JUVE Steuermarkt: Die geplante Novelle betrifft vor allem Share- Deals. Derzeit ist der Kauf von mindestens 90 Prozent der Anteile an einer Gesellschaft mit Grundbesitz steuerpflichtig. Vor der Grunderwerbsteuerreform im Jahr 2021 waren es noch mindestens 95 Prozent. Nun macht das BMF in seinem Diskussionsentwurf offenbar eine Rolle rückwärts und erst der Erwerb von 100 Prozent soll eine Steuerschuld auslösen. Wieso?
Dr. Axel Schilder: Historisch betrachtet handelt es sich rein formal auf die Zahl bezogen tatsächlich um eine Rolle rückwärts. Wir waren schon einmal bei 100 Prozent. Zunächst einmal ist das ganz logisch. Wenn ich Ihnen eine Immobilie direkt verkaufe, müssen Sie im Regelfall die volle Grunderwerbsteuer zahlen. Wieso also dann die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Share-Deal-Konstruktion? Wenn ich als Investor vollständig eine Gesellschaft nur mit Grundbesitz kaufe, dann kommt dies in gewisser Weise einem Direkterwerb der Immobilie gleich. Man muss aber immer auch daran denken, dass ich als Käufer einer Gesellschaft weitere Risiken trage – da geht es zum Beispiel um Bilanzverbindlichkeiten oder Haftungsfragen. Mit der Absenkung des Schwellenwerts auf 95 Prozent wollte der Gesetzgeber verhindern, dass beispielsweise ein Zurückbehalt eines Mikroanteils von 0,1% der Anteile an der Gesellschaft dazu führte, dass keine Grunderwerbsteuer auf die Übertragung anfiel, da eben nicht 100 Prozent übertragen wurden. Bei einer Schwelle von 95 Prozent musste sich ein Minderheitsgesellschafter dann schon deutlicher beteiligen; ein (Mehrheits)Käufer allein konnte eben nur noch unter 95 Prozent der Anteile direkt erwerben.
Wieso dann die Senkung auf 90 Prozent im Jahr 2021?
Schilder: Weil der Grunderwerbsteuersatz in nahezu allen Bundesländern immer weiter anstieg. Seinerzeit lag dieser bei 3,5 Prozent. Nun liegt er zwischen 3,5% in Bayern und bis zu 6,5 Prozent in den anderen Bundesländern. Und je höher der Grunderwerbsteuersatz, desto größer der politische Druck. Denn es ist schwer zu vermitteln, dass Direkterwerber von Immobilien die Steuer zahlen, wohingegen vor allem große in- und ausländische Investoren, aber eben auch einige Privatpersonen dieser mithilfe einer Share-Deal-Konstruktion entgehen können. Und natürlich ging es um Begehrlichkeiten der Bundesländer, denen die Grunderwerbsteuer als Einnahmequelle zusteht.
Martin Wolff: Deshalb hat man seinerzeit die Anteilsquote, ab der Grunderwerbsteuer ausgelöst wird, gesenkt und gleichzeitig die Schwelle für Minderheitsgesellschafter (sog. „RETT-Blocker“) erhöht. Im selben Atemzug hat der Gesetzgeber Haltefristen, nach deren Erreichen keine Grunderwerbsteuer fällig wird, von fünf Jahren bis teilweise auf 15 Jahre verlängert Das war zusammengenommen der nächste Schritt in Richtung einer faktischen Share-Deal-Abschaffung.
Und mit der geplanten Novelle gehören Share-Deals endgültig der Vergangenheit an?
Wolff: In diesem Zusammenhang sprechen wir nicht mehr über Beteiligungsquoten und Haltefristen – diese würden künftig wegfallen. Wenn wir nun einen Erwerb haben, schauen wir – einheitlich und rechtsformneutral – zunächst auf den Zweck.
Der Gesetzgeber plant die Begriffe ‚Erwerbergruppe‘ und ‚dienendes Interesse‘ einzuführen, sollte ein Kauf von weniger als 100 Prozent erfolgen. Was hat es damit auf sich?
Schilder: Der Gesetzgeber will so vermeiden, dass ein Share-Deal einzig aus dem Zweck gewählt wird, die Grunderwerbsteuer zu sparen. Es soll darauf ankommen, wie sich ein Minderheitsgesellschafter verhält und welche Zwecke er mit seiner Beteiligung verfolgt. Ist er auch dafür da, Gewinne zu erzielen, Umsatz zu erwirtschaften, hat er Stimmrechte? Wenn Sie diese Fragen mit ja beantworten können, dient er dem Gesamtzweck und dem Interesse der Gesellschaft. Dann sprechen wir von einer Erwerbergruppe. Es muss also ein sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Käufern bestehen. Ist dies nicht gegeben, löst dies – wenn die Novelle denn kommt – künftig die volle Grunderwerbsteuer aus.
Das BMF bringt die Novellierung des Gewerbesteuergesetzes also doch vor allem ins Spiel, um sogenannte steuerumgehende Gestaltungen zu verhindern. Das klingt doch erstmal positiv.
Schilder: Es ist auch ein wenig Hexentreiben dabei. Share-Deals haftet der Irrglaube an, sie seien per se ‚böse‘. So trivial ist es jedoch nicht. Denn pauschal kann man eben nicht sagen: Share Deals wurden nur benutzt, um Steuern zu sparen. Wenn ich Anteile an einer Kapitalgesellschaft kaufe, habe ich eben auch Lasten drin, die es zu klären gilt. Wer trägt zum Beispiel das Risiko für sog. latente Steuern, die in der von der Kapitalgesellschaft gehaltenen Immobilie schlummern und deren planmäßige Abschreibung mangels eines sog. ‚Step-Up‘ nicht vorgesehen ist? Das Geld kriegen Sie auch mit Hilfe einer Share-Deal-Konstruktion, die grunderwerbsteuerneutral ist, nicht wieder rein. Zudem sind Share Deals kompliziert. Unserer Erfahrung nach sind im Durchschnitt von vielleicht zehn als Share Deals gestarteten Transaktionen nur zwei als solche auch zum Ziel gekommen. Der Rest wird schnell in Asset Deals umgewandelt. Klar: Natürlich ist das Verpacken von Immobilien zunächst einmal nicht das, was man unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten sehen will. Aber die Debatte ist insgesamt ein wenig verlogen.
Inwiefern?
Schilder: Würde die Politik mit den Steuersätzen runtergehen, wären Share Deals wirtschaftlich unattraktiv – zumindest um die Grunderwerbsteuer zu sparen. Das ist das eigentliche Ärgernis. Was hinzukommt: Alle wissen, dass die seinerzeitige Privatisierung der Bundes- und Landesimmobilien auch weitgehend über Share Deals gelaufen ist. Es waren nicht nur Kapitalinvestoren, die Politik hat ihre eigenen Gesetze auch genutzt, um Steuern zu sparen. Da redet heute nur niemand mehr drüber.
Was müssen Berater beachten?
Wolff: Gerade vor dem Hintergrund des ersatzlosen Wegfalls des zivilrechtlichen Prinzips der sog. „Gesamthand“ Anfang kommenden Jahres spielt in Einbringungsfällen das Tempo jetzt eine große Rolle, Stichwort: Vertrauensschutz. Wenn ein Investor Immobilien in eine Investmentkommanditgesellschaft einbringen möchte, besteht aktuell das Risiko, dass die gesetzlich angeordnete Nichterhebung der Grunderwerbsteuer ggf. rückwirkend versagt wird. Die könnte passieren, wenn der Wegfall der Gesamthand steuerlich quasi als frühzeitiger „Exit“ aus der Investmentkommanditgesellschaft im Sinne einer Reduktion der Anteilsquote von 100% auf 0% angesehen würde. Auch wenn der Diskussionsentwurf hierfür Übergangsregelungen vorsieht, verbleiben gewisse Unsicherheiten. Zu der Frage, wie lange die bestehende Rechtslage noch in Anspruch genommen werden darf, wird gegebenenfalls auch die Bundesverfassungsgerichts-Rechtsprechung zur unechten Rückwirkung zu Rate gezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang haben wir mit Steuerversicherungen gesprochen, die in solchen Fällen auch Versicherungsschutz anbieten, der als flankierendes Element einen zusätzlichen Comfort bietet.
Schilder: Was zudem problematisch ist: Bei der Gesetzesnovellierung greift das BMF auch Sondervermögen an, indem es die sogenannten Unit Deals künftig unterbindet. Beim klassischen Unit Deal werden die Anteile (Units) eines Immobilien-Sondervermögens übertragen, wohingegen die Immobilien weiterhin im Eigentum der Kapitalverwaltungsgesellschaft dieses Fonds verbleiben. Rechtlich gesehen verändert sich das Eigentum an den im Fonds gehaltenen Immobilien also nicht. Nun soll aber ein Grundstück auch – oder besser noch – zusätzlich dem Fonds selbst fiktiv zugerechnet werden. Die Novelle sieht hier also eine Doppelzurechnung vor. Wenn Anleger nun Anteile an dem Fonds veräußern wollen, könnte dies unter Umständen Grunderwerbsteuer auslösen, obwohl sich das zivilrechtliche Eigentum der Grundstücke nicht ändert. Das ist nicht trivial, denn in Zukunft könnte es zu einer Doppelbesteuerung kommen. Das sind einige der Themen, die wir derzeit mit den Mandanten diskutieren.