Kommentar

Der Kapitalismus frisst seine Kinder: Big Four als Spekulationsobjekt

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Vielleicht hätte Ernst & Young besser einen anderen Namen für sein Anfang 2022 bekannt gewordenes und dann rüde gestopptes, 100 Millionen teures Aufspaltungsprojekt wählen sollen: „Kronos“ statt „Everest“. Der Titan hat laut griechischer Mythologie seine eigenen Kinder gefressen. Und auch der Appetit des Kapitalismus scheint nun geweckt.

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Wenn es eine Macht gibt, die für den Kapitalismus in allen seinen Höhen und Tiefen steht, dann sind es Private-Equity-Häuser. Sie wittern den Markt und die Gelegenheit. Sie kennen weder Ideologie noch Tabus. Ohne die rasche Reaktion von Private-Equity-Investoren wäre die Klimawende nicht zu schaffen. Die Schnelligkeit, mit der Investoren sich auf die Entwicklung hin zu einem klima- und emissionsneutralen Wirtschaften gestürzt haben, ist beeindruckend – gerade weil Politik, Öffentlichkeit und auch manche Unternehmen dieser Entwicklung manchmal noch eher skeptisch als euphorisch gegenüberzustehen scheinen. PE-Häuser steuern das Geld bei, um neue lukrative Ideen mit Leben zu füllen, und sie suchen und finden diese Ideen überall. Anscheinend jetzt auch im Bereich der Steuerberatungen.

Insofern ist es schon ein Indikator, wenn eines der größten PE-Häuser der Welt, TPG Capital, der Big Four Gesellschaft EY nun laut Financial Times ein unmoralisches Angebot macht: ‚Wenn Ihr Eure Abspaltungspläne wieder auf die Tagesordnung setzt, dann steigen wir bei Euch ein‘ – überspitzt ausgedrückt und paraphrasiert. Wir sprechen hier wohlgemerkt von einem Einstieg in die Beratungsgesellschaft, nicht in die Prüfungsgesellschaft. Denn dort sehen die PE-Strategen offenbar das Geld und den großen Gewinn. Diese Entwicklung ist insbesondere für die Partnerschaft bei EY zweischneidig. Denn TPG Capital macht keinen Hehl daraus, was das Ziel dieses Angebots ist – nämlich der Börsengang. Ein solcher war zwar auch das Ziel im ursprünglichen Everest-Konzept, das die Mehrzahl gerade der deutschen EY-Partner zu unterstützen schien. Doch aus dem Munde eines PE-Hauses klingt ein Börsengang doch nochmal anders. Denn der Weg an den Kapitalmarkt soll sich aus der PE-Warte gerade dadurch lohnen, dass man sich am Markt um die Aktien reißt und diese im Wert steigen, so dass eine Beteiligung am Ende auch gewinnbringend wieder verkauft werden kann. Käufe und Verkäufe von Beteiligungen bedeuten dann aber auch die Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse bei den Aktionären und vor allem eine Bedeutungsverschiebung hin zu den Aktionären.

Welche Auswirkungen solche Pläne haben können, zeigt sich bei BDO USA, wo nun die Private-Equity-Gesellschaft Apollo Global Management der Beratung mit 1,3 Milliarden Euro eine gewaltige Finanzspritze verpasst hat. Die Bedingung dafür: BDO USA hatte sich im vergangenen Monat in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und die 860 Partner zu Belegschaftsaktionären gemacht. Damit ist aber auch der Partnerstatus vergangener Tage nur noch eine Reminiszenz.

Partner sind dann nicht mehr idealtypisch selbstverantwortliche, eigenaktive Unternehmer und Teilinhaber mit einem nur auf sie eingeschworenen Team – ein Bild, wie man es gerade in den deutschen MDPs noch häufig findet. Partner sind dann nur noch so etwas wie Manager oder Abteilungsleiter in einem großen, global agierenden Dienstleistungsunternehmen – und eben Aktionäre unter vielen anderen Aktionären. Damit würde die PE-Beteiligung auch das Ende der klassischen Partnerrolle einläuten.

Anm. d. Red. vom 17.08.2023: Wir haben den Text im 3. Absatz geändert.

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