Bisher war die Lösung komplexer steuerlicher Sachverhalte nach deutschem Steuerrecht durch ChatGPT nicht möglich. Dies könnte sich durch das Release der neuen Version ChatGPT-4 geändert haben. Das Aachener Tax-Tech-Start-up Taxy.io, das selbst eine Anwendung auf Basis eines Large-Language-Models entwickelt hat, stellte die GPT-4.0-Technologie anhand mehrerer Prüfungsaufgaben aus dem Steuerfachangestelltenexamen auf die Probe. Das Ergebnis: „ChatGPT-3.5 hätte ausgehend von den Musteraufgaben die Prüfung mit 40 Prozent knapp nicht bestanden, während ChatGPT-4 mit 54 Prozent knapp bestanden hätte“, sagte Steffen Kirchhoff, Mitgründer und CTO von Taxy.io gegenüber JUVE Steuermarkt.
Das Taxy.io-Team hatte ChatGPT mehrere Prüfungsfragen aus dem Einkommensteuerrecht vorgelegt. Dabei sei ChatGPT-4 steuersystematisch erheblich genauer vorgegangen als die Vorgängerversion, erläutert Kirchhoff. So habe ChatGPT-3.5 noch keine systematische Aufbereitung eines Sachverhalts in die sieben Einkunftsarten nach dem Einkommensteuergesetz vorgenommen. ChatGPT-4 folge nun vollkommen der „Lehrbuchmethode”, indem die KI zunächst die einzelnen Einkunftsarten separat betrachte, bevor es anschließend den Gesamtbetrag der Einkünfte ermittle.
Neue Perspektiven für datenintensive Steuerbranche
„Die schnelle Evolution der KI in jüngster Zeit bestätigt ihre Bedeutung für die Zukunft. Der Unterschied zwischen ChatGPT-3.5 und -4 zeigt, dass wir uns auf immer bessere Ergebnisse und Möglichkeiten freuen können. Besonders in datenintensiven Branchen wie der Steuerbranche eröffnen sich ganz neue Perspektiven, die uns staunen lassen werden“, so Kirchhoff.
Die kalifornische Softwareschmiede OpenAI veröffentlichte Mitte März die neue Version ChatGPT-4. OpenAI gehört mehrheitlich dem Softwareriesen Microsoft. GPT-4.0 wurde dabei auf viermal so viele Parameter trainiert wie die Vorgängerversion.
Die besonders auf amerikanische Rechts- und Steuertexte trainierte Version von ChatGPT, die Plattform Harvey, wird bereits von der Wirtschaftskanzlei Allen Overy und von der Big-Four-Gesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) eingesetzt.