Unzureichende Verlautbarungen der
Finanzverwaltung
Das BMF hat sich bisher mit zwei Anwendungsschreiben zum Thema Krypto, NFT und Co. auseinandergesetzt. Während das BMF im Schreiben vom 10.05.22 ausführlich zur ertragsteuerlichen Behandlung von diversen Blockchain-basierten Geschäftsmodellen Stellung nimmt, liegt die entsprechende Verlautbarung zur Umsatzsteuer bereits einige Zeit zurück. Das umsatzsteuerliche Schreiben vom 27.02.18 beschränkt sich im Kern auf die Validierung von Transaktionen durch Rechenleistung (Mining) und den Umtausch von konventionellen Währungen (Fiatgeld) in Kryptowährungen. Eine Vielzahl von Anwendungsfragen bleibt dabei aber unbeantwortet. In einzelnen Bereichen widersprechen sich sogar die Aussagen des BMF zur Ertrag- und Umsatzsteuer. Zugleich stehen einige Ausführungen im Widerspruch zum Arbeitspapier des EU-Mehrwertsteuerausschusses vom 21.02.23.
Zentrale Geschäftsmodelle
Die Blockchain-Technologie hat eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft hervorgebracht. Ein sehr praxisrelevantes Geschäftsfeld stellt die Validierung von Transaktionen dar. Hierbei wird durch den Einsatz von Rechenleistung (Mining) oder durch das Sperren eigener Token (Forging) die Kontinuität der Blockchain sichergestellt. Darüber hinaus existieren diverse Geschäftsmodelle im Zusammenhang mit dem Erstellen und Veräußern, Handeln und Airdroppen von verschiedenen Token-Arten. In den letzten Jahren hat zudem die Welt der NFTs ein bemerkenswertes Wachstum erfahren. Anders als z.B. Bitcoins sind NFTs nicht beliebig austausch- und teilbar, sondern einzigartig. Bekannt geworden sind bislang vor allem NFTs aus dem Kunstbereich. Sie sind jedoch nicht auf diesen Anwendungsfall beschränkt. NFTs werden in der Praxis zunehmend mit Airdrops kombiniert und von Unternehmen gezielt als Marketinginstrument eingesetzt.
Digitale Geschäftsmodelle und analoge
Umsatzsteuerregeln
Aktuell stellen sich bei Blockchain-basierten Geschäftsmodellen umsatzsteuerliche Fragen praktisch auf allen Ebenen des Prüfschemas – angefangen bei der Unternehmereigenschaft über die Bestimmung des Leistungsortes und des anzuwendenden Steuersatzes bis hin zum Vorsteuerabzug. Ungeklärt sind unter anderem folgende Praxisfragen:
- Wann ist ein Trader/NFT-Ersteller/Validator/Delegator/Token-Verleiher Unternehmer?
- Wo liegt der Leistungsort, wenn weltweit ansässige Teilnehmer nur unter dem Pseudonym ihrer Krypto-Wallet-Adresse (z.B. „0x745648C2f20Eec3473…“) auftreten, die keinen Schluss auf die Person oder ihren Standort zulässt?
- Sind Transaktionsversender/Netzwerke ein identifizierbarer Leistungsempfänger oder ist ein Leistungsaustausch per se ausgeschlossen?
- Wer erbringt an wen eine Leistung im Rahmen eines Mining-/Staking-Pools?
- Können Validierungsdienstleistungen als Übertragung einer Geldsumme steuerfrei sein?
- Wann liegt bei einem Airdrop eine Gegenleistung/ein Leistungsaustausch vor?
- Kann ein NFT wie Kunst behandelt werden und dem ermäßigten Steuersatz unterliegen?
- Leistet der NFT-Inhaber oder der NFT-Marktplatz an einen NFT-Käufer?
- Ist für NFTs und Token das umsatzsteuerliche Gutscheinregime anwendbar?
- Unter welchen Voraussetzungen steht den Akteuren des Web 3.0 ein Vorsteuerabzugsrecht zu
Die Komplexität der Rechtsfindung für diese Geschäftsmodelle zeigt dem altbekannten Prüfungsschema der Umsatzsteuer seine Grenzen auf. Dies mag darin begründet sein, dass es aus einer Zeit vor dem Internet stammt und schlichtweg nicht mit dem Web 3.0 kompatibel ist. Vor diesem Hintergrund hat sogar der EU-Mehrwertsteuerausschuss die Frage aufgeworfen, ob nicht manche Regelungen angepasst werden müssen. In 2022 entschied der BFH, dass die Vermietung virtueller Grundstücke im Metaverse keine Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinn darstellt. Der „Vermieter“ erlange ein Entgelt erst, wenn er das durch die „Vermietung“ erwirtschaftete virtuelle Spielgeld gegen Echtgeld eintauscht. Dieser Umtausch von virtuellem Spielgeld gegen Echtgeld stelle eine steuerbare sonstige Leistung dar. Unklar bleibt, inwiefern die Aussagen des BFH verallgemeinert und auf weitere Geschäftsmodelle des Web 3.0 übertragen werden können.
Fazit
Unternehmer im Web 3.0 sehen sich aufgrund fehlender und widersprüchlicher Aussagen des BMF großer Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Dies macht die umsatzsteuerrechtliche Einordnung jedoch nicht entbehrlich. Im Gegenteil: Betroffene müssen ihre Sachverhalte unter Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Blockchain-Netzwerks bzw. Tokens vertretbar würdigen. Allzu leichtfertige Argumentationen, die z.B. die Metaverse-Entscheidung des BFH per se als Anknüpfungspunkt gegen eine Umsatzsteuerpflicht im Web 3.0 heranziehen, sind mit höchster Vorsicht zu genießen. Kryptowährungen und sonstige Token sowie NFTs sind ebenso wenig mit virtuellem Spielgeld gleichzusetzen wie die Blockchain und das Metaverse. In diesen Bereichen sind eine saubere Trennung und Betrachtung des Einzelfalles unumgänglich.