Sowohl die Beraterschaft und Verbände als auch die Wissenschaft sehen die Anzeigepflicht für bestimmte Steuergestaltungen äußerst kritisch. Die finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Lisa Paus, hält dagegen: „Wir haben eine extrem komplizierte und gestaltungsanfällige Steuergesetzgebung in Deutschland und die Anzeigepflicht könnte hier mehr Transparenz und Rechtssicherheit für alle Beteiligten schaffen“, sagte sie im JUVE-Interview.
Wortgeplänkel der Politik
Die Anzeigepflicht ist für die Politikerin ein zentraler Baustein für mehr Steuergerechtigkeit. Ohnehin betreffe das Gesetz nur Hochvermögende und einige Top-Berater.
Die Gestaltungen und Modelle, um die es geht, könnten sich häufig nur einige wenige leisten und seien damit ungerecht. „Bei all dem reden wir eben nicht über das Gros der Steuerpflichtigen, sondern nur über eine kleine Anzahl“, so Paus. „Uns geht es vor allem darum, die Steuergestaltungsindustrie einzudämmen, die gezielt versucht, vom Gesetzgeber ungewollte Lücken auszunutzen.“ Auch zu den Kammern und Verbänden hat die Politikerin eine klare Meinung: „Diese schaffen ein Zerrbild der Anzeigepflicht.“
Das sieht Steuerprofessor Roman Seer ganz anders. Gegenüber JUVE macht er deutlich, dass das Gesetz „einen ganzen Berufsstand auf erhebliche Weise“ belaste. Die Anzeigepflicht werde sich als Problem für nahezu jeden Anwalt und Steuerberater entpuppen, ist er überzeugt. „Dass die Anzeigepflicht nur einen kleinen Kreis Hochvermögender betrifft, ist typisches Wortgeplänkel der Politik, um das Gesetz zu rechtfertigen“, so Seer.
Auch was die Wahrung des Berufsgeheimnisses angeht, gehen die Meinungen der Politikerin und des Wissenschaftlers stark auseinander.
Kein Geheimnisverrat
„Mit der Anzeigepflicht wird in die Berufsfreiheiten der Steuerberater und Anwälte eingegriffen“, sagt Seer. Zwar bleibe das Mandantengeheimnis gewahrt, wenn aus der Art der Gestaltung keine Rückschlüsse auf den einzelnen Mandanten gezogen werden können. „Unbeschadet dessen wird aber das Berater-Mandatsverhältnis durch eine rechtsunsichere Anzeigepflicht auf wohl unverhältnismäßige Weise beeinträchtigt“, ist der Professor überzeugt.
Grünen-Politikerin Paus ist der Meinung, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant geschützt bleibt. „Es geht in diesem Punkt nicht um Geheimnisverrat“, meint sie. Denn es sollten eben keine Informationen über einzelne Mandanten an die Behörden weitergeleitet werden. „Gemeldet werden müssten vor allem die Modelle, die die Berater entwickeln, ausbauen und dann mehreren Mandanten anbieten.“ (Daniel Lehmann)