JUVE Steuermarkt: Wo lag Ihre Motivation, einen eigenen Verein für junge Steuerberaterinnen und Steuerberater zu gründen? Fühlen Sie sich von den Kammern und den Verbänden nicht ausreichend vertreten?
Jonas Gallersdörfer: Der Grund ist eigentlich viel profaner. Wir haben mit einigen Kolleginnen und Kollegen zusammen im Kurs gesessen und uns jeden Samstag intensiv auf die Prüfung vorbereitet. Und da haben wir uns gedacht: Was passiert eigentlich, wenn wir alle das Examen bestanden haben? Sehen wir uns dann noch? Treffen wir uns noch, wie bleiben wir in Kontakt? Hinzu kam, dass wir Ideen für eine Umgestaltung des Steuerberaterexamens hatten. Aus diesen zwei Perspektiven entstand die Idee, etwas gemeinsam auf die Füße stellen. Hinzu kommt: bisher haben wir uns insbesondere als angehende Steuerberaterinnen und Steuerberater nicht vollständig vertreten gesehen.
Jasmin Roder: Natürlich gibt es viele Verbände, und die machen eine tolle Arbeit! Aber die repräsentieren die gesamte Berufsgruppe. Da ist alles dabei – zwischen 24 und 100 Jahren. Nur: Gerade an der Schnittstelle zwischen Prüfungsanwärtern und jungen Beraterinnen sind uns als Verein natürlich andere Dinge wichtiger als Beratern, die schon 30 oder 40 Jahre im Beruf sind.
Wie viele Mitglieder haben Sie jetzt?
Gallersdörfer: Wir sind ganz frisch gegründet, zählen aber mittlerweile schon knapp über 30 Mitglieder. Angefangen haben wir mit neun Personen aus der Lerngruppe und unserem Umfeld. Unsere Idee hat also Anklang gefunden, was uns zeigt, dass der Bedarf da ist. Junge Berufsträgerinnen und Berufsträger wollen sich vernetzen. Das können sie natürlich auch in bereits existierenden Verbänden. Die Eintrittsbarrieren sind dort aber andere. Wir sprechen hier für Bayern zum Beispiel von immerhin 400 Euro Mitgliedsbeitrag. Auch wenn der Beitrag erst im zweiten Jahr fällig wird, ist das für jüngere, die gerade aus dem Examen kommen, vielleicht ein bisschen viel. Wir wollen das Angebot daher ergänzen und dabei speziell die Jungen abholen und begeistern.
Ab wann ist man zu alt für Ihren Verein?
Roder: Wir wollen niemanden ausschließen. Unser Fokus liegt auf den Beraterinnen und Beratern bis 40 Jahre. Das heißt, auch wenn man älter ist, kann man gerne als Fördermitglied dabei sein. Bis dahin zählt man als ordentliches Mitglied.
Sie schreiben, dass Sie sich für die Weiterentwicklung des Berufsbildes einsetzen. Wie soll denn idealerweise der Steuerberater oder die Steuerberaterin der Zukunft aussehen?
Gallersdörfer: Die Öffentlichkeitswahrnehmung ist doch die: Der steuerberatende Beruf und das Umfeld gelten als angestaubt. Wenn ich in meinem Umfeld erzähle, dass ich Steuerberater bin, dann sagen viele erstmal: „Oh Jonas, was machst denn du da?“ Viele stellen sich einen 50-Jährigen vor, der diesen Beruf ausübt. Und das ist ja tatsächlich auch in etwa der Durchschnitt in der Branche. Mit unserem Verein wollen wir helfen zu zeigen, dass der Beruf tolle Perspektiven und Chancen – gerade für junge Menschen – bietet.
Roder: Analog zum demografischen Wandel sehen wir eine Überalterung des Berufsstandes. Und irgendwann werden wir da Probleme kriegen. Wir sind ein Organ der Steuerrechtspflege, man braucht uns. Wie man zum Beispiel an mir sehen kann, muss es am Ende nicht zwangsläufig das Abitur, Studium und so weiter sein. Es gibt auch andere Wege zum Steuerberater. Es ist ein toller Job, und das wollen wir zeigen. Denn wenn wegen des öffentlichen Bildes keiner mehr Bock auf den Beruf hat, dann ist dies perspektivisch sehr schade.
Wie wollen Sie das angestaubte Image des Berufsstandes loswerden?
Gallersdörfer: Als erstes: gezielt Öffentlichkeitsarbeit machen. Wir stehen bereits in Kontakt mit verschiedenen Universitäten und Schulen, wo wir einfach reingehen wollen und den jungen Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern zeigen möchten, dass dieser Beruf richtig Spaß machen kann. Hier kann man wirklich was erreichen. Zudem gibt es noch viel Potenzial was zum Beispiel die Digitalisierung angeht. Ich denke, ich hole heute keinen mehr ins Boot, wenn ich sage: „Hier mache ich meine Buchführung. Und hier ist der Aktenordner.“ Da schlägt sich doch jeder 16-Jährige und jeder Absolvent an den Kopf. Hier können wir zudem gut ergänzen. Denn auch die Verbände und Kammern sehen wir auf den Berufsmessen. Nur wer steht dort? Der Steuerberater, der vielleicht dem Durchschnittsalter entspricht.
Roder: Als jüngere Berufsträger haben wir da einen anderen Zugang und Vorbildcharakter, dem zum Beispiel Schülerinnen und Schüler nacheifern möchten.
Der Fachkräftemangel in der Branche ist real. Es braucht also mehr junge Menschen, die das Examen antreten. Sie bezeichnen die aktuelle Situation der Steuerberaterprüfung als alarmierend. Wieso eigentlich?
Roder: Man muss sich einfach vor Augen führen, dass diese Prüfung seit dem Jahr 1937 mit geringen Änderungen in ihrer heutigen Form besteht. Das hat uns sehr überrascht, da sich die Gesetzeslage seitdem massiv verändert hat – und somit auch die Menge an Stoff größer geworden ist.
Gallersdörfer: Auch die Ausgestaltung der Prüfung: sechs Stunden am Stück dreimal in der Woche hintereinander, das entspricht nicht mehr den wissenschaftlichen Standards. Unser Eindruck ist, dass man den Status quo bisher leider einfach so hinnimmt. Weil es an entscheidenden Stellen Leute gibt, die das Prüfungsformat bewahren wollen.
Ich hätte da ein Argument: Andere haben es vor Ihnen doch auch geschafft.
Gallersdörfer: Das ist aber ein klassisches Argument. Es berücksichtigt jedoch nicht den Kontext. In der Babyboomer-Generation wollte man mit dem Examen eine Berufszugangshürde schaffen und den Markt aktiv regulieren. Das ist heutzutage aber doch gar nicht mehr nötig – im Gegenteil. Also, wenn man sich die Durchfallquoten anschaut und bemerkt, es werden stetig weniger Leute, die sich für den Beruf begeistern können und sich überhaupt für dieses Examen anmelden, muss man sich schon überlegen, ob es nicht ein hausgemachtes Problem ist.
Die Durchfallquoten sind aber doch schon immer so hoch. Ein Gegenargument könnte doch sein: Wenn wir diese Quote senken, leidet die Qualität der Prüfung – und damit auch der Beratung.
Roder: Das wollen wir absolut vermeiden! Unser Ziel ist es nicht, die Prüfungsqualität zu senken. Ich habe die Prüfung ja erst kürzlich bestanden und bin da natürlich auch ein Stück weit stolz. Aber es handelt sich hierbei nur um theoretische Fallkonstellationen – diese unterscheiden sich natürlich von der Praxis gewaltig –, was sehr schade ist und nur bedingt auf den realen Berufsalltag vorbereitet.
Wieso?
Roder: Weil man bei der Menge an Wissen, die man sich da eintrichtert, irgendwann das Gefühl hat, man wisse überhaupt nichts mehr. Ein Professor sagte mir mal, dass die Prüfung erstmal nur die Eintrittskarte sei. Ich habe zum Teil Spezialwissen gelernt, das ich in meinem Leben nie wieder brauchen werde. Ich glaube, dass es viel wichtiger ist, den breiten Standard wirklich gut zu beherrschen und in der Prüfung anzuwenden. Und hier sehen wir Verbesserungspotential und wollen ansetzen.
Nun würden nicht wenige Berufspraktiker entgegnen, dass es heutzutage auch viel mehr Spezialisten braucht und der Generalist doch immer seltener wird.
Roder: Spezialisieren kann man sich doch sehr gut nach dem Examen. Es gibt doch diverse Fachberater-Titel mittlerweile.
Gallersdörfer: Die meisten Kursanbieter, auch sehr große, haben uns gesagt, dass sie uns schlicht nicht mehr auf alles vorbereiten können, da die Stoffmenge so umfassend ist. Uns ist wichtig, mit konkreten Vorschlägen zu einer möglichen Verbesserung des Examens beizutragen – und dies ohne Verwässerung der Qualität. Unsere Vorschläge haben wir daher auch verschriftlicht. Beispielsweise sehen wir konkrete Chancen, das Examen viel stärker zu modularisieren, wie es auch schon beim Examen der Wirtschaftsprüfer geschehen ist. Wenn ich die schriftliche Prüfung bestehe, aber die mündliche nicht, muss ich ein Jahr warten, um die komplette schriftliche Prüfung (also alle drei Tage) – mit womöglich vielen neuen Gesetzesänderungen – noch einmal nachzuholen. Das kann für Prüflinge, welche sich intensiv vorbereitet haben, sehr frustrierend sein. Diese müssen erneut die Motivation finden, wieder reinzugehen und wieder ein Jahr komplett auf soziale Kontakte zu verzichten – überspitzt gesagt.
Roder: Zudem sehen wir auch Potential, aktive Berufsträger in die Prüfungsplanung mit einzubinden. Das würde die Theorie mit der Praxis verbinden.