Zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn hätte Roman Kowallik wohl niemals gedacht, einmal in der Steuerbranche tätig zu sein. Ursprünglich in Berlin geboren und nach der Schule ein duales Studium bei einer Bank gestartet, führte ihn sein Weg über die Wirtschaftsinformatik zu einer überraschenden Wendung in seinem beruflichen Werdegang.
Roman Kowallik hat mehrere Leben. Nicht wie laut Volksmund sieben wie eine Katze. Und er ist natürlich auch nicht wiederauferstanden. Aber beruflich. Denn in der Karriere des heute 48-Jährigen gab es durchaus einige interessante und überraschende Wendungen. Nach der Schule beginnt Kowallik ein dreijähriges duales Studium in seiner Heimatstadt Berlin – bei der örtlichen Volksbank. Anschließend berät er Kunden vor allem zum Thema Immobilienfinanzierung.
Nach einigen Jahren merkt Kowallik, dass etwas Neues her muss. Er will sich beruflich noch mal komplett neu orientieren und beginnt an der Universität zu Köln ein Studium. Auch rückblickend hält er diesen Schritt für eine gute Entscheidung. „Über die Krise beim Bergbau haben damals alle geredet, dass es aber gut 50 Prozent der Bankenjobs nicht mehr gibt, davon redet niemand“, sagt er.
Von 1999 bis 2004 studiert er Wirtschaftsinformatik und schließt mit Diplom ab. „Nach dem Studium wollte ich in die Beratung und bin deshalb zu Accenture gegangen“, erinnert sich Kowallik. Dort berät er viel zum Thema SAP, „vor allem aber den fachlichen und weniger den technischen Part“, sagt er. „Weitere Schwerpunkte waren Bank & Treasury.“ Später kommen dann Kunden aus dem Handel und dem Konsumgüterbereich dazu. „Ich fand es spannend, dann auch tatsächlich mal mit greifbaren Produkten und nicht mehr nur mit Zahlen auf dem Papier zu arbeiten“, sagt Kowallik. Coca-Cola ist einer seiner Kunden. Und Henkel.
Für den Düsseldorfer Konsumgüterhersteller soll Kowallik schließlich für ein Projekt im Finance & Controlling-Bereich tätig werden. „Damals saß ich viel mit Umsatzsteuerexperten von Henkel zusammen – und hier fand ich eigentlich die interessantesten Sachen vor“, erzählt Kowallik. Ursprünglich habe man bei Accenture und Henkel gar nicht vorgesehen, dass der Wirtschaftsinformatiker so eng mit dem Tax-Bereich zusammenarbeitet. Das Projekt selbst läuft dann gute fünf Jahre und Kowallik lernt immer mehr Personen aus der Steuerfunktion kennen, findet zunehmend Gefallen an dem Umfeld sowie den Tätigkeiten.
Bei Accenture ist er dann schon ganze 14 Jahre, macht Karriere und steht als Director eigenen Angaben zufolge schon fast mit einem Bein in der Partnerschaft. 2019 wechselt er schließlich zu Henkel – zunächst als Senior Manager International Taxation. Manch ein Kollege bei Accenture reibt sich zu diesem Zeitpunkt verwundert die Augen. „Viele haben mich gefragt, wieso ich als Director bei Accenture diesen Schritt gehe, der auf den ersten Blick ja wie eine Art Degradierung wahrgenommen wurde“, erinnert sich Kowallik rückblickend. „Zumal ich keinen Steuerberater-Titel habe und dann in diese Branche einsteige.“
Hobby: E-Invoicing
Doch die Entscheidung bereut er auch mehr als vier Jahre später nicht. Seit Oktober 2020 ist er Head of Tax Technology & Projects und hat Personalverantwortung für ein sechsköpfiges Team. Kowallik wird auf Steuerkonferenzen eingeladen, engagiert sich beim Institut für digitales Steuerrecht und brennt ganz allgemein für die Steuerthematik. „Ich habe für mich ein neues Hobby entdeckt: E-Invoicing“, erklärt Kowallik mit einem Lächeln im Gesicht. „Wenn fachfremde Leute das hören, rennen sie normalerweise schreiend weg“, sagt er und lacht. Als fachfremd würde sich Kowallik aber nicht mehr bezeichnen, auch wenn er keinen Steuerberater-Titel trägt. Seine Rolle bei Henkel sei global. „Da würde mir der Titel ohnehin wenig helfen. Ich nenne mich und mein Team gerne ‚die Steuerberater der Zukunft‘, denn wir bringen das Fachliche mit den Prozessen im Zuge der Digitalisierung zusammen – und das wird in Zukunft eine immer wichtigere Rolle in der Branche spielen“, ist der studierte Wirtschaftsinformatiker überzeugt.
Entsprechend achtet er auch auf die Fähigkeiten in seinem Team. Dass
sich seine Teammitglieder auch fachlich weiterentwickeln, ist Kowallik
wichtig. Und ein Kollege hat sich nun tatsächlich zum Ziel gesetzt, den Steuerberater-Titel zu machen. „Das machen wir dann natürlich auch möglich“, erklärt Kowallik, dem durchaus bewusst ist, dass dieser Satz zunächst einmal komisch klingt. Einen Steuerberater-Titel innerhalb der Steuerfunktion machen, sollte doch eigentlich das Selbstverständlichste sein. Für Kowalliks Team gilt das aber nicht unbedingt und ausnahmslos. Denn: „Erst muss das Technische und das Prozessuale kommen. Das Fachliche kommt bei uns zum Schluss“, sagt er. In seinem Leben bei Henkel fühlt sich Kowallik nun richtig wohl, angekommen und vor allem auch angenommen. Ohne Titel und ohne Partnerstatus. „Gibt es eine schönere Anerkennung, tatsächlich in der Steuerbranche ernst genommen zu werden, obwohl man keinen entsprechenden Titel trägt?“
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