Kommentar

Zahlen und Daten statt Paragraphen: Die Digitalisierung macht Steuerfunktionen zu Geldquellen

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Mittels Digitalisierung können Steuerfunktionen gleichzeitig Unternehmen dabei helfen, Geld zu sparen und zusätzliches Geld einzunehmen. Sie werden von Cost- zu Profitcentern. Wie disruptiv diese Erkenntnis wirken kann, ist vor allem bei Steuerjuristen noch nicht wirklich angekommen.

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Dr. Ulrike Schramm, Steuerchefin von Continental, sagt im Interview mit JUVE Steuermarkt nichts anderes, als dass sich die Rolle der Steuerfunktion in Unternehmen grundlegend gewandelt hat: von einer rückwärtsgewandten, am Ende der Prozesskette stehenden Schnittstelle zum Finanzamt, deren einzige Aufgabe die Wahrung von Rechtskonformität gegenüber den Finanzbehörden darstellte, hin zu einer vorgelagerten Entscheidungseinheit, die wesentlichen Einfluss auf die Wertschöpfung und Strategie von Unternehmen hat.

Letztere Rolle, nämlich a priori Entscheidungen beeinflussen zu können, war in der Steuerwelt im Grunde bisher nur einer Person vorbehalten: dem berühmten Consigliere im Private-Clients- und Familienunternehmensumfeld, der – meist als Anwalt und Steuerrechtler – oft über Jahrzehnte und Generationen hinweg in Form eines unternehmerischen Sparringspartners die Eigner von Familienunternehmen in ihren zentralen Entscheidungen beriet und begleitete.

Zünglein an der Waage von Unternehmensentscheidungen

Dessen Funktion als Zünglein an der Waage von Unternehmensentscheidungen nehmen nun zunehmend ausgerechnet diejenigen ein, die aus Warte der klassischen juristischen Steurrechtswelt nicht fremdartiger anmuten könnten: Menschen, die sich mit Zahlen auskennen. Aber ‚judex non calculat‘ ist nur solange ein eleganter Spruch, bis es darauf ankommt, zu kalkulieren, zu prognostizieren und zu berechnen. Und es kommt jetzt darauf an. Nicht nur bei den Großkonzernen im Automotivebereich wie Continental. Ganze Industrielandschaften zum Beispiel im Südwesten sind gepflastert mit Zulieferern der großen Automobilkonzerne. Es sind alles Mittelständler und fast alles Familienunternehmen. Die meisten Geschäftsmodelle dieser Zulieferer basieren auf Produkten und Erfindungen, die Jahrzehnte alt sind, manche sogar mehr als ein Jahrhundert. Sehr viele davon scharen sich um Technologien, die man im Zeitalter der Elektromobilität nicht mehr braucht: den Antriebstrang und den Verbrennungsmotor.

Wie Continental müssen sich all diese Mittelstandsunternehmen neu erfinden, neue zukunftsfähige und zukunftsweisende Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, um ‚enkelfähig‘ zu bleiben, also nicht nur noch lediglich einen Generationswechsel zu überstehen, sondern noch viele weitere. Dazu braucht es Geld und den richtigen Umgang mit Ressourcen und Risiken. Genau diese Dinge kann nun eine Steuerfunktion mittels Digitalisierung liefern. Sie kann voraussehen und gestalten – und nicht nur Deklarationen verwalten.

Aber wie gehen Berater damit um? Viele wollen diese neue Wirklichkeit nicht wahrnehmen – das kann ich aus erster Hand berichten. Bei jedem meiner dutzenden Gespräche mit Beratungen frage ich nach den Auswirkungen dieser Veränderungen. Und dennoch treffe ich immer noch viel zu häufig auf Berater, die in einem Tax Compliance Management System gar keinen Sinn jenseits der juristischen Exkulpation der Geschäftsführung eines Unternehmens erkennen können. Ich treffe immer noch auf Berater, für die Zahlen und Daten nur so etwas wie vergänglicher Feenstaub zu sein scheinen, der einem die Wahrnehmung verschleiert, wogegen die einzig harte, echte Wirklichkeit sich nur in einem scharfkantigen Paragraphenzeichen zu manifestieren vermöge. In einem Satz: Ich treffe immer noch auf Berater, die nur die steuerjuristische Gestaltungsberatung als Hochreck ansehen und auf alles Zahlentechnische oder Datenanalytische herabsehen.

Weil man dies angeblich nicht brauche, um für Unternehmen und Unternehmer ein echter Sparringspartner für strategische Entscheidungen zu sein. Doch dem ist nicht so – das haben nur noch nicht alle erkannt.

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