Die Pläne von NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Bündnis 90 / Die Grünen) sehen eine Aufsplittung der Abteilung vor. Etwa die Hälfte der Cum-Ex-Verfahren sollen demnach in eine zweite, neue Hauptabteilung wandern. Beide Abteilungen sollen parallel organisiert sein und je eigene Abteilungsleiter bekommen, wie Limbach am Mittwoch dem Rechtsausschuss des NRW-Landtags mitteilte.
Als maßgeblichen Grund gab er an, die leitende Cum-Ex-Ermittlerin Brorhilker entlasten zu wollen: „Es ist für einen zu viel. Es geht darum, die Arbeit auf mehr Schultern zu verteilen und zu vermeiden, dass die Taten verjähren“, so Limbach. Weiter betonte er, Brorhilker genieße sein Vertrauen und habe hervorragende Arbeit geleistet. Sie sei „eine hervorragende Ermittlerin“.
Die Hauptabteilung war unter Limbachs Amtsvorgänger Peter Biesenbach (CDU) eingesetzt worden und kümmert sich um 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren mit 1.700 Beschuldigten. Die Abteilung wuchs kontinuierlich auf aktuell 32 Staatsanwälte an und ist somit die größte Abteilung Nordrhein-Westfalens. Brorhilker erntete für ihre Arbeit und die ihrer Abteilung Lob aus vielen Richtungen.
Der Vorschlag zur Umstrukturierung war zuerst vom neuen Chef der Kölner Staatsanwaltschaft, Stephan Neuheuser, vorgebracht worden. Sein Vorgänger Joachim Roth hatte im Vorfeld der Umstrukturierung seinen Hut genommen und sich in den vorzeitigen Ruhestand verabschiedet.
Neuheuser entschied nun, Ulrich Stein-Visarius als zukünftigen Leiter der zweiten Abteilung zu holen. Er soll gleichberechtigt neben Brorhilker stehen. Zukünftig soll die erfahrene Staatsanwältin ihre Ermittlungsstrategie mit Stein-Visarius abstimmen, im Zweifel soll Neuheuser entscheiden. Bislang hat Stein-Visarius keinerlei Erfahrung mit Cum-Ex-Verfahren.
Brorhilker faktisch entmachtet
Das Handelsblatt berichtete gestern von einer nichtöffentlichen Stellungnahme Brorhilkers, in der sich die Oberstaatsanwältin zu den jüngsten Vorkommnissen äußere. Ein Insider berichtete, sie habe die Aussagen Limbachs als „widersprüchlich, irreführend und verzerrend“ beschrieben. Hauptsächlich reagierte sie auf die scharfe Kritik, die der Minister in einer Rede vor dem Rechtsausschuss des Landtags am 16. August geäußert hatte.
Die Oberstaatsanwältin war in die Pläne zur Umstrukturierung ihrer Abteilung nicht eingebunden. Sie sei lediglich mündlich darüber in Kenntnis gesetzt worden, wie es in ihrer Stellungnahme heißen soll. Auch sei sie besorgt, was eine Aufteilung für das bislang einheitliche Ermittlungskonzept bedeuten könne.
Kritik an den Plänen kommt von mehreren Seiten. So hatte sich der zuständige Generalstaatsanwalt gegen die Umstrukturierung ausgesprochen. Deutliche Worte fand auch Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende: Limbach habe „der Aufklärung von Cum-Ex einen schweren Schlag versetzt“. „Dass [Brorhilker] jetzt viele Fälle an einen in Materie und Rechtsgebiet unerfahrenen Juristen abgeben soll, ist ein Knüppel zwischen die Beine der ermittelnden Staatsanwälte. Konflikte und Verzögerungen sind hier vorprogrammiert.“
Hickhack um die Herausgabe von Akten als Auslöser
Justizminister Limbach hatte vor dem Justizausschuss im August Kritik an der Kölner Staatsanwaltschaft geübt. Auslöser war ein Streit mit dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft. Der Ausschuss soll klären, ob führende SPD-Politiker Einfluss auf die steuerliche Behandlung der Privatbank M.M. Warburg genommen hatten, als der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Erster Bürgermeister der Hansestadt war.
In diesem Zusammenhang sah Limbach große Versäumnisse seitens der Kölner Staatsanwaltschaft und bewertete die Unterstützung des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses als mangelhaft. So seien Akten äußerst zögerlich und erst nach Intervention seines Hauses herausgegeben worden, obwohl schon Monate zuvor ein Antrag diesbezüglich gestellt worden sei. Das Justizministerium sei teilweise zu spät, teilweise gar nicht informiert worden. In der vergangenen Woche waren weitere Cum-Ex-Unterlagen, darunter der Inhalt einiger E-Mail-Fächer, freigegeben worden.
Die Vorwürfe soll Brorhilker nun in ihrer Stellungnahme zurückgewiesen haben: Die Dokumente seien dem Ministerium nicht erst Anfang Juli, sondern schon im Frühjahr 2023 zur Verfügung gestellt worden. Dies habe Oberstaatsanwalt Marc Sotelsk, der am 4. Juli persönlich nach Köln geschickt wurde, um die Dokumente einzuholen, bestätigt, so das Handelsblatt weiter.
Brorhilker spielte den Ball zurück: Das Düsseldorfer Justizministerium habe die Herausgabe von Dokumenten verzögert, die Verantwortung liege nicht in Köln. Indes bleibt auch der Untersuchungsausschuss weiterhin unzufrieden: Die Daten, die man angefordert habe, seien auch nach nunmehr über einem Jahr nicht in Hamburg eingegangen.
(mit Material von dpa)