Der Erlass sieht neue Kriterien für die Bestimmung des steuerlichen Wohnsitzes von Expatriates vor. Demnach gelten deutsche Fachkräfte im Ausland weiterhin als in Deutschland steuerpflichtig, wenn sie eine Rückkehrzusage haben, ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten oder Mitglied in einem örtlichen Verein oder einer Partei bleiben. Dies kann zu einer Doppelbesteuerung führen, da diese Personen sowohl im Tätigkeitsland als auch in Deutschland Steuern zahlen müssten. Die geplante Neuregelung könnte bis zu 1,9 Millionen im Ausland arbeitende Deutsche betreffen.
Rückwirkung stellt Unternehmen unter Steuerhinterziehungsverdacht
Besonders brisant: Nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ soll der Erlass ungewöhnlicherweise rückwirkend gelten. Das könnte zu erheblichen Nachforderungen und administrativen Herausforderungen für die betroffenen Fachkräfte und deren Arbeitgeber führen und diese mit zusätzlichen steuerlichen Verpflichtungen konfrontieren. So könnte der Erlass dazu führen, dass Unternehmen ihre Expatriates weiterhin in Deutschland besteuern müssen. Dem steht entgegen, dass Arbeitgeber – in erster Linie aus datenschutzrechtlichen Gründen – die persönlichen Lebensumstände ihrer Mitarbeitenden häufig nicht kennen oder speichern dürfen. Die entsendenden Unternehmen riskieren damit fehlerhafte Steuererklärungen.
Zudem soll der Erlass rückwirkend für alle noch offenen Fälle bei den Finanzämtern gelten. Dies bedeutet, dass alle offenen Steuerfälle seit diesem Jahr nach den neuen Regelungen behandelt werden müssen. In der Konsequenz könnten Unternehmen für bisher korrekte Steuerabgaben nun rückwirkend belangt werden, wenn sie die neuen Kriterien nicht erfüllen.
Kritik aus der Industrie
Die Spitzenverbände der Wirtschaft, insbesondere der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), kritisieren laut „Wirtschaftswoche“ den Vorstoß des BMF und drängen auf eine Überarbeitung des Erlasses. Sie bemängeln, dass die Neuregelung ohne die übliche Anhörung der betroffenen Verbände in Kraft getreten sei und die steuerlichen Regelungen unnötig komplex mache. Der BDI fordert eine Revision, um Besteuerungskonflikte und drohende Doppelbesteuerungen zu vermeiden.
Bisherige Regelung
Grundsätzlich regeln internationale Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) die Besteuerung von Expatriates zwischen zwei Ländern. DBA zielen darauf ab, eine doppelte Besteuerung von Einkommen zu verhindern. Grundsätzlich zahlen Expatriates Steuern in dem Land, in dem sie arbeiten und ihren Lebensmittelpunkt haben. Ein wichtiger Bestandteil vieler DBA ist die 183-Tage-Regel. Sie besagt, dass eine Person in dem Land als steuerlich ansässig gilt, in dem sie sich während eines Kalenderjahres mindestens 183 Tage aufhält.
Anm. d. Red.: Wir haben den Artikel am 29.05.2024 korrigiert.