Erweiterte Herstellerverantwortung
Die EU-Abfallrahmenrichtlinie (RiLi 94/62/EG sowie RiLi 2008/98/EG, zuletzt geändert mit RiLi (EU) 2018/851) regelt den Umgang mit Abfällen. In dieser Richtlinie sind u.a. das „Verursacherprinzip“ und die „Erweiterte Herstellerverantwortung“ sowie grundlegende Zielsetzungen zur Beförderung der Kreislaufwirtschaft (Abfallvermeidung, Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit, verpflichtende Recyclingquoten usw.) enthalten.
Die Regelungen sind in den EU-Mitgliedstaaten durch nationales Recht umgesetzt, wobei bislang kaum Harmonisierung erkennbar ist. In Deutschland sind Kernelemente im Verpackungsgesetz, im Kreislaufwirtschaftsgesetz, im Elektro- und Elektronikgerätegesetz und in diversen weiteren Regelungen verankert.
In vielen Unternehmen wird in Bezug auf die Berichtspflichten für Verpackungen und Abfälle – insbesondere im Ausland – missverständlich von „Packaging Taxes“ gesprochen. Im Regelfall handelt es sich dabei aber nach deutschem Rechtsverständnis um „Abgaben“, also zweckgebundene Abgabeleistungen, die typischerweise zur Finanzierung des Entsorgungssystems dienen. Die Ausgestaltung entsprechender Regelungen zur Meldung von Verpackungen bzw. Verpackungsabfällen (nicht nur aus Plastik, sondern aus jeglichem Material inkl. Papier, Pappe, Glas, Metalle) ist in der EU sehr unterschiedlich: In einigen Ländern existieren gar keine Regelungen, andere fokussieren sich auf bestimmte besonders umweltbelastende Waren, u.a. Batterien, Reifen, bestimmte Öle und Chemikalien. In den Regelungen finden sich oft Pflichten in Bezug auf die Registrierung (des Unternehmens als Inverkehrbringer sowie der betreffenden Verpackungen/Abfälle/Produkte), Berichts-, Aufzeichnungs- und Prüfpflichten, Mitteilungspflichten sowie Entsorgungs- oder Abgabenpflichten.
In Deutschland sind die Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR) und das LUCID-Portal als Meldestelle in Bezug auf Verpackungen allgemein bekannt.
Zu beachten ist allerdings, dass im Juli 2022 Änderungen des Verpackungsgesetzes in Deutschland eingetreten sind, die viele Unternehmen noch nicht verinnerlicht und umgesetzt haben. Hieraus resultiert u.a. die erweiterte Pflicht zur Registrierung bei der ZSVR (beispielsweise auch Transportverpackungen). Auch wurden die Sanktionsmöglichkeiten erheblich nachgeschärft. Je nach konkreter Art des Verstoßes sind Bußgelder bis zu 200.000 € pro Verstoß gegen Registrierungs-, Melde- und Abgabenpflichten vorgesehen. Der maximale Bußgeldrahmen ist beispielsweise vorgesehen, wenn eine vorgeschriebene Beteiligung an einem der Dualen Systeme nicht erfolgt. Für eine notwendige, aber unterbliebene Registrierung bei der ZSVR ist ein Bußgeld von bis zu 100.000 € vorgesehen.
Wichtig ist auch, dass nicht registrierte Verpackungsmittel nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Es besteht ein Vertriebsverbot für das Verpackungsmittel auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette. Faktisch bedeutet dies vielfach auch ein Vertriebsverbot der Ware, die von der Verpackung umgeben ist, da sich diese regelmäßig nicht kurzfristig und wirtschaftlich wieder von der Verpackung trennen lässt. Die Regelungen gelten dabei u.a. auch für den eCommerce, wenn Versandhändler im Ausland an deutsche Kunden liefern. Die ZSVR stellt dabei sogar ein Register bereit, in dem Unternehmen prüfen können, ob Wettbewerber zumindest bei der ZSVR angemeldet sind.
Es wurde erkannt, dass die jeweils nationale Umsetzung insbesondere für multinational tätige Unternehmer nur noch schwer zu beherrschen ist. Daher wird auf EU-Ebene aktuell mit dem Ziel der Harmonisierung an einer Verordnung gearbeitet. Es ist gleichwohl zu erwarten, dass viele hierin nicht umfasste Regelungsbereiche weiterhin national ausgestaltet werden. Auf der Prioritätenliste ganz oben stehen aktuell Rechtsänderungen bzw. die Neueinführung von Regelungen im Vereinigten Königreich, der Tschechischen Republik, den Niederlanden und Ungarn.
„Plastic levy“ auf EU-Ebene
Die Europäische Union hat mit Beschluss vom 14.12.2020 festgehalten, dass ab 2021 alle EU-Mitgliedstaaten 80 Euro-Cent pro Kilogramm nicht recycelten Kunststoffabfalls als eine neue Form von Eigenmitteln entrichten müssen, wobei einigen Mitgliedstaaten ein „Rabatt“ eingeräumt wurde. Wie auch bei den Zollabgaben können die Mitgliedstaaten dabei eine Erhebungspauschale von 25 % behalten. In den Medien war oft von der Einführung einer „Plastiksteuer“ die Rede. Es handelt sich allerdings um einen Beitrag der Mitgliedstaaten zum EU-Haushalt. Im Englischen wird die Zahlung als „plastic levy“ bezeichnet.
Es wurde erwartet, dass Deutschland eine jährliche Zahlung in Höhe von etwa 1,3 Mrd. € zu leisten hat. Insgesamt geht man von Einnahmen zwischen 6 und 8 Mrd. € pro Jahr für den EU-Haushalt aus.
Die meisten EU-Mitgliedstaaten zahlen den neuen EU-Beitrag bislang aus dem jeweiligen Landeshaushalt, d.h., es findet eine Querfinanzierung durch andere Steuereinnahmen statt. Aufgrund der angespannten Haushaltslage sehen sich die Mitgliedstaaten jedoch der Frage ausgesetzt, ob die Beiträge durch lokale Steuern oder Gebühren refinanziert werden können.
Aktuelle Entwicklungen in Europa
Eine Plastikverpackungssteuer der „neuen Generation“ wurde zum 1.4.2022 in Großbritannien eingeführt. Spanien hat nun zum 1.1.2023 eine derartige Steuer in Kraft gesetzt. In Portugal wurde mit einem zeitlich gestaffelten Inkrafttreten mit Beginn zum 1.7.2022 eine Abgabe auf das Inverkehrbringen bestimmter Verpackungen aus Einwegkunststoff, Aluminium und Papier/Pappe eingeführt.
Auch in Italien war die Einführung zum 1.1.2023 geplant, wurde jedoch nach dem Regierungswechsel um ein Jahr auf den 1.1.2024 verschoben.
In den Niederlanden wurde eine Studie über die Effekte der Einführung einer Plastikverpackungssteuer durchgeführt. Weitere legislative Schritte wurden jedoch noch nicht unternommen. In Polen wird das gesamte Abfallwirtschaftsrecht neu gefasst. Dabei kann es auch zu einer Plastikverpackungssteuer kommen. Eigentlich war auch hier eine Einführung in 2023 vorgesehen, aber der Prozess ist ins Stocken geraten. Zahlreiche weitere EU-Mitgliedstaaten befinden sich in einem frühen Stadium der politischen Diskussion über die Einführung von Steuern auf Plastikverpackungen und weiteren umweltbelastenden Produkten. Mehrere Nichtregierungsorganisationen lobbyieren dabei intensiv auf politischer Ebene.
In Deutschland wurde die Einführung einer Plastikverpackungssteuer im Koalitionsvertrag vereinbart, allerdings haben die außen- und innenpolitischen Realitäten der letzten zwei Jahre dazu geführt, dass nach vorliegender Kenntnis noch keine Entwicklungen in diese Richtung zu verzeichnen sind. In den Medien präsent war zuletzt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig im Fall der Klage gegen die lokale Verpackungssteuer in Tübingen. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hatte die Steuer als rechtswidrig beurteilt, das Bundesverwaltungsgericht hat die Steuer allerdings (mit einigen Anpassungsbedarfen) als rechtmäßig beurteilt. Ob die unterlegene Klägerin Revision gegen das Urteil einlegt, ist aktuell noch nicht bekannt. Veranlasst durch das Urteil intensiviert sich die Diskussion in einer Vielzahl an Städten und Gemeinden, um vergleichbare Steuern einzuführen.
Zwischenzeitlich ist in Deutschland auch das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz initiierte Einwegkunststofffondsgesetz in Kraft (siehe unten). Diese neue bundesweite Abgabe greift die Lenkungsgedanken der lokalen Steuer in Tübingen auf und implementiert ebenjene Bundesregelung, die zuvor der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg für erforderlich gehalten hat, wenngleich mit einer einem hiervon abweichenden Katalog betroffener Waren. Allerdings wird die Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Konstruktion durchaus in Frage gestellt. Andererseits wird eine deutliche Ausweitung der erfassten Einwegkunststoffe gefordert. Es bleibt also spannend, ob und in welcher Form noch Anpassungen eintreten oder tatsächlich eine separate bundesweite Verpackungssteuer eingeführt werden könnte. Eine bundesweite Regelung wäre insoweit zu begrüßen, dass einer Defragmentierung der (Verpackungs-)Steuerlandschaft in Deutschland entgegengewirkt wird.
Plastikverpackungssteuer in Spanien
Spanien hat beschlossen, zum 1.1.2023 eine „Verbrauchsteuer auf Einwegverpackungen aus Kunststoff“ einzuführen (Law 7/2022). Bei dieser Steuer handelt es sich um eine Verbrauchsteuer, die auf die Verwendung von Verpackungen aus Kunststoff, die nicht wiederverwendbar sind, im spanischen Steuergebiet erhoben wird.
Die neue „Plastic Packaging Tax“ gilt für das gesamte spanische Hoheitsgebiet – einschließlich Ceuta, Melilla und den Kanarischen Inseln. Die Steuer umfasst dabei nicht nur Verpackungsmittel im engen Sinne, sondern u.a. auch Halbfertigprodukte (wie Presslinge und Thermofolien) sowie Plastikwaren, die dem Verschließen (bspw. Deckel), Handeln/Verkaufen oder der Produktpräsentation (bspw. Label) dienen. Mit wenigen Ausnahmen fallen fast alle Warenkategorien in die Steuerpflicht, egal ob es sich um Verpackungsmittel selbst oder verpackte Waren handelt, z.B. in Kunststoffsäcken verpackter Dünger, in Plastikdosen befindliche Schrauben, in Blisterfolie verpackte Textilien usw. Zu beachten ist, dass neben der direkten Produktumschließung (Primärverpackung) auch Service- und Transportverpackungen (Sekundär- bzw. Tertiärverpackung) zu berücksichtigen sind.
Grundsätzlich umfasst die Steuer die nicht recycelten Plastikanteile („virgin plastic“) bzw. Plastik, hinsichtlich dessen kein Steuerbefreiungsgrund gegeben ist. Der Steuersatz beträgt 0,45 € pro Kilogramm steuerpflichtigen Kunststoffs.
Vereinfacht dargestellt greifen Steuertatbestände bei der zollrechtlichen Einfuhr (Angaben zu den Plastikanteilen und Befreiungen müssen in der Zollanmeldung deklariert werden), beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Sendungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten bzw. bei der Herstellung von steuerpflichtigen Waren in Spanien. Letztlich knüpfen steuerliche Pflichten an fast alle B2B-Lieferbeziehungen an, da die Bagatellgrenze pro Steuertatbestand nur 5 Kilogramm pro Monat beträgt.
Ein erheblicher Unterschied zur bereits seit April letzten Jahres bestehenden Plastikverpackungssteuer in Großbritannien besteht darin, dass in Großbritannien steuerbare Kunststoffe insbesondere dann steuerbefreit sind, wenn diese 30 % oder mehr recycelten Kunststoff enthalten. In Spanien dagegen ist auch eine Verpackung mit 99 % Recyclinganteil und 1 % Virginanteil mit letzterem grundsätzlich steuerpflichtig.
Wichtig ist das Verständnis, dass derzeit nur in Spanien ansässige Hersteller verpflichtet sind, die Details zur Plastikverpackungssteuer auf der Rechnung auszuweisen. Da aber die Käufer von Plastikverpackung bzw. verpackten Waren einen Rechtsanspruch darauf haben, dass der Verkäufer die Details mitteilt, sind die meisten Unternehmen in Spanien in der Situation, die Details zu steuerbaren Einwegkunststoffen aufzuzeichnen. Erhöhte Nachweispflichten gelten darüber hinaus für die Deklaration steuerbefreiter Plastikanteile recycelten Ursprungs.
Die Informationen und Nachweise sind in der Lieferkette wichtig, weil verschiedene Möglichkeiten der Nichtbesteuerung, Verrechnung bzw. Erstattung von Plastikverpackungssteuer bestehen, wenn steuerpflichtige Waren (im Regelfall verpackte Waren) aus dem spanischen Steuergebiet in Drittländer ausgeführt, in andere EU-Mitgliedstaaten verbracht oder bestimmte Steuerbefreiungen geltend gemacht werden wollen.
Wichtig ist weiterhin, dass die nunmehr in Spanien – und sinngemäß auch in Großbritannien – geltenden Plastikverpackungssteuern sich auf die komplette Liefer- bzw. Transaktionskette auswirken. Im Regelfall wird der Käufer ein „Produkt“ (Hauptware) erwerben und hat dabei keine (oder nur oberflächliche) Kenntnis darüber, wie dieses verpackt ist. Genau diese Informationen sind aber für die steuerpflichtige Partei u.a. dann erforderlich, um die gesetzlich verpflichtenden steuerlichen Aufzeichnungen zu führen, aus denen sich bei Überschreiten der Bagatellgrenze auch die Pflicht zur Steueranmeldung ableitet, oder um die zur Verrechnung/Erstattung nötigen Informationen und Nachweise (insbes. über die recycelten Plastikanteile) einzuholen. Die steuerpflichtige Partei muss also an den Verkäufer herantreten und die Daten erfragen. Im Regelfall erstreckt sich die Informationskette über mehrere Lieferanten hinweg bis hin zum Hersteller von Verpackungsprodukten. Der Prozess zur Einholung der zur Bemessung der Plastikverpackungssteuern erforderlichen Informationen kann im übertragenen Sinn mit dem Lieferantenerklärungsmanagement zur Mitteilung von Informationen zur Zollpräferenzqualifikation verglichen werden.
Grundsätzlich hatten sich steuerpflichtige Unternehmen bis Ende Januar 2023 bei den spanischen Finanzbehörden zu registrieren. Eine Vielzahl an Unternehmen muss diese Pflicht noch nachholen. Zu beachten ist, dass Steuerpflichtige in Spanien nach der Registrierung nicht nur die Steueranmeldung abgeben und selbstredend die Plastikverpackungssteuer abführen müssen, ab Juli 2023 sind auch die steuerlichen Grundaufzeichnungen (ein vorgegebener Datensatz, mit welchem steuerpflichtige Transaktionen in den Büchern aufzuzeichnen sind) bei den Steuerbehörden einzureichen. Die Grundaufzeichnungen für das erste Halbjahr 2023 sind dann auch nachzureichen.
Plastikverpackungssteuer in Großbritannien
Ganz ähnlich verhält es sich mit der zum 1.4.2022 eingeführten Plastikverpackungssteuer in Großbritannien. Die Steuerpflicht ergibt sich bei der Herstellung von steuerpflichtigen Verpackungsmaterialien in Großbritannien oder der Einfuhr ebendieser oder – und dabei handelt es sich um den Regelfall – bei der Einfuhr plastikverpackter Waren.
In Großbritannien gilt eine sehr großzügige Bagatellregelung. Die steuerliche Pflicht zur Registrierung und Steueranmeldung tritt erst ein, wenn mehr als 10 Tonnen steuerbarer Plastikverpackungsmaterialien hergestellt oder eingeführt werden. Dabei komme es einerseits auf die vergangenen 12 Monate an. Es ist außerdem zu beachten, dass sich Unternehmen bereits registrieren müssen, wenn die Wertschwelle innerhalb der kommenden 30 Tage überschritten werden wird. Die britische Finanzbehörde weist darauf hin, dass sich bislang deutlich weniger Unternehmen als erwartet registriert haben. Es ist auch hier davon auszugehen, dass ein nicht unerheblicher Anteil an Unternehmen noch nicht realisiert hat, dass eine Handlungspflicht besteht.
Zu beachten ist dabei, dass steuerliche Aufzeichnungs- und Nachweispflichten, ebenso wie Kontrollpflichten, auch für Unternehmen gelten, die aufgrund des Unterschreitens der 10-Tonnen-Grenze selbst nicht steuerpflichtig werden, um nachweisen zu können, dass diese Grenze nicht überschritten wurde.
Da die Plastikverpackungssteuern nationale Verbrauchsteuern sind – und Großbritannien aufgrund des BREXIT ohnehin nicht mehr Teil der EU ist – gelten jeweils eigenständige Tatbestände zur Definition des Steuergegenstands, Steuerbefreiungen, Aufzeichnungspflichten, den steuerlichen Deklarationspflichten usw. Für Unternehmen ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, alle relevanten Regelungen im Detail zu verstehen, um länderspezifische Beurteilungen vorzunehmen.
Der Steuertarif beträgt in Großbritannien seit dem 1.4.2023 pro Tonne steuerpflichtiger Plastik 210,82 GBP. Wie bereits angesprochen, gilt eine Steuerbefreiung, wenn steuerbare Materialien mindestens 30 % Recyclinganteil haben – und die entsprechenden Nachweise vorliegen.
Bei den britischen Regelungen ist zu beachten, dass steuerpflichtige Produkte auf der Ebene von „Komponenten“ beurteilt werden, d.h. eine Flasche für Apfelschorle besteht dann typischerweise aus drei Bestandteilen, dem Flaschenkörper, dem Deckel und dem Kunststoff-Label rund um den Flaschenkörper. Daneben sind bei der Lieferung die Ebenen Primär-, Sekundär- und Tertiärverpackung zu berücksichtigen, wobei bei Sendungen, die mit mehreren Waren bestückt sind, zumindest die Tertiärverpackung bei der Einfuhr nach Großbritannien unbeachtet bleiben kann (anders als bei Lieferungen nach Spanien).
Wie Spanien sieht auch Großbritannien Regelungen zur Verrechnung bzw. Gutschrift von Plastikverpackungssteuer vor, wenn steuerpflichtige Verpackungen bzw. verpackte Waren zu einem späteren Zeitpunkt ausgeführt oder zu steuerfreien Zwecken eingesetzt werden. In der Praxis ist die Inanspruchnahme der Vereinfachung für viele Unternehmen jedoch nach aktueller Rechtspraxis kaum zu leisten, da beispielsweise ein faktisches Gebot zum Nämlichkeitsnachweis besteht, da aus Großbritannien ausgeführte Sendungen/Waren exakt der vorangehenden Einfuhranmeldung zugeordnet werden müssen.
Es ist grundsätzlich gesetzlich vorgesehen, dass Angaben zur Plastikverpackungssteuer auf der Rechnung zu erfolgen haben. Das wurde jedoch auf Druck der Industrieverbände vorerst ausgesetzt, mittlerweile hat der Gesetzgeber mitgeteilt, von der Pflicht zum Rechnungsausweis abzusehen.
Bislang gehen viele britische Unternehmen recht pragmatisch mit der korrekten Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für die Plastikverpackungssteuer, der Führung von Aufzeichnungen, der Organisation von Nachweisen zur Inanspruchnahme von Steuerbefreiungen bzw. Kontrollprozessen um. Es verbleibt abzuwarten, mit welcher Intensität und Durchsetzungskraft die britische Finanzbehörde HRMC die gesetzlich vorgegebenen Anforderungen bzw. die zusätzlich durch die Finanzbehörde ergänzend veröffentlichten Formal- und Wohlverhaltenspflichten (durch die Festsetzung von Strafen, die Aberkennung der Steuerbefreiung, Verzinsung rückständiger Beträge etc.) einfordert. Aus heutiger Sicht ist unbedingt darauf hinzuweisen, dass die von der Behörde kommunizierte Erwartungshaltung zumindest auf dem Papier wenig Raum für Pragmatismus lässt, zuletzt wurde von der Behörde explizit auf das Risiko von Strafzahlungen und auch der möglichen steuerstrafrechtlichen Beurteilung hingewiesen.
Einwegkunststoffabgabe in Deutschland
In Deutschland soll eine Einwegkunststoffabgabe eingeführt werden, deren Lenkungszweck darin besteht, dass in Zukunft die Hersteller und Inverkehrbringer von Einwegkunststoffprodukten die Folgekosten von im öffentlichen Raum anfallenden Abfällen übernehmen. Umfasst werden je nach Produktkategorie die Aufwendungen für die Sammlung in öffentlichen Sammelsystemen, für Reinigungs- und Sensibilisierungsmaßnahmen sowie für die damit verbundene Datenerhebung. Die Einnahmen werden zur Finanzierung des „Systems Einwegkunststofffonds“ beim Umweltbundesamt verwendet bzw. aus diesem Fonds an die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgezahlt, die Aufgaben insbesondere bei der Sammlung und Reinigung durchführen bzw. Bewusstseinsbildung über die ordnungsmäßige Entsorgung entsprechender Kunststoffprodukte betreiben.
Die Regelung richtet sich an Pflichtige, die in Deutschland gewerbsmäßig bestimmte Einwegkunststoffe erstmals auf dem Markt bereitstellen oder diese unmittelbar aus dem Ausland über den Fernabsatz (insbes. eCommerce) an private Haushalte oder andere Nutzer in Deutschland verkaufen. Vorgesehen ist eine Registrierungspflicht für das noch einzurichtende Einwegkunststoffregister beim Umweltbundesamt ab dem 1.1.2024. Ab 2024 besteht auch die Pflicht zur Registrierung von Herstellern (Inverkehrbringern) und den Anspruchsberechtigten (u.a. die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger). Es wird auch möglich sein, eine Feststellung der Eigenschaft als Hersteller (Inverkehrbringer) bzw. der Einordnung von Waren als Einwegkunststoffprodukt zu beantragen.
Formal beginnt auch die Erhebung der Sonderabgabe zum 1.1.2024. Die Mengenmeldungen der Hersteller (Inverkehrbringer) sind dann Anfang 2025 einzureichen, dann werden auch die Sonderabgaben festgesetzt und die Festsetzungsbescheide mit Zahlungsaufforderung an die Pflichtigen versandt. Hieran schließt sich dann der weitere Prozess zur Ausschüttung der Kostenkompensation an die Anspruchsberechtigten an.
Die neue Abgabe soll insbesondere bestimmte Lebensmittelbehälter (insbes. für Speisen zum sofortigen Verzehr), bestimmte Tüten und Folienverpackungen mit bzw. für Lebensmittelinhalt, Getränkebehälter bis zu 3 Liter, Getränkebecher einschließlich Verschlüssen und Deckeln, bestimmte leichte Kunststofftragetaschen, Feuchttücher, bestimmte Luftballons, Tabakprodukte mit Filter bzw. Filter zur Verwendung in Kombination mit Tabakprodukten umfassen. Ab 2027 sollen auch Feuerwerke mit Plastikanteilen umfasst werden. Der Anwendungsbereich der Sonderabgabe ist beim Blick ins Detail sehr weit angelegt, insbesondere weil der Tatbestand der folienverpackten Lebensmittel enorm viele Produkte umfasst (u.a. Chips, Süßigkeiten und viele weitere Produkte).
Die Höhe der Einwegkunststoffabgabe wurde durch eine vom Umweltbundesamt beauftragte wissenschaftliche Studie vorgeschlagen. Es ist vorgesehen, dass beispielsweise Einwegbecher aus Plastik einer Abgabe von 1,23 € pro Kilogramm unterliegen, Feuchttücher unterliegen 0,06 € pro Kilogramm, bei Zigarettenfiltern fallen vorerst 8,95 € pro Kilogramm an.
Die fehlende oder nicht ordnungsgemäße Registrierung kann – wie bei den Regelungen im deutschen Verpackungsgesetz – zu einem Vertriebsverbot auf allen Ebenen der Lieferkette führen, sodass die Bereitstellung auf dem Markt bzw. der Verkauf untersagt wird. Daneben ist auch hier ein umfangreicher Katalog an Ordnungswidrigkeiten vorgesehen.
EY-Umfrage
Eine (nicht repräsentative) Umfrage von EY aus dem Herbst 2022 zeigt, dass in Deutschland mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen noch keine Maßnahmen in Bezug auf die Plastikverpackungssteuern der neuen Generation (Großbritannien, Spanien) ergriffen hatten. Ein Großteil gab an, dass sie die erforderlichen Angaben auf Lieferbelegen und Rechnungen aktuell nicht angeben können. Rund ein Drittel der befragten Unternehmen hatte keine Informationen zu den Gewichtsanteilen von virgin- bzw. recycelten Kunststoffen vorliegen. Die überwiegende Zahl der Unternehmen bekundete, dass zu diesem Zeitpunkt das zukünftige Prozess- und Technologiedesign noch nicht festgelegt war bzw. die Unternehmen noch am Anfang der Überlegungen standen. Die ordnungsgemäße Deklaration wird hauptsächlich durch fehlende Daten über die Gewichtsanteile von Verpackungen bzw. den recycelten Anteil beeinträchtigt, die entweder nicht verfügbar sind oder deren Erfassung und Verarbeitung in IT-Systemen noch nicht möglich ist.
Da mutmaßlich nur Unternehmen an der Umfrage teilgenommen haben, die sich zumindest anfänglich mit dem Thema Steuern auf Verpackungen auseinandergesetzt haben, ist zu erwarten, dass derzeit tatsächlich ein deutlich geringerer Anteil an Unternehmen über die Fähigkeiten verfügt, die neuen Regularien datenmäßig, prozessual organisiert und IT-unterstützt umzusetzen.
Eile ist geboten
Es ist keine Überraschung, dass der Verstoß gegen die steuerlichen Pflichten Konsequenzen haben kann (keine oder zu späte Registrierung für die Plastikverpackungssteuer, Steueranmeldungen werden nicht oder unvollständig abgegeben, Aufzeichnungen werden nicht oder unvollständig geführt, Nachweise liegen nicht vor oder sind inhaltlich/formell unzutreffend, Korrekturbedarfe werden nicht umgesetzt etc.).
In Großbritannien sind Verfahrensfehler mit Bußgeldern belegt, die nach einem komplexen System berechnet werden. Wenig präsent ist dabei, dass darüber hinaus stets auch der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum stehen kann und vergleichbar zu den Regelungen der deutschen Abgabenordnung auch in Großbritannien neben weiteren Geld- auch Freiheitsstrafen möglich sind.
Mit der Einführung der Plastikverpackungssteuer in Spanien wird die Praxisrelevanz für deutsche Unternehmen, die in Spanien präsent sind oder deren Waren in der Lieferkette nach Spanien gelangen, noch weiter erhöht. Viele Unternehmen befinden sich aktuell im Prozess, die zur Steuerabwicklung nötigen Informationen bei den Lieferanten anzufragen. Es gilt zu beachten, dass hier steuerlich relevante Informationen an Geschäftspartner mitgeteilt werden bzw. jegliche Änderungen unverzüglich mitgeteilt werden müssen, da es andernfalls zu Fehlern in der Steuerabwicklung kommt.
Die Plastikverpackungssteuern erfordern einen multidisziplinären Ansatz
Die Herausforderung für Unternehmen besteht einerseits in der fragmentierten Rechtslage. Neben der Einnahme von Finanzmitteln verfolgen die Plastikverpackungssteuern zwar dasselbe Ziel (Abfallreduktion, Stärkung der Kreislaufwirtschaft), die im jeweiligen Land angewandten Bestimmungen und Verfahren unterscheiden sich jedoch. Für Unternehmen führt dies zu einer erheblichen Komplexität in Bezug auf die aufzubauenden Prozesse und die Einholung, Verarbeitung und Pflege relevanter Datenelemente. Da es sich um Massenprozesse handelt und über kurz oder lang gesetzlich verpflichtend – oder aus Effizienzgründen vom Unternehmer so entschieden – Daten zur Plastikverpackungssteuer auf den Rechnungen bzw. Handelsdokumenten ausgewiesen werden (müssen), drängt sich für die meisten Unternehmen eine Integration der Daten und Prozesse in die betriebliche Datenverarbeitung (ERP) auf.
Die Umsetzung von Prozessen, IT-Unterstützung, Anpassungen von Verträgen, Anfragen bei Lieferanten, die Beurteilung der steuerlichen Behandlung bestimmter Verpackungen bzw. Befreiungstatbestände und viele weitere Handlungsbedürfnisse erfordern andererseits die Beteiligung eines breiten Spektrums an Unternehmensfunktionen von Steuern, Zoll, Einkauf, Vertrieb, Produktmanagement, Nachhaltigkeit, Recht, IT über Logistik/Supply Chain hin zu Schnittstellen in weiteren Abteilungen. Die erforderliche Abstimmung der Projekt- und Prozessverantwortungen ist aufgrund der Erfahrungen sehr zeitaufwendig.
Die vollumfängliche Umsetzung der Handlungsbedarfe zur Abwicklung der Plastikverpackungssteuern wird im einfachsten Fall mehrere Monate in Anspruch nehmen – bei komplexen Unternehmen können Projekte einen mehrjährigen Zeitraum erfordern. Auf diesem Weg sind dann abgestuft Übergangsmaßnahmen und das Arbeiten mit Vereinfachungen und Annahmen nötig, die im Ergebnis aber naturgemäß gewisse Rechtsrisiken und spätere Korrekturbedarfe mit sich bringen.
Fazit
Die neuen Plastikverpackungssteuern sind nun eine Realität, mit der sich Unternehmen auseinandersetzen müssen. Es ist dringlich, die eigene steuerliche Betroffenheit und Handlungserfordernisse (steuerliche Klassifizierung der Verpackungen, Registrierung, Steueranmeldung, Aufzeichnungen, Datenanforderungen etc.) zu prüfen. Vielleicht besteht aber für Unternehmen ohne eigene Pflichtenstellung Handlungsbedarf, schlicht weil Geschäftskunden für die Steuerabwicklung relevante Daten anfragen bzw. damit zu rechnen ist. Nur für wenige Unternehmen stellen die Kosten für die Plastikverpackungssteuern eine materiell-bedeutsame Zusatzbelastung dar. Die Herausforderung liegt für die meisten Unternehmen im effizienten Prozess- und Datenmanagement, um Prozesskosten durch weitgehende Automatisierung in den Datenverarbeitungssystemen zu optimieren.
Links:
Zentrale Stelle Verpackungsregister
Öffentliche Verpackungsregister der ZSVR
Die neuen Plastikverpackungssteuern (mit Details zum Workshop von EY)
Dieser Beitrag ist ursprünglich erschienen im Informationsdienst „Der Zoll-Profi!“ – Digitaler Infodienst zu Export, Import und Steuern, Reguvis Fachmedien, Köln