Im Porträt

WTS – eine Erfolgsgeschichte mit Macken

Im nächsten Jahr feiert WTS Firmen-Jubiläum: Ein Vierteljahrhundert existiert die Einheit dann. Was als Ausgliederung eines Teils der Siemens-Steuerfunktion begann, ist heute „Deutschland größte Steuerberatungsgesellschaft ohne Prüfung“, wie der Vorstandvorsitzende Fritz Esterer gerne betont. Tatsächlich gilt WTS nicht wenigen im Markt als Erfolgsmodell. Aushängeschild und prägende Figur dahinter ist ganz klar Esterer. Doch viele fragen sich: Ist der Erfolg auch dann noch gegeben, wenn Esterer bei WTS einmal das Ruder abgibt?

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Vielen im Markt gilt Jürgen Scholz (rechts) als der geeignete Nachfolger von Fritz Esterer. Ob er es wirklich wird, ist unklar. Esterer will sich mittelfristig operativ stärker zurücknehmen. "Die Überleitung in die nächste Generation wird reibungslos funktionieren", sagt er.

Die Geschichte von WTS lässt sich auf verschiedene Art und Weise erzählen. Das Drehbuch zu einem Kurzfilm würde sich in etwa so lesen: Im Jahr 1999 als Ausgliederung der Steuerabteilung von Siemens gegründet, wächst die Steuerberatungsgesellschaft mit Stammsitz in München sowohl personell als auch finanziell schnell und stark. Angefangen mit 25 Mitarbeitenden und einem Umsatz von einer Million Euro ist WTS nach nicht einmal einem Vierteljahrhundert zu einem großen Mittelständler herangewachsen. Der Umsatz liegt anno 2023 bei rund 226 Millionen Euro, WTS beschäftigt an 13 Standorten in Deutschland gut 1.600 Mitarbeitende. Ende. Eine Erfolgsgeschichte durch und durch.

Fertigt man allerdings ein längeres Skript an – mit allen Höhen und Tiefen –, ergibt sich durchaus ein anderes Bild. Von einer Erfolgsgeschichte sprechen durchaus die meisten im Markt, wenn es um die Entwicklung und heutige Bedeutung von WTS geht. Gleichzeitig drängt sich für viele die Frage auf: Wird die Geschichte der Steuerberatungsgesellschaft auch ein Happy End haben?

Wir schreiben das Jahr 1999. Der Münchner Technologiekonzern Siemens gliedert sein Halbleitergeschäft aus und bringt es an die Börse – das Unternehmen Infineon ist geboren. Nun stehen die Unternehmen aber vor einem Problem. Siemens darf Infineon aus der konzerneigenen Steuerabteilung heraus nicht mehr betreuen. Was also tun?

Schnell ist eine Lösung gefunden: Man gründet einfach eine eigene Steuerberatungsgesellschaft. Wenige Monate später geht ‚World Tax Services‘, kurz WTS, an den Start. Mit nicht einmal einer Handvoll Leuten startet das neue Beratungshaus – und berät zunächst Infineon und auch Siemens. Nur wenige Monate später bekommt WTS Verstärkung von außen. Nachdem sich der einstige deutsche Konzern Mannesmann entschieden hat, sein Mobilfunk-Geschäft an Vodafone zu veräußern und sich damit quasi zerschlägt, gehen weite Teile des Industriegeschäfts an Siemens. Die Steuerfunktion von Mannesmann heuert allerdings nicht beim Konzern an, sondern beginnt bei WTS. Der Steuerchef von Mannesmann, Dr. Harald Treptow, wird Vorsitzender des Vorstands.

Als Initiator, Ideengeber und Architekt hinter der Steuereinheit gilt schon damals Friedrich Esterer, von allen nur Fritz genannt. Er ist seinerzeit Steuerchef von Siemens und in Personalunion Aufsichtsratsvorsitzender von WTS. „Die Idee dahinter war, das Know-how einer Steuerabteilung auch direkt in die Beratung einfließen zu lassen“, sagt Esterer rückblickend. Bereits Mitte der 90er Jahre hätte er darüber nachgedacht, wie ein solches Konstrukt aussehen könnte. Welche Blüten seine Idee treibt, war auch für Esterer nicht absehbar. „Damals haben wir bei WTS mit drei Leuten begonnen, dass wir nun so viele sind, war keineswegs vorstellbar“, sagt er.

Von Anfang an war klar: Das Prüfungsgeschäft soll außen vor bleiben. Zudem sollte WTS vollkommen unabhängig agieren. Sowohl von Siemens als auch von potenziellen Übernahmen. „WTS war nie eine Tochter des Unternehmens“, betont Esterer. Auch deshalb gründen die Initiatoren eine Stiftung, die alleiniger Anteilseigner von WTS wird. „Damit war zum einen die WTS Gruppe von Anfang an unabhängig von persönlichen Shareholder-Interessen und zum anderen das übergeordnete Ziel unserer Geschäftstätigkeiten festgelegt: Langfristiger Erfolg anstelle kurzfristiger Gewinnmaximierung“, lässt WTS dazu zum 20-jährigen Firmenjubiläum über einen Social-Media-Kanal verlauten.

Streit im Paradies

In den kommenden Jahren expandiert WTS stark. Es kommen diverse Standorte in Deutschland hinzu, 2003 gründet die Gesellschaft schließlich ein eigenes Netzwerk, um auch auf dem internationalen Parkett reüssieren zu können. Seit 2009 gehören Rechtsberatung und das Thema Financial Advisory zum Portfolio von WTS. Und in besagtem Jahr löst Esterer Harald Treptow schließlich als Vorsitzenden des Vorstands ab.

Unter der Ägide Esterers wächst und gedeiht WTS weiter. Es kommen weitere Standorte hinzu, mit dem Kauf der Corporate-Finance-Boutique FAS 2017 bekommt auch das Thema Financial Advisory eine größere Bedeutung. Und unter Esterer wird WTS schließlich zu einem der Marktführer in Sachen Tax Technology. Auch hier könnte man einen Haken setzen und sagen: eine wahre Erfolgsgeschichte. Doch auch bei WTS war und ist nicht alles Gold, was glänzt. Und das hängt vor allem mit Esterer selbst zusammen.

Im Jahr 2011 holt Esterer den im Markt bekannten und renommierten Steuerberater Prof. Dr. Alexander Hemmelrath zu WTS. Er wird Co-Vorstand neben Esterer. Für viele im Markt ist der Schritt unverständlich und nicht nachvollziehbar. Und das gleich aus mehreren Gründen. Zum einen wundert es Beobachter, dass sich Esterer überhaupt einen so prominenten Namen an seine Seite holt. Zwar gilt der WTS-Chef im Vergleich zu Hemmelrath charakterlich als nahbarer, einfühlsamer, bisweilen auch als „kumpelhafter“ Typ. „Alphatiere sind sie trotzdem beide“, sagt ein langjähriger Weggefährte.

Zum anderen verärgert die Personalie den einen oder anderen auch nach mehr als zehn Jahren noch immer. Hätten nicht andere eher Anrecht darauf gehabt, den Co-Vorsitz neben Esterer einzunehmen? Wieso jemand von außen? „Vermutlich, weil Herr Hemmelrath einen schillernden Namen hatte“, merkt ein Beobachter süffisant an. So oder so: Es gibt Partner, die sich seinerzeit offenbar vor den Kopf gestoßen fühlten. Und die Personalie zeigt auch: Esterer hatte schon damals eine enorme Macht. „Er entscheidet so etwas einfach. Egal, was die anderen Partner sagen“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter.

Bereits nach zwei Jahren verlässt Hemmelrath WTS wieder. Im Streit. Es folgen sogar Gerichtsprozesse. Esterer selbst räumt ein, dass es mit Hemmelrath „Differenzen in der künftigen Unternehmensausrichtung“ gab. Die Zeit mit ihm sei trotzdem interessant gewesen. „Immerhin wusste Herr Hemmelrath, wie man große Firmen aufbaut.“ Funktioniert hat es aber trotzdem nicht, das gibt auch Esterer zu. „Man muss sich auch trennen können. Eine Gesellschaft kann man nur in dieser Geschwindigkeit aufbauen, wenn man merkt, dass es vielleicht auch mal nicht passt“, sagt der WTS-Chef – und gibt damit auch zu verstehen, wer seinerzeit das Sagen hatte.

Doch die Personalie Hemmelrath ist nicht die einzige Causa, die für Kopfschütteln, Unverständnis und zum Teil auch zu Frustration in der Beleg- und Partnerschaft führt. Das wird unter anderem deutlich, wenn man sich mit Andreas Homrighausen unterhält – der einzige Ex-Angestellte von WTS, der sich für diesen Artikel namentlich zitieren lässt. Vor gut zwei Jahren hat Homrighausen gemeinsam mit Stephanie Henseler die Bonner Tax-Tech- und Beratungsboutique Greenfield gegründet. Erfahrung in Sachen Digitalisierung hatte der Steuerberater bereits vor seiner Zeit bei WTS gesammelt. Von 2005 bis 2013 ist er Gründer und Geschäftsführer der ITax Concept Steuerberatungsgesellschaft, die sich vor allem um die „Optimierung steuerlicher Unternehmensanforderungen durch interdisziplinäre Möglichkeiten der Informationstechnologie (IT) im Bereich Steuern (Tax)“ kümmert, wie es auf dem LinkedIn-Profil von Homrighausen heißt. Schwerpunkt: Umsatzsteuern und Verrechnungspreise. Die Gründung von WTS Itax im Jahr 2014, der Vorgängereinheit des heutigen Geschäftsbereiches WTS Digital, geht vor allem auf das Engagement von Homrighausen zurück.

Fehlentscheidungen

Andreas Homrighausen

Im Jahr 2013 steigt Homrighausen als Partner gemeinsam mit seinem Team bei WTS ein – und veräußert damit auch seine Anteile an ITax. „Im Zuge eines Asset Deals haben wir die Gesellschaft damals verkauft“, erinnert er sich. Zu Beginn sei Homrighausen zunächst etwas ernüchtert gewesen. „WTS war damals noch nicht so weit, wie ich es mir vorgestellt hatte.“ Trotzdem habe es durchaus eine positive Aufbruchstimmung gegeben. „WTS setzte dabei initial auf die Entwicklung von Tax Tools und wir haben gemeinsam angepackt und definitiv auch etwas bei WTS auf die Beine gestellt“, sagt Homrighausen rückblickend.

Bei ITax habe der Fokus zuvor auf Beratungsleistungen im Bereich Business Consulting mit Schwerpunkt Tax gelegen. Dann habe sein Team bei WTS angefangen, Tools zu bauen, die am Ende aus unterschiedlichen Gründen nicht richtig im Markt angekommen sind, erklärt Homrighausen. Im April 2019 eröffnet WTS schließlich das ‚Digital Hub‘ in Berlin – mit Christian Baumgart und Karl Bevan, die beide von KPMG kommen. Das Team soll ebenfalls dafür sorgen, eigene Tools zu bauen und auf den Markt zu bringen. Homrighausen war zu dem Zeitpunkt bereits als Chief Digital Officer kundenseitig nicht mehr operativ im Bereich der Digitalisierungsberatung tätig. Baumgart und Bevan, so berichtet es Homrighausen, seien den Kolleginnen und Kollegen buchstäblich „vor die Nase gesetzt“ worden.

Ein anderer ehemaliger Mitarbeiter von WTS unterstreicht, dass der Digital Hub zumindest inhaltlich keine gute Idee war. „Das hat nicht gut funktioniert. Steuerkanzleien sind nicht der ideale Anwender für eigene Software. Da haben wir Lehrgeld bezahlt“, sagt er.

Tatsächlich sind die beiden Partner, die den Digital Hub verantworteten, schon wieder weg. Karl Bevan ist seit September 2022 wieder bei KPMG, Christian Baumgart hat es in die Industrie gezogen.

Die Kritik verfliegt aber auch schnell wieder. In den meisten Gesprächen wird deutlich, dass die Digitalstrategie von Esterer und WTS aufgeht. „WTS ist der geborene Marktführer für Tax Tech und Prozessberatung“, sagt etwa Homrighausen und liefert dafür auch einen Grund. „Sie sind nicht abhängig vom Prüfungsgeschäft. Denn das Schlimmste ist: Du machst einen Riesenaufwand für die Implementierung eines Tools und dann greift die Prüferrotation. Auf sowas hat auch der Mandant keine Lust.“ Einig sind sich viele, das WTS in Sachen Tax Tech Marktführer ist – hierzulande zumindest. Noch vor den Big Four.

Generell lässt sich festhalten, dass die meisten Weggefährten und Marktteilnehmer Esterer bewundern. Das Gros beschreibt ihn als immer gut gelauntes Marketing- und Strategiegenie, das nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Doch der WTS-Chef kann auch anders: „Wenn er von einer Idee überzeugt ist, kann er auch andere sehr gut davon überzeugen“, sagt ein ehemaliger Partner. „Aber er kann nicht akzeptieren, dass andere auch Ideen haben und sich vielleicht andere Strukturen wünschen.“

Esterer gilt als „Menschenfänger“. „Er kann sehr überzeugend sein“, sagt ein Beobachter, wobei man die Aussage sowohl als Lob als auch Kritik interpretieren kann. Denn zum einen beweist Esterer häufig einen guten Riecher: „Der Erfolg gibt ihm ja durchaus Recht“, sagt ein Marktbeobachter. Zum anderen wirke Esterer ab und an auch mal ein wenig sprunghaft. „Er brennt heute für eine Idee, die bereits morgen wieder uninteressant ist.“ So oder ähnlich hört man es in Gesprächen von gleich mehreren Weggefährten.

Begrenzte Möglichkeiten?

Ein Überschwank an Optimismus ist für so manchen auch das 400-Millionen-Euro-Umsatzziel, das Esterer vor gut zwei Jahren in der Börsenzeitung ausrief. Bereits im Jahr 2025 soll WTS einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro erreichen, zitierte das Wirtschaftsblatt den WTS-Chef. Seinerzeit lag der Umsatz bei 183 Millionen. Mehr als eine Verdopplung in vier Jahren also. „Ist das nicht etwas übervisionär?“, fragt sich ein ehemaliger Weggefährte von Esterer. „Wo sind die Targets, die er holen will, um solch ein Wachstum zu realisieren? Es gibt keine reinen Steuerteams im Markt“, bemerkt ein anderer.

Und tatsächlich: Bei Fusionen und Zukäufen unter den größeren hiesigen Steuereinheiten dürfte WTS regelmäßig leer ausgehen. Gesellschaften wie die Big Four, die Next Six, aber auch sogenannte Third-Tier-Kanzleien fahren einen multidisziplinären Ansatz – sprich: Wirtschaftsprüfung ist bei ihnen integraler Bestandteil des Geschäftsmodells. Als Übernahme- oder Fusionsobjekte sind sie für WTS damit also tabu. Und Esterer will auf jeden Fall daran festhalten, keine Prüfung anzubieten – und sieht enorme Vorteile darin. „Die Grenzen des Wachstums in der Steuerberatung sind bei unseren Wettbewerbern durch die Wirtschaftsprüfung determiniert“, sagte er erst vor wenigen Monaten in einem Interview mit JUVE Steuermarkt. Und weiter: „Immer wieder hört man, dass Wettbewerber X oder Y Mandate abgeben musste, weil ein Konflikt entstand. Ähnlich sieht es dann mit dem Personal aus – da profitieren wir ebenfalls mit regelmäßigen Neuzugängen, die Steuerberatung ohne Interessenkonflikte vornehmen möchten.“

Aber ist es nicht vielleicht umgekehrt? Erweist sich nicht ausgerechnet das Fehlen an Prüfung als Hemmschuh für weiteres Wachstum, weil man eben nicht mal eben mit anderen Einheiten zusammengehen kann? Esterer winkt ab. „Das sehe ich nicht so, es stoßen ja immer wieder große Teams zu uns. Und wir planen auch für die laufenden Jahre mit einem deutlichen Wachstum“, sagt er. An seinem 400-Millionen-Euro-Umsatzziel hält er weiter fest. „In zwei Jahren werden wir im Steuer- und Digitalbereich sicher einen Umsatz von 280 bis 300 Millionen Euro erreichen. Und Advisory kann auf jeden Fall weitere 100 Millionen bringen“, sagt Esterer. Zum Vergleich: Im vergangenen Geschäftsjahr kam WTS auf einen Gesamtumsatz von knapp 226 Millionen Euro, von dem gut 191 Millionen Euro auf die Steuerberatung entfiel. Im Steuerbereich kaufte WTS natürlich keine Einheiten – aufgrund der Prüfung. „Unser Advisory-Bereich hat aber ebenfalls sehr viel Potenzial, anorganisch zu wachsen. Denn hier gibt es Einheiten am Markt, die auch interessant sind“, sagt Esterer.

Ob das Ziel nun realistisch ist oder nicht. Einig sind sich nahezu alle darin, dass es einen Visionär wie Esterer braucht. Er ist und bleibt das Gesicht von WTS. „Esterer zieht die großen Mandate an Land, holt die notwendigen Berater und kümmert sich um die strategische Weiterentwicklung“, sagen gleich mehrere Marktakteure. Doch was passiert, wenn Esterer mal nicht mehr da ist? Eine endgültige Nachfolge ist noch nicht geregelt. Der jetzige Vorstand besteht aus vier Personen. Neben Esterer sind dies seit 2018 Franz Hohenlohe, seit 2020 Jürgen Scholz und seit gut einem halben Jahr Ulrike Schellert. Die drei Co-Vorstände genießen ihrerseits ebenfalls hohes Ansehen im Markt.

Ulrike Schellert gilt sowohl als loyal gegenüber WTS und Esterer als auch extrem kompetent im Management des Business Partnerings – des Kerngeschäfts von WTS.

Ungeklärte Nachfolge

Hohenlohe kam 2018 von KMPG zu WTS und sollte vor allem höherwertiges Geschäft aufbauen. Die Bilanz fällt gemischt aus. Manch einer sagt, dass Hohenlohe sich selbst nicht weiterentwickelt habe und zudem eine Big-Four-Kultur bei WTS einführen wollte. Andere goutieren sein Engagement. „Hohenlohe ist ein Leuchtturm – und er hat viele gute Berater geholt“, sagt ein Ex-Partner von WTS. Schaut man sich die Zu- und Abgänge der vergangenen Jahre an, stellt man in der Tat fest: WTS hat sich in verschiedenen Steuerdisziplinen vor allem immer wieder bei Hohenlohes Ex-Arbeitgeber KPMG bedient.

Die größte Hoffnung setzen Branchen- und WTS-Kenner aber auf Jürgen Scholz. Der 44-Jährige ist seit mehr als drei Jahren Teil des Vorstands und sowohl bei Mitarbeitenden als auch Außenstehenden beliebt. Vielen gilt er als die geeignete Nachfolge von Fritz Esterer. „In einer Gesellschaft wie WTS brauchen Sie Integrationspersönlichkeiten, und das ist er. Er kann den Kitt zwischen verschiedenen Kulturen bilden, wie Fritz Esterer es ebenfalls kann“, sagt ein Berater. Doch Esterer will, so sehen es die meisten, in der Frage seiner Nachfolge noch nicht konkret werden. Zu groß sei sein Einfluss, den er nicht abgeben will. „Er ist ein wenig wie ein Patriarch eines mittelständischen Unternehmens – obwohl er ja selbst kein Gesellschafter ist“, sagt ein ehemaliger Partner. Andere gehen noch weiter und bezeichnen Esterer gar als eine Art „Sonnenkönig“. „Nach wie vor steht und fällt alles mit ihm“, so ein Marktkenner.

Esterer selbst bestreitet das. „Es stimmt nicht, dass ich das einzige Gesicht nach außen bei WTS bin und alle Entscheidungen allein treffe“, sagt er. Jürgen Scholz habe sich unter anderem der Themen Business Development, Indirekte Steuern & Financial Services angenommen, Franz Hohenlohe stehe vor allem für die engen Kontakte in den Markt, insbesondere im Bereich der Ertragssteuern, Verrechnungspreise und bei Pillar II, und Ulrike Schellert kümmere sich um das Business Partnering, die steuerliche Betreuung von Projekttätigkeiten im Ausland und interne Prozessverbesserungen. „Die Überleitung in die nächste Generation wird reibungslos funktionieren“, betont Esterer. Er werde sich mittelfristig operativ stärker zurücknehmen. „Das ist nicht nur meinem Alter, sondern auch der Größe, die wir mittlerweile haben, geschuldet“, sagt er.

Was man bei alldem eben auch nicht vergessen darf: Esterer mag nach außen hin das Oberhaupt sein, Eigentümer von WTS ist er allerdings nicht. „Wir sind alle Angestellte“, sagt er. Und auch dies ist für manchen ein Problem. „Du bist nur auf der Visitenkarte ein Partner, entscheiden kannst du eigentlich nichts“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter von WTS. An diesem Punkt gehen die Stimmen allerdings auseinander. Zum einen bestreitet der Vorstand von WTS nicht, dass er im Zweifel das letzte Wort hat. „Stellen Sie sich vor, sie wollen ein neues Büro in Frankfurt eröffnen und brauchen dann die Zustimmung aller Partner aus Düsseldorf, Hamburg und München. Es hat durchaus Vorteile, wenn das zentral entschieden werden kann, wobei solche Themen vorab gemeinsam in der Partnerschaft diskutiert werden“, sagt etwa Jürgen Scholz dazu. Ein Kanzleiberater pflichtet ihm bei: „Bei WTS ticken alle konzern-like, und das ist ein Riesen-Asset. Für manche mittelständische Kanzlei wünsche ich mir sowas auch.“

Ein anderer ehemaliger Partner spricht zudem in höchsten Tönen von dem Modell, das WTS fährt: „Ich hatte immer meine Freiheiten, meinen Geschäftsbereich auf- und auszubauen, wie ich es für richtig hielt.“ Esterer sieht zudem keinen großen Unterschied zu den relevanten Wettbewerbern. „Diese Modelle, sich an stillen Reserven zu bedienen, gibt es bei den meisten Gesellschaften unserer Größenordnung nicht mehr“, sagt er. Und einen Equity-Anteil gebe es für die Partnerinnen und Partner auch. „Über Genussscheine können wir eine attraktive Verzinsung anbieten“, sagt Esterer. Ansonsten heißt es bei WTS vor allem „naked in, naked out“. Das heißt für den WTS-Chef aber auch: Wenn er denn einmal geht, wird ihn keine üppige Auszahlung erwarten. Vielleicht ein Grund mehr, noch weiterhin Teil seiner eigenen Idee zu bleiben.

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