Juve Steuermarkt: Herr Muhler, seit drei Jahren erproben Sie die elektronische Akte und den elektronischen Rechtsverkehr am Finanzgericht Baden-Württemberg. Was ist Ihr vorläufiges Fazit, insbesondere mit Blick auf die Corona-Pandemie?
Manfred Muhler: Wir haben in den letzten drei Jahren einiges an Routine im Umgang mit der elektronischen Akte und dem elektronischen Rechtsverkehr gewonnen. Das kam uns während der Corona-Pandemie entgegen: Alle Richter sind mit Laptops ausgestattet und haben damit von Zuhause aus gearbeitet. Und durch das Pilotprojekt war unsere technische Ausstattung so gut, dass auch aus dem Servicebereich einige aus dem Homeoffice arbeiten konnten, denn ein VPN-Zugang war beispielsweise schon da. Die Arbeit aus dem Homeoffice hat sogar so reibungslos funktioniert, dass sie in Zukunft noch weiter ausgebaut werden könnte.
An manchen Finanzgerichten gelten Videokonferenzen und -verhandlungen als zu umständlich. Doch sind diese nicht der nächste Schritt zum vollständig digitalisierten Finanzgericht?
Das kommt auf die Sache an: Bei notwendigen Beweisaufnahmen und Fällen, die in die Revision gehen, ist eine mündliche Verhandlung unerlässlich. Daneben gibt es weitere Fälle, in denen eine Gesprächsatmosphäre von Angesicht zu Angesicht nützlich ist. Beim Finanzgericht Baden-Württemberg arbeiten wir viel mit Erörterungsterminen, bei denen die persönliche Anwesenheit der Beteiligten vorteilhaft ist. Möglichkeiten für Videoverhandlungen sehe ich in erster Linie dann, wenn es um Rechtsfragen geht. Die Vorbereitung von Terminen und insbesondere von Beschlüssen zu Aussetzungsanträgen oder Kostenentscheidungen ist mit einer e-Akte im Homeoffice hingegen gut möglich.
An welchen Stellschrauben muss noch gedreht werden, damit die Digitalisierung am FG Baden-Württemberg noch besser funktionieren kann?
Das System dürfte noch etwas stabiler und schneller sein. Die Finanzverwaltung liefert die Steuerakten derzeit noch in Papierform, trifft aber Vorbereitungen dafür, dass die Steuerakten baldmöglichst elektronisch übermittelt werden können. Einzelne Finanzämter arbeiten bereits an Möglichkeiten für Videokonferenzen, die datenschutzrechtlich unbedenklich sind. Ideal wäre ein System, das Finanzämter, Gerichte und Steuerberater gemeinsam nutzen können. Aber auch viele Steuerberater müssen dafür technisch noch nachrüsten.
Das Interview führte Esra Laubach.