Gut 3,8 Milliarden Euro Umsatz erzielten die 30 größten Steuerberatungsgesellschaften im vergangenen Geschäftsjahr – ein sattes Plus von rund 15 Prozent und erneut ein Rekordjahr. Während die deutsche Wirtschaft sich weiter dahinschleppt und eine ganze Reihe von Branchen Einbußen in Kauf nehmen muss, zeigt sich der Steuermarkt davon scheinbar unbeeindruckt. Wie schaffen die Kanzleien und Beratungsgesellschaften das? Agieren sie völlig losgelöst von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung?
Klar ist: Die Branche profitiert in hohem Maße von den Faktoren, die die Wirtschaft unter anderem daran hindern, die von Bundeskanzler Olaf Scholz beschworene ,Deutschland-Geschwindigkeit‘ aufzunehmen: zunehmende Regulatorik und überbordende Bürokratie. Solange das Steuerrecht komplizierter statt einfacher wird, gibt es für die Branche lukrative Mandate. Eins von vielen Beispielen ist die ESG-getriebene Transformation der Wirtschaft.
Doch genau hier beginnt für die Steuerberatung auch das Problem. Denn ein Großteil der Branche arbeitet bereits am Limit. Viele Gesellschaften haben ihre Kapazitätsgrenze erreicht oder überschritten. Häufig gilt: Derzeit bitte keine neuen Mandate, arbeitsintensive Bestandsmandate überprüfen und notfalls aussortieren!
Zwar ist die Zahl der Mitarbeitenden der 30 umsatzstärksten Steuereinheiten in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Doch alle berichten von massiven Anstrengungen, um die gewünschte Zahl an Steuerprofessionals zu rekrutieren. HR-Spezialisten werden verstärkt eingestellt, (Social-Media-) Kanäle permanent bespielt, persönliche Netzwerke zum Glühen gebracht. Manche wagen den großen Wurf und stemmen die Übernahme einer anderen Einheit, um an Mitarbeitende und Mandate zu kommen. Mit Blick auf die nötige Integrationsarbeit ein besonderer Kraftakt – häufig mit ungewissem Ausgang für die Umsatzentwicklung.
Für den weiteren Erfolg der Steuerbranche ist jedoch nicht nur die Anzahl der Mitarbeitenden entscheidend, sondern auch deren Qualifikation. Beratungsgesellschaften, Unternehmen und Finanzverwaltung setzen zunehmend auf digitale Prozesse. Hinzu kommen die (Umsatz-)Chancen, die das Thema künstliche Intelligenz mit sich bringt. Steuerexperten müssen besser und gezielter aus- und weitergebildet werden, um IT und Steuerrecht künftig noch stärker unter einen Hut zu bringen. Wer das nicht schafft, wird seine Mandanten nicht mehr umfassend beraten können. Und im Wettlauf nach Umsatz durchgereicht.
Völlig losgelöst von wirtschaftlichen und technischen Entwicklungen bewegt sich die Branche also nicht. Steigende Umsätze sind auch im Steuermarkt kein Selbstläufer.
Dieser Artikel stammt aus unserer neuen Sonderausgabe JUVE Umsätze Steuern 2024.
Hier finden Sie eine vollständige Übersicht und Analyse der 30 größten Steuerberatungseinheiten Deutschlands – übrigens auch auf unserer interaktiven und individuell gestaltbaren Website www.juve-plus.de.