RSM Ebner Stolz freut sich: „Mit über 500 Transaktionen begleitete die Gesellschaft deutlich mehr Unternehmenskäufe und -verkäufe als in den Vorjahren“, ließ die Next-Six-Gesellschaft kürzlich in einer Pressemitteilung verlauten. RSM steht damit zwar nicht alleine da. Trotzdem ist die positive Entwicklung bei der MDP-Einheit in Sachen Transaktionsarbeit durchaus als antizyklisch zu bewerten. Zumindest, wenn man sich die nackten Zahlen anschaut.
In einer Untersuchung kommt die Unternehmensberatung Bain zu dem Ergebnis, dass das M&A-Dealvolumen im vergangenen Jahr weltweit um 15 Prozent auf 3,2 Billionen Dollar gesunken ist. Der Bain-Untersuchung zufolge handelt es sich hier um „den niedrigsten Wert in den vergangenen zehn Jahren“. Neben steigenden Zinsen und konjunkturellen Unsicherheiten macht Bain einen fast banalen Faktor für die Flaute aus: Die meisten Deals sind aufgrund unterschiedlicher Preisvorstellungen gescheitert.
Ganz ähnlich sieht es die Gemengelage auch hierzulande aus. Trotzdem: Bei den M&A-Aktivitäten auf dem deutschen Markt lohnt ein differenzierter Blick. Das wird auch in diversen Gesprächen mit Steuerberatern und Steuerjuristen klar, die sich in Bezug auf das vergangene Jahr überraschend uneins waren. Einige Gesellschaften berichten davon, dass das Geschäft mit Transaktionen – zumindest im Gegensatz zu den Vorjahren – quasi zum Erliegen gekommen ist. Andere wiederum, wie etwa RSM Ebner Stolz, sprechen von vollen Auftragsbüchern. „Ich kann keine Änderung zu den Vorjahren wahrnehmen“, berichtet etwa der Partner einer anderen mittelgroßen Beratungseinheit.
Die unterschiedliche Stimmung ist zwar überraschend, aber durchaus mit Zahlen belegbar. Die M&A-Beratung Oakley hat die Marktaktivitäten 2023 für Deals mit deutscher Beteiligung untersucht. Das Ergebnis: Insgesamt verzeichnete Oakley 2.618 abgeschlossene bzw. angekündigte Transaktionen mit deutscher Beteiligung (Stand: 13.12.2023). „Trotz eines anspruchsvollen Marktumfeldes war das Transaktionsgeschäft überraschend stabil. Der Rückgang der Transaktionsaktivität im Vergleich zum Vorjahr 2022 ist deutlich geringer ausgefallen als von vielen Branchenexperten erwartet“, heißt es in der Untersuchung weiter. Im Jahresverlauf verzeichnet die M&A-Beratung insgesamt 116 Transaktionen weniger als 2022.
Verschiedene Blickwinkel
Dabei differenziert die Beratung ihre Beobachtungen nach In- und Outbound- sowie rein innerdeutschen M&A-Transaktionen. Der Rückgang der Transaktionsaktivität im Vergleich zum Vorjahr sei demnach vor allem durch die Verringerung der Inbound-Cross-Border-Transaktionsaktivität zu erklären (Inbound: 167 Deals weniger, ein Minus von 16,7 Prozent; Outbound: 34 Deals weniger, ein Minus von 4,8 Prozent). Der innerdeutsche M&A-Markt habe seine Stärke bewiesen und ist mit 82 Deals (ein Plus von 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr) sogar gewachsen. Im Gegensatz dazu stellen die Analysten von Oakley fest: „Historisch starke Käuferländer wie die USA (-17,3 Prozent) oder Großbritannien (-27,5 Prozent) haben sich im vergangenen Jahr deutlich zurückgehalten“.
Diese Beobachtungen decken sich mit denen der Wirtschaftskanzleien und Steuerberatungsgesellschaften. Vor allem große Private-Equity-Deals mit grenzüberschreitenden Aktivitäten gab es entsprechend weniger. Anders verhält es sich bei strategischen Investoren. „Wir sehen verstärkt, dass Strategen zu- und verkaufen – vor allem auch innerhalb von Deutschland“, sagt der Partner einer Next-Six-Gesellschaft.
Das gilt freilich nicht für Zukäufe ausländischer Investoren und Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC). „Aufgrund erschwerter Finanzierung und angestiegener Geschäftsrisiken haben vor allem strategische Investoren Investitionen in nennenswertem Umfang aufgeschoben“ heißt es von Seiten der Big-Four-Gesellschaft. Ausländische Private-Equity (PE)-Investitionen kehrten an den Markt zurück, investierten aber mit Abstand weniger als in den Vorjahren. Trotzdem: „Der Anteil der M&A-Transaktionen mit PE-Beteiligung wird bis Jahresende 2023 voraussichtlich auf 43,6 Prozent steigen und liegt über dem 4-Jahres-Niveau“, so PwC.
Zu tun gab es für steuerliche Transaktionsberaterinnen und Berater also allemal: Für (mediale) Aufmerksamkeit sorgte vor allem der Verkauf des Climate Solutions-Geschäfts von Viessmann an Carrier Global. Hier waren sowohl auf Käufer- (Linklaters) als auch Verkäuferseite (Hengeler Mueller) zwei Schwergewichte aus dem Rechtsmarkt beschäftigt. Deloitte wiederum übernahm nach JUVE Steuermarkt-Informationen die Vorbereitung des Tax Fact Books. Dentons beriet in diesem Zusammenhang die eingespannten W&I-Versicherungen.
Keine wirkliche Flaute
Marktführerin EY konnte ihre Stärken beispielsweise erneut bei diversen Transaktionen mit PE-Bezug aus dem Mid- und Large-Cap-Segment unter Beweis stellen. So beriet die Big Four unter anderem Blackstone beim Verkauf von Schenck Process an Hillenbrand, EQT bei diversen An- und Verkäufen und Bridgepoint bei einigen Add-on-Transaktionen. Wettbewerberin PwC wiederum zeigte sich vor allem stark bei der Beratung strategischer Investoren und beriet unter anderem Apollo bei der Beteiligung an einem Vonovia-Portfolio sowie Leoni bei der Restrukturierung und Refinanzierung.
Immobilientransaktionen fanden zwar statt. Die makroökonomischen Bedingungen lassen große Transaktionen aber nach wie vor nicht zu. Selbst sehr aktive Einheiten wie PwC, Clifford Chance oder auch White & Case berieten hier zuletzt weniger als in den Jahren zuvor.
Das Geschäft im deutschen Mittelstand florierte aber weiterhin. So lässt sich auch die gute Stimmung bei RSM einordnen. Next-Six-Gesellschaften wie eben RSM Ebner Stolz und Rödl, aber auch Flick Gocke Schaumburg und WTS zeigten sich auch hier zuletzt wieder sehr aktiv und waren sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite aktiv. „Unser Wachstum haben wir vor allem sehr anspruchsvollen Neubeauftragungen im Kontext zu Pillar II, der Nachfolgeberatung, Family Offices sowie einem sehr intensiven Transaktionsgeschäft in 2023 zu verdanken“, sagte Rödl-Steuerchef Hans Weggenmann zum Erfolg des vergangenen Geschäftsjahres.
Einig sind sich die meisten ohnehin, dass das M&A-Geschäft 2023 nicht wirklich als Flaute zu bezeichnen ist. Im Gegenteil: „Wir haben nun etwas Luft zum Atmen und sind trotzdem mehr als ausgelastet“, sagt der Partner einer US-Kanzlei. Soll heißen: Die Zeit nach Corona brach auch statistisch gesehen alle Rekorde und verlangte steuerlichen Transaktionsberatern alles ab. Der Fachkräftemangel zwang viele Einheiten dazu, Geschäft abzulehnen. Dies war nun – zumindest bei Transaktionen – zuletzt nur noch vereinzelt der Fall.