Steuerpolitik

„Steuergestaltungsmöglichkeiten sind keine ‚Schlupflöcher‘“

Immer wieder werden Stimmen laut, die höhere Abgaben über die Erbschaft- und Schenkungsteuer fordern – auch mit Blick auf großzügige und weitgehend steuerfreie Schenkungen Hochvermögender an ihre Angehörigen. Es geht alles mit rechten Dingen zu, sagt Prof. Dr. Andreas Söffing, Partner bei Flick Gocke Schaumburg. Der Bundestagsabgeordnete Jörg Cezanne und seine Partei Die Linke fordern dagegen eine erneute Erbschaftsteuerreform – und eine Vermögensteuer. Ein Streitgespräch.

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Jörg Cezanne
Jörg Cezanne

JUVE Steuermarkt: Vor wenigen Monaten hat Friede Springer, Großaktionärin der Axel Springer SE, dem Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner ein riesiges Aktienpaket im Wert von rund einer Milliarde geschenkt – offenbar weitgehend steuerfrei. Das kam in der breiten Öffentlichkeit nicht gut an. Verstehen Sie die Aufregung?
Jörg Cezanne: Die verstehe ich sehr gut. Im Zuge der Erbschaftsteuerreform im Jahr 2016 wurde die Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer bis 90 Millionen Euro festgelegt. In diesem Fall lag die Summe der Schenkung deutlich darüber. Trotzdem gab es offenbar verschiedene Möglichkeiten, enorme Summen an anfallenden Steuern zu vermeiden. Zwar sind keine Details bekannt, aber Döpfner konnte möglicherweise den sogenannten Vorab-Abschlag für qualifizierte Familienunternehmen gemäß Paragraf 13a Abs. 9 ErbStG zur Steuersenkung nutzen – unter anderem. Jedenfalls musste er am Ende wohl nur mit der Hälfte seines Privatvermögens für das geschenkte Aktienpaket einstehen. Das ist aus Sicht der Linken eine erhebliche steuerliche Ungerechtigkeit.

Andreas Söffing
Andreas Söffing

Andreas Söffing: Zu einem konkreten Einzelfall möchte ich mich nicht äußern. Aber, ganz generell: Wir leben in einem Rechtsstaat, in dem auch die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf der Basis von Gesetzen ermittelt und festgesetzt wird. Im Einzelfall mag die Höhe der Steuerbelastung mit persönlichen Gerechtigkeitsmaßstäben nicht vereinbar sein. Gefühle oder persönliche Gerechtigkeitsmaßstäbe erlauben es aber nicht, den gesetzlich vorgegebenen Rahmen zu verlassen. Die Gesetzeslage sieht für kleinere und mittlere sowie auch für große Unternehmensvermögen steuerliche Begünstigungen vor, was das Bundesverfassungsgericht im Übrigen akzeptiert beziehungsweise sogar vorgegeben hat. Bei Großvermögen gelten verschärfte Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Vergünstigungen, um den Anforderungen des Gemeinwohls gerecht zu werden. Wenn diese Anforderungen erfüllt sind, dann können sehr wohl auch Großunternehmen, auch bei einem Wert von über 90 Millionen Euro, diese Vergünstigungen in Anspruch nehmen.

Lässt das aktuelle Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) zu viele Schlupflöcher zur Steuerreduzierung offen?
Söffing: Die seit dem 1.7.2016 zur Anwendung kommenden erbschaft- und schenkungsteuerlichen Begünstigungen für Unternehmensvermögen enthalten eine Vielzahl sehr strenger Anwendungsvoraussetzungen und nachfolgender Behaltefristen, mit deren Hilfe eine unsachgerechte Nutzung der Vergünstigungen ausgeschlossen werden soll. Ferner ist damit sichergestellt, dass die mit der Verschonung angestrebten Gemeinwohlziele auch nachhaltig erfüllt werden. Im Rahmen des Lohnsummentests geht es hierbei insbesondere auch um die Erhaltung von Arbeitsplätzen. Die Nutzung der vom Gesetz in diesem Rahmen vorgesehenen Handlungsmöglichkeiten ist nichts Verwerfliches, und diese Handlungsmöglichkeiten können sicherlich nicht als „Schlupflöcher“ bezeichnet werden.
Cezanne: Selbst das Bundesverfassungsgericht hat 2014 im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer von „Subventionierungen des Großkapitals“ gesprochen. Die CDU/SPD-Regierungskoalition hat diese dann mit der Erbschaftsteuerreform 2016 aber nicht vollständig unterbunden. Die Verschonung großer Vermögen ist ganz offensichtlich weiterhin in erheblichem Umfang möglich und erfolgt de facto ja auch. Insofern: Ja, es gibt nach wie vor zu viele Möglichkeiten, die Steuerlast im Fall einer Erbschaft oder Schenkung zu reduzieren.

Als Alternative sieht die Partei von Herrn Cezanne die Vermögensteuer.
Söffing: Mit der Einführung einer Vermögensteuer würden schwierige Fragen und Probleme, die sich heute im Zusammenhang mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer stellen, in den Bereich der Vermögensteuer verlagert und dort auch noch verschlimmert. So wird Unternehmensvermögen immer begünstigt werden müssen, egal ob bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer oder bei der Vermögensteuer. Dies hat zur Folge, dass die komplizierten und streitanfälligen Abgrenzungsfragen zwischen begünstigtem Betriebsvermögen einerseits und nicht begünstigtem Vermögen andererseits auch bei der Anwendung der Vermögensteuer geklärt werden müssten. Ferner wäre eine permanente Bewertung sämtlicher Vermögensgegenstände erforderlich, um die vermögensteuerliche Bemessungsgrundlage ermitteln zu können, was mit einem erheblichen Aufwand und einer großen Streitanfälligkeit verbunden wäre. Gegen eine Vermögensteuer spricht auch die nicht unmittelbar an der Leistungsfähigkeit orientierte Substanzbesteuerung, die von den Steuerpflichtigen aus versteuerten Einkünften oder aus der Substanz finanziert werden müsste.
Cezanne: Die Linke fordert sowohl die Vermögen- als auch die Erbschaftsteuer gleichermaßen. Und eigentlich gibt es die Vermögensteuer ja bereits, sie ist aber seit 20 Jahren ausgesetzt. In den vergangenen Jahren ist es nicht gelungen, die Kluft zwischen Arm und Reich wesentlich zu verringern. Deshalb halten wir diesen Umverteilungsfaktor sowohl bei den Vermögen als auch den Erbschaften für eine relevante Zielstellung in der heutigen Gesellschaft. Im Übrigen wollen wir durchaus einen Freibetrag: Privatvermögen bis zu einer Million Euro sollen steuerfrei sein.
Söffing: Im aktuellen Niedrigzinsumfeld führt dieser Vorschlag zu einer erheblichen Substanzbesteuerug. Eine permanent anfallende Vermögensteuer führt gemeinsam mit der im Erb- und Schenkungsfall anfallenden Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie mit dem heute bei Banken anfallenden Verwahrentgelt zu einer Vernichtung des Vermögens. Da geht es dann nicht mehr um eine an der Leistungsfähigkeit orientierten Finanzierung des Staates, sondern um die Umverteilung des Vermögens.

Ließe sich die Erbschaftsteuer überhaupt so ausgestalten, dass es am Ende keine Kritikpunkte mehr gibt? 
Söffing: Eine optimale Lösung wird es nie geben, da – wie diese Diskussion schon zeigt – politisch sehr unterschiedliche Anforderungen an das Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz gestellt werden.
Cezanne: Da stimme ich Herrn Söffing zu: Eine langfristige Lösung, die alle zufriedenstellt, wird es nicht geben. Gesetze sind ja immer auch der Zwischenstand einer gesellschaftlichen Debatte, und bei Einkommensteuer- und Erbschaftsteuerfragen prallen unterschiedliche Interessen und Wertvorstellungen besonders hart aufeinander. Vieles an der Erbschaft- und Schenkungsteuer ließe sich nachvollziehbarer und einfacher gestalten. Eine Befriedung wäre aber immer nur zeitweilig.

 Das Gespräch führten Annika Janßen und Jörn Poppelbaum.

 

 

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