klingt er ganz ähnlich wie Jenzen von Ebner Stolz. „Wir gehen immer mit unseren Mandanten. Wir richten uns nach ihnen. Sollte sich etwas bei dem deutschen Mittelstand ändern, ändern auch wir uns“, sagt er.

Aber auch bei Rödl muss sich etwas tun. Denn die Standorte sind vor allem dazu da, den deutschen Mittelstand ins Ausland zu begleiten. Es gibt Berater, die sich durchaus mehr Geschäft aus dem Ausland wünschen würden – sprich: eine stärkere Fokussierung auf Inbound-Mandate. Mit der derzeitigen Struktur sei dies allerdings kaum möglich.

Eine Zunahme an Inbound-Geschäft ist auch für Ebner Stolz eines der Ziele. Denn internationale Netzwerke nehmen deutsche Beratungshäuser nicht aus Wohlwollen auf – und denken immer in beide Richtungen. So auch RSM: Die bis Oktober noch amtierende deutsche Landesgesellschaft, die RSM GmbH, hat trotz guter Wachstumsraten und einer insgesamt positiven Geschäftsentwicklung den Ansprüchen der Londoner RSM-Zentrale nicht genügt. Dabei gilt der ‚one country, one firm‘-Ansatz des Netzwerks in Deutschland erst seit knapp sechs Jahren. Die RSM GmbH ging seinerzeit nämlich aus der damaligen Mitgliedsfirma Verhülsdonk hervor. Diese setzte sich in einer Art internem Wettbewerb gegen andere deutsche RSM-Mitglieder durch. Einige dieser Mitglieder gründeten mit Verhülsdonk die damals neue RSM GmbH. Andere deutsche Mitglieder kehrten RSM komplett den Rücken und schlossen sich anderen Netzwerken an – Breidenbach zog es etwa zur BDO Alliance, die Kanzlei BRL Boege Rohde Luebbehuesen trat Moore bei.

Neben Uneinigkeiten dürfte es einen weiteren Grund gegeben haben, wieso nicht einfach alle Gesellschaften – inklusive Breidenbach und BRL – dem Ruf von RSM nach einer Landesgesellschaft gefolgt sind: Ihnen war ihre Unabhängigkeit wichtiger als die Zugehörigkeit zu einem Netzwerk. Zumal es mit loseren Netzwerken, wie es RSM vorher war, Alternativen gibt.

Zwischen Kooperation und Konkurrenz

Eines davon ist Crowe: Eigenen Angaben zufolge beschäftigt das Prüfungs- und Beratungsnetzwerk weltweit über 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in mehr als 200 Büros, die sich auf 150 Länder verteilen. In Deutschland gehören fünf verschiedene Gesellschaften zu Crowe: Die Wirtschaftskanzlei Möhrle Happ Luther (Crowe Hamburg und Berlin), RWT (Crowe Stuttgart), Intertax Treuhand (Crowe Frankfurt), BPG (Crowe Düsseldorf und Krefeld) sowie Kleeberg (Crowe München). Über die Gesellschaften ist Crowe in Deutschland insgesamt an zehn Standorten vertreten – quer durch die Republik.

Lars Lüdemann

„Wir decken alle Wirtschaftszentren Deutschlands ab“, sagt der Kleeberg-Partner Dr. Lars Lüdemann. Seit Anfang dieses Jahres sitzt der Steuerberater im Board des Netzwerks. Lüdemann hält nicht hinterm Berg damit, dass die einzelnen Mitgliedsfirmen von Crowe in Wettbewerb stehen. Das nämlich ist die Krux an losen Netzwerken, die in einzelnen Ländern nicht auf eine Landesgesellschaft pochen. Man profitiert zwar von den Mitgliedsfirmen, mit denen man einen Austausch pflegt und sowohl In- als auch Outbound-Geschäft generiert. Die Büros untereinander arbeiten aber nicht zwangsläufig zusammen. Ein Exklusiv-Anspruch, wie es ihn bei den Big Four und Next Seven in der Regel gibt, besteht schon mal gar nicht – das gilt nicht nur innerhalb eines Landes, sondern meist auch international.

Bei Crowe gibt es zumindest Regeln, die das Zusammenarbeiten erleichtern und für pragmatische Lösungen sorgen sollen. „Wir haben in Deutschland aktuell mit Jens Scharfenberg von der Crowe Mitgliedsfirma Möhrle Happ Luther aus Hamburg den sogenannten International Liaison Partner (ILP), der für grenzüberschreitende Netzwerkangelegenheiten (zum Beispiel Inbound-Referrals) als erster zentraler Ansprechpartner fungiert“, erklärt Lüdemann. Wenn es zum Beispiel eine Anfrage aus den USA für eine Transaktion gebe, und das Target liege beispielsweise in Stuttgart, dann würde Scharfenberg die lokalen Kollegen von der entsprechenden Mitgliedsfirma RWT aus Stuttgart informieren. „Wir sind durchaus dazu angehalten, Geschäft regional innerhalb des Crowe Netzwerks weiterzugeben. Dies funktioniert aufgrund des engen persönlichen Kontaktes sehr gut“, sagt Lüdemann. Anders verhalte es sich, wenn beispielsweise jemand aus dem Ausland direkt auf Lüdemann zukäme und sagte: ‚Lars, wir haben bereits bei anderen Projekten erfolgreich zusammengearbeitet, und ich würde gerne, dass Du auch das neue Projekt in einer anderen Region begleitest.‘ „Dann würde ich es natürlich übernehmen und müsste es auch nicht weitergeben.“ Was folgt daraus: Auch in weniger restriktiven Netzwerken ist es wichtig, die persönlichen Kontakte zu pflegen – nach Lüdemann sogar „noch wichtiger als in festen Netzwerken“.

Die Frage nach einer Vereinheitlichung aller Gesellschaften zu einer deutschen Landesgesellschaft wurde bei Crowe nicht gestellt. Lüdemann spricht es zwar nicht aus, aber es ist klar, dass Kleeberg, RWT oder auch die anderen Mitgliedsfirmen durchaus dasselbe Schicksal ereilen kann wie der deutschen Landesgesellschaft von RSM. Eine Konsolidierung des Marktes ist wahrzunehmen. Die internationalen Netzwerke gehen immer strategischer vor.

Zumindest meistens. Manchmal kommt es aber auch anders als man denkt, selbst bei professionell geführten Beratungshäusern. Es gibt verschiedene Theorien darüber, aus welchen Erstkontakten sich die besten Ehen entwickeln. Manche plädieren für die arrangierte Ehe, andere für langjährige Freundschaften, aus denen nach und nach mehr wird und wieder andere würden erst jemanden heiraten, mit dem sie mindestens zwei Jahre zusammengelebt haben. Und dann gibt es da noch die für andere wohl beste aller Beziehungen: die Zufallsbekanntschaft.

Bernd Rühland

Für Dr. Ganteführer, Marquardt & Partner war der Erfolg mit dem HLB-Netzwerk genau das: das Produkt einer Zufallsbekanntschaft. Denn eigentlich suchten die Düsseldorfer Mittelstandsspezialisten nur nach einem internationalen Netzwerk, um ihrer deutschen Mittelstandsklientel auch ein internationales Angebot machen zu können. Dass sich die Düsseldorfer dann besonders in das nationale Netzwerk von HLB verliebten, war Zufall: 2018 wurden nach einem Generationswechsel in der Partnerschaft die Karten neu gemischt, und die Suche nach einem internationalen Netzwerk begann. So kam dann der Kontakt zu HLB zustande.

Im heimischen Netzwerk

„Die Kanzlei hatte in der Vergangenheit nie ein Netzwerk gehabt“, so der Düsseldorfer Partner Bernd Rühland. „Nachdem wir uns einige Jahre für das internationale Geschäft auf die eigenen Kontakte ins Ausland verlassen haben, wurde durch das Wachsen unserer Mandanten und des Geschäftes deutlich, dass wir hier eine professionellere Lösung benötigten. Wir brauchten für unsere Mandanten ein internationales professionelles Netzwerk, das deutlich macht, dass wir auch die Auslandsgesellschaften unserer deutschen Mandanten qualitativ auf hohem Niveau vertreten können. Eben dass wir auch in der Lage sind, Mittelständler, die Auslandskontakte haben, in der Dauerberatung zu begleiten“, berichtet Rühland.

Erstmal haben Rühland und die Kollegen HLB sehr kritisch beäugt und penibel controllt, vor allem hinsichtlich der Netzwerkgebühr. Eigentlich sollte diese mit Referalls und Crosssellings aus den internationalen Kontakten gegengerechnet werden, um nach zwei Jahren zu evaluieren, ob sich die Netzwerkmitgliedschaft bei HLB überhaupt lohnt. „Wir sind dann aber auf ein nationales Netzwerk gestoßen mit 23 Kanzleien unseres Zuschnitts“, berichtet Rühland. „Der Austausch mit diesen 23 nationalen Kanzleien innerhalb von HLB hat uns dann aber so nach vorne gebracht und beflügelt, dass wir sofort aufgegeben haben zu berechnen, was das HLB Netzwerk kostet, weil der immaterielle Nutzen dieses Netzwerks für uns unbezahlbar ist.“ Zudem seien die Rückmeldungen der Mandanten bezüglich der eingebundenen ausländischen HLB Büros durchweg positiv und der durch das Netzwerk generierte internationale Umsatz trage mittlerweile erheblich zum Wachstumserfolg der Kanzlei bei.

A gesucht, B gefunden

Mit etwas mehr als 40.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an derzeit 1.128 Standorten in 156 Ländern ist HLB International gesehen ähnlich groß wie Crowe. Die Philosophie scheint sich aber durchaus zu unterscheiden. Der nationale Zusammenhalt, so wirkt es zumindest, ist bei HLB noch ein ganzes Stück stärker.

„Wir haben durch HLB den direkten Draht zu anderen Berufsträgern in Deutschland, die ihre Kanzleien in anderen Städten durch die gleichen Probleme wie wir steuern müssen, und können uns mit diesen frei austauschen, ohne dass es Konkurrenzen gibt“, betont Rühland. „Im Schutze des Netzwerks kann man ganz anders offen und realistisch über die Probleme und verschiedenen Lösungsansätze sprechen. Wir haben es dadurch geschafft, dass die Kanzlei nicht mehr so sehr im eigenen Saft schmort.“ So gebe es nun verschiedene Arbeitskreise wie einen „Arbeitskreis IT“, den „Arbeitskreis Personal“ oder den „Arbeitskreis Marketing“, in denen verschiedene organisatorische Ansätze mit Best-Practice-Beispielen besprochen würden. Auch die verschiedenen Fachgruppen des Netzwerkes zum fachlichen Austausch seien für die Kanzlei von erheblichem Mehrwert.

Diese Form des Austausches hat den Vorteil, dass jeder zum Besten geben kann, was bei ihm gut funktioniert, ohne dass er befürchten muss, dass der andere ihm sein eigenes System diktieren will oder die Information nutzt, um den anderen auszubooten. Es entstehe eine freie und praktikable Lösungsplattform von Gleichgesinnten und Gleichbetroffenen. Ein konkreter Effekt: Ganteführer und HLB Schumacher haben erst kürzlich ein Verrechnungspreis-Joint-Ventures gegründet.

Der dritte Weg

National, international, total egal? Es gibt auch Einheiten, die sich – zumindest bislang – in der Tat kaum mit dem Thema Netzwerk beschäftigen. Allen voran die Zunft der Private-Clients-Berater. Dazu passt ein Witz, den sich die Berater Vermögender und Hochvermögender gerne untereinander erzählen: „Willst Du wissen, was wahre Einsamkeit bedeutet? Dann verbringe einen geselligen Abend im Kreise von Milliardären. Wenn sich die Runde angeregt über die Vorzüge der Gulfstream G700 im Vergleich zur G800 unterhält, wirst Du wissen, was allein sein bedeutet, wenn Du in einem 2015er BMW 730d zum Treffen erschienen bist.“ Wie in allen Witzen steckt auch in diesem ein Fünkchen Wahrheit. Nämlich, dass die „Sorgen reicher Leute“, wie die Private-Clients-Branche ihren Fokus selbstironisch nennt, sehr speziell sind. Aber eben doch nicht so individuell, als dass sich nicht noch jemand anderes fände, der sie teilt. Sei die Gruppe auch noch so klein.

Armin Hergeth

Genau nach dieser Heuristik wählt die Münchner Private-Clients-Boutique Dissmann Orth seine internationalen Kooperationspartner aus. Weder braucht die Boutique dafür ein festes Netzwerk noch feste Kooperationspartner. Menschen mit Problemen auf Gulfstream-Level finden sich. Die Berater, die zu ihnen passen, auch. Diese Berater finden einander, wenn es darum geht, genau solche speziellen Probleme zu lösen. „Wir bearbeiten typisch sehr punktuelle Themen mit kleiner Wiederholungswahrscheinlichkeit“, betont Dr. Armin Hergeth, Partner bei Dissmann Orth aus München. Von einem Netzwerk, das vor allem von der Kooperation in laufenden, sich wiederholenden Beratungsthemen wie zum Beispiel jährliche Abschlüsse oder der Pflege konzerninterner Vertragsbeziehungen leben, habe man daher nur geringen Nutzen. Es ist der Mangel an Routinefragen und Routinetätigkeiten, der bei jedem Mandanten und jeder Konstellation aufs Neue wieder einen völlig anderen Ansatz erfordert – und im Zweifel eben auch einen anderen Kooperationspartner im Ausland.

Jochen Ettinger

Natürlich hätten sich über die Jahre immer wieder die gleichen Kooperationspartner in bestimmten Ländern bewährt etwa in den USA, aber auch in Großbritannien, Österreich und der Schweiz, berichtet Hergeth. Länder, die häufiger als andere in Nachfolge- oder Wegzugsberatungen zum Tragen kämen. Auch ähnelten sich die grundsätzlichen steuerlichen und rechtlichen Themen, die an Dissmann herangetragen werden, sagt der Partner Dr. Jochen Ettinger. Die jeweiligen Sachverhalte seien aber stets sehr individuell. Im Ausland suche man daher nach Beratungsunternehmen, die in ihrer Struktur und Ausrichtung Dissmann Orth ähneln – Rechtsanwälte mit Steuerschwerpunkt und partnerzentriertem klarem Fokus auf Private Clients. „Es ist hilfreich, wenn die Geschäftsmodelle der Beratungen, mit denen wir zusammenarbeiten, unserer Aufstellung ähnlich sind. Wenn ein Mandant in Deutschland eine Zusammenarbeit mit einer kleineren, spezialisierten Einheit schätzt, ist ihm eine derartige Korrespondenzkanzlei meist auch im Ausland sympathisch“, sagt Hergeth. Mandanten, die sich bei Dissmann Orth und korrespondierenden internationalen Beratungen wohl fühlten, legten Wert auf eine dezente und diskrete Betreuung mit einem kleinen Kreis an Eingeweihten und Bearbeitern. Große Beratungen mit ihren vielköpfigen Matrixteams kämen für diese Klientel nicht in Frage.

Mandanten diesen Typus gebe es weltweit. Diese fänden sich bei entsprechenden Kanzleien wieder, mit denen Dissmann Orth gerne über Jahre zusammenarbeitet. Ziel für Dissmann Orth ist dabei aber nicht primär eine bestimmte Gegenleistung wie etwa Inbound-Mandate in retour zu erhalten. Im Zentrum stünden nur die jeweils besonderen Bedürfnisse des Mandanten – der vermögenden Privatpersonen.

Anders dürften die Sorgen bei den deutschen EY-Partnern aussehen. Zwar wären auch sie durch die Abspaltung und den damit einhergehenden Börsengang ein wenig reicher geworden. Für sie stellt sich jetzt aber eher die Frage: Wie geht es weiter? Ohne Netzwerk wird es nicht gehen. Dabei witzelte durchaus der eine oder andere Partner hinter vorgehaltener Hand und sprach von einem deutschen Alleingang. Sich aber wie Dissmann ausschließlich auf das Geschäft einer Einheit zu beschränken, kommt für den Branchenprimus natürlich nicht infrage – egal ob in einer Gulfstream oder einem Siebener-BMW. Und für Zufallsbekanntschaften oder Blind Dates ist EY wahrscheinlich zu bekannt.

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