Bisher ist der deutsche Energiemarkt reguliert bis ins kleinste Detail. Die Energieversorgung und gerade die Stromversorgung obliegen großen spezialisierten Anbietern und vor allem den Stadtwerken. Netzbetreiber unterhalten ein flächendeckendes Stromnetz, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Steuerlich wird dieses System in der Stromsteuer abgebildet, flankiert durch die Netzentgelte.
Energieversorgung wird auf links gedreht – das hat Folgen
Dieses System wird durch die politisch gewollte Dezentralisierung von Strom aus erneuerbaren Energie-Anlagen auf links gedreht. Denn diese Anlagen, insbesondere Solaranlagen, kann nun faktisch fast jeder aufstellen und betreiben. Was bei Privathaushalten bereits zu einem Boom in der Solarbranche geführt hat, soll nun auch für Gewerbeimmobilien im großen Stil kommen: also für Geschäftshäuser und Logistikhallen. Immobilienfonds spielen hierbei eine Schlüsselrolle, weil diese in Deutschland zigtausend solcher Immobilien halten. Nur war deren Betätigung als Energieversorger bisher weder steuerlich noch rechtlich wirklich vorgesehen. Als Vermögensverwaltungen durften sie nur in sehr engen Grenzen aktiv unternehmerisch tätig werden. Das will die Bundesregierung durch ZuFinG und Wachstumschancengesetz ändern.
Die Änderungen könnten nicht umfangreicher sein: Gewerbesteuergesetz, Investmentgesetz, Aufsichtsrecht und Investmentsteuergesetz müssen angepasst werden. Neben den Fonds profitiert von den Änderungen auch die gesamte Immobilienbranche: Denn durch die Änderungen im Gewerbesteuergesetz können nun auch normale Immobilienunternehmen zu Energieproduzenten werden. Damit betreffen die Änderungen den gesamten Immobilienmarkt – auch den Wohnungsmarkt. Bisher sahen die Gewerbesteuerregelungen auch für Immobiliengesellschaften eine enge Begrenzung aktiver unternehmerischer Tätigkeiten vor. Fonds und Immobiliengesellschaften können nun bis zu 20 Prozent ihrer Einnahmen aus dem Verkauf von grünem Strom bestreiten. Sie werden also Teilzeitenergieversorger.
Gesetzesänderungen und Regelungskanon sind nicht aufeinander abgestimmt – und widersprechen sich sogar
Aber die Anpassungen in ZuFinG und Wachstumschancengesetz sind nicht aufeinander abgestimmt – und widersprechen sich zum Teil. Überdies fehlt eine Synchronisierung zum Regelungskanon von Energierecht, Stromsteuer und Netzentgelten. Ferner stellen sich systematische Fragen: Ist ein Immobilienfonds, der Solaranlagen im großen Stil betreibt, noch ein Immobilienfonds? Gerade in den Immobilienfonds steckt die kumulierte Altersversorgung Deutschlands: Zu den Hauptinvestoren unter den institutionellen Anlegern gehören Rentenfonds und Pensionskassen.
Um deren Investments abzusichern, wurde das Investmentrecht und damit auch das Investmentsteuerrecht und Aufsichtsrecht in den letzten 14 Jahren nach der Finanzkrise so engmaschig gestrickt wie möglich, um jedes Risiko von vornherein auszuschließen. Wie sieht es mit diesem Sicherheitsaspekt aus, wenn die Fonds sich nun ausgerechnet in eine Branche wie die Energiebranche stürzen, die im Umbruch ist wie keine zweite?
Stadtwerke werden zu reinen Sekundär-Dienstleistern degradiert
Probleme ergeben sich auch bei den Stadtwerken, welche die Stromversorgung und Versorgungssicherheit in Deutschland zu einem erheblichen Teil tragen und schultern. Denn nach den geplanten neuen Regelungen in ZuFinG und Wachstumschancengesetz haben die Immobilienfonds und -unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Stadtwerken und bisherigen Energieversorgern: Mit ihren Kleinanlagen werden sie voraussichtlich stromsteuerfrei und netzentgeltfrei Solarstrom produzieren und an ihre Mieter weitergeben können. Ihr Strom wird für die Verbraucher also wesentlich billiger sein als der von den Stadtwerken und anderen Energieversorgern. Diese steuerliche Regelung für Kleinanlagen stammt noch aus einer Zeit, als niemand daran dachte, dass die Stromversorgung in Deutschland einmal komplett auf den Kopf gestellt werden soll.
Stadtwerke und echte Energieversorger werden daher nur noch dann einspringen müssen, wenn die dezentralisierte Stromerzeugung nicht genug Strom liefern kann: nachts und im Winter. Auf die Abdeckung eines lediglich punktuellen Strombedarfs ist der klassische Energiesektor aber so nicht eingestellt. Ist dies in Zeiten, wo wir jeden Winter erneut die Debatte um die Möglichkeit eines Black-outs haben, also des Zusammenbruchs der Stromversorgung, wirklich ein Schritt in die richtige Richtung?
Stadtwerke drohen im großen Stil zu rein technischen Kooperationspartnern dezentraler Teilzeitenergieproduzenten degradiert zu werden. Sie werden das Know-how für die Anlagen als Dienstleister bereitstellen, die Anlagen betreiben werden aber die Fonds und Immobiliengesellschaften, die dann auch die Gewinne einstreichen. Dadurch entgehen den deutschen Kommunen bedeutende Einnahmen – denn Stadtwerke sind ein wichtiger Einnahmefaktor für deutsche Städte. Last but not least nimmt die Stromsteuer unter den Energiesteuern bisher nur eine nachrangige Bedeutung ein. Das wird sich aber durch die Energiewende ändern.
Mit der Energiewende wird die Stromsteuer zur zentralen Energiesteuer
Haupteinnahmequelle des Bundes bei den Energiesteuern ist heute noch die Mineralölsteuer. Genau dieses Verhältnis wird sich durch die Energiewende und zunehmende Elektromobilität verschieben. Die Stromsteuer wird in Zukunft zur zentralen Energiesteuer werden. Wenn aber nun Player wie Immobilienfonds und Immobilienunternehmen an den Start gehen und davon profitieren, dass ihr erzeugter Solarstrom stromsteuerbefreit ist, was wird dann aus der Stromsteuer? Werden die jetzt geplanten Regelungen in ZuFinG und Wachstumschancengesetz nicht noch angepasst in den kommenden Jahren, dann drohen dem Staat erhebliche Mindereinnahmen bei den Energiesteuern. Denn ein großer Teil der Stromproduktion wird dann dezentral und stromsteuerfrei stattfinden.
Das betrifft auch den Verkehrssektor, denn über die Solaranlagen auf den Gebäuden werden dann auch Ladestationen für Elektroautos betrieben. Werden aber im Nachhinein die jetzt geplanten Solaranlagen der Immobilienfonds und -gesellschaften doch der Stromsteuer und den Netzentgelten unterworfen, wird die jetzt so bemühte Immobilienbranche dann überhaupt noch ein Interesse am Betrieb solcher Anlagen haben? Denn die einzige Motivation für die Branche, jetzt in den Solarmarkt einzusteigen, ist der Profit.
Immobilienbranche könnte auch ohne Gesetzesnovellen für mehr Solarenergie sorgen – nur eben mit weniger Profit
Als reine Teilzeitenergieerzeuger könnten aber Fonds und Immobilienunternehmen jederzeit wieder genauso geräuschvoll aussteigen, wie sie jetzt einsteigen wollen – denn ihr Hauptgeschäft ist und bleibt das Immobiliengeschäft. Zumal die Tränen der Branche, zu Unrecht aus dem Solargeschäft ausgeschlossen zu sein, reine Krokodilstränen sind: Denn schon zur Rechtslage vor ZuFinG und Wachstumschancengesetz wäre es jedem Immobilienfonds und jeder Immobiliengesellschaft möglich gewesen, ihre Dächer flächendeckend mit PV-Anlagen zuzupflastern. Sie müssten nur eine dritte Gesellschaft als Pächter und Betreiber zwischenschalten. Dann wären alle investment-, aufsichts-, investmentsteuer- und gewerbesteuerrechtlichen Probleme vom Tisch. Denn die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung unterlagen weder für Immobilienfonds noch für Immobiliengesellschaften einer Restriktion.
Es wäre also ohne Probleme möglich gewesen, die Energiewende und die dezentrale Stromproduktion innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens abzubilden. Dann hätten eben die Stadtwerke solche Anlagen betrieben und im Zweifel auch errichtet – inklusive des Anfalls von Stromsteuer und Netzentgelten. Denn Kleinanlagen von Dritten sind nicht stromsteuerbefreit.
Aber nur die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung zu generieren, reicht der Immobilienbranche und den Fonds nicht aus. Sie wollen ein ordentliches Stück vom Kuchen des Milliardengeschäfts mit dem grünen Strom.
Sollte daher die Stromversorgung der größten Volkswirtschaft der Europäischen Union wirklich eine Aufgabe für Heuschrecken auf der Jagd nach dem schnellen Geld sein?