Im Gespräch

CMS-Steuerchefs: „Wir wollen wachsen, müssen aber realistisch bleiben“

Seit Juli 2023 hat die Steuerpraxis von CMS Hasche Sigle ein neues Führungsduo: Im Gespräch mit JUVE Steuermarkt erklären Thomas Gerdel und Jörg Schrade, in welchen Bereichen die Praxis noch besser werden kann und wieso Tax Technology für die Kanzlei bislang eine untergeordnete Rolle spielt.

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Der Stuttgarter Standort von CMS Hasche Sigle.

JUVE Steuermarkt: Herr Gerdel, Herr Schrade, mit Ihrer Ernennung zu Praxisgruppenleitern scheint Ihre Praxis einen Generationswechsel einläuten zu wollen. Was bedeutet dies für die Ausrichtung der Praxis? Was haben Sie beide sich konkret vorgenommen?
Thomas Gerdel:
Wir wollen die Praxis straffen und dynamisch weiterentwickeln. Wir wollen Highlights setzen und bestimmte Themen in den Fokus nehmen. Wir wollen uns stärker vernetzen: innerhalb der deutschen Praxis, aber vor allem auch weltweit. Da gibt es noch jede Menge Potenzial. Cross-Selling steht bei uns auf der Prioritätsstufe an Nummer Eins.
Jörg Schrade: Wir wollen zudem am Markt noch präsenter werden. Vor allem die jüngeren Partner haben heutzutage ein anderes Auftreten – allein durch die sozialen Medien kann man sich ganz anders einbringen. Das wollen wir nutzen, um CMS auch als Marke für das Steuerrecht noch bekannter zu machen.

Thomas Gerdel

Haben es jüngere Partner heute einfacher als frühere Generationen? Eben weil sie soziale Medien für sich nutzen können?
Schrade:
Die Selbstvermarktung ist leichter, wenn man diese aktiv betreibt. Aber auch die Selbstdarstellung der Kanzlei fällt leichter. Social Media ist dabei Teil der Vermarktung, etwa über unseren CMS Account auf LinkedIn. Wir betreiben diesen personenunabhängig, weil wir die Praxis als Ganze repräsentieren wollen.
Gerdel: Die jüngeren Partner sorgen dafür, dass wir uns noch stärker als in der Vergangenheit spezialisieren. Dazu dienen auch die sozialen Medien.

Mit knapp 40 Berufsträgern, von denen zwölf Partner sind, gehören sie zu den größeren Praxen im deutschen Anwaltsmarkt. Das liegt mit daran, dass einige Wettbewerber ihre Steuerpraxen zuletzt personell ausgedünnt haben. Sie haben ebenfalls davon gesprochen, die Praxis straffen zu wollen.
Gerdel:
Da muss ich kurz einhaken. ‚Straffen‘ bedeutet für mich nicht, an der Personalschraube zu drehen. Es bedeutet für mich vielmehr, dass sich die Kolleginnen und Kollegen stärker auf die wesentlichen Themen konzentrieren. Dies bietet die Chance, dass wir uns sogar weiter vergrößern. Die wirtschaftlichen Parameter sind für uns als Full-Service-Kanzlei – trotz der Konjunkturbewegungen – sehr gut.
Schrade: Mit rund 500 Steuerspezialisten weltweit ist CMS sehr gut aufgestellt. Insbesondere in Europa, aber teils auch in exotischen Regionen können wir unsere Mandanten umfassend und überregional bei komplexen Steuerthemen begleiten.

Jörg Schrade

Die Franzosen sind aber doch viel größer als Sie.
Gerdel:
Das ist richtig. In Frankreich arbeiten allein mehr als 180 Berater in der Steuerpraxis von CMS. Dementsprechend hat die Steuerpraxis dort erheblich Gewicht und ist Teil der DNA der Kolleginnen und Kollegen. Wir gehen einen ähnlichen Weg und wollen keineswegs personell schrumpfen, sondern wachsen. Natürlich perspektivisch – da müssen wir realistisch bleiben.

In Anbetracht der wachsenden Zahl von Transaktionen, insbesondere solchen mit einem Volumen von über einer Milliarde Euro: Welche neuen Ansätze haben Sie entwickelt, um die steuerliche Beratung in diesem Bereich zu optimieren?
Schrade:
Wir sehen die Chancen, die dieser Bereich bietet. Neben der Deal-Strukturierung, der Vertragsverhandlung und der Tax Due Diligence begleiten wir immer häufiger Post-Closing-Themen, beispielsweise bei Post-Merger-Integration, Implementierung von Mitarbeiterbeteiligungen, Restrukturierungen, Streitigkeiten und in Einzelfällen auch zur Vermögensanlage und Nachfolgeplanung. Wir haben das entsprechende Know-how dazu in den vergangenen Jahren einerseits durch verstärkte Spezialisierung und andererseits durch externe Zugänge auf- und ausgebaut. Dr. Martin Mohr hat sein Handwerk vorher bei Hengeler Mueller gelernt, Dr. Tilman Kempf kam von Freshfields, ich war bei Linklaters, Siemens und Milbank. Da kommt dann einiges an externem Wissen und Fähigkeiten zusammen. Entsprechend schaffen wir es auch zunehmend, Transaktionsmandate zu gewinnen, bei denen wir ausschließlich für die steuerliche Beratung mandatiert sind.
Gerdel: Und natürlich hat auch unsere Corporate-Praxis hier einen weiteren Sprung gemacht und in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger Ausschreibungen zu Large-Cap-Deals gewonnen, wovon wir Steuerrechtler wiederum profitieren.

Apropos: Erst kürzlich wurde bekannt, dass sich CMS mit zwei erfahrenen Private-Equity-Spezialisten von King & Wood Mallesons verstärkt? Wie sehr tangieren Sie solche Zu- und auch Abgänge in der Corporate-Praxis Ihrer Kanzlei überhaupt?
Schrade:
In diesem konkreten Fall tangiert uns das tatsächlich sehr. Die neuen Kollegen bringen neue hochklassige Mandanten mit, die wir dann wiederum steuerlich begleiten können.

Unter dem Namen ‚PMI Services‘ (kurz für: Post Merger Integration Services) bieten Sie im Zusammenhang mit M&A-Projekten eigenen Angaben zufolge „relevante Rechtsthemen aus einer Hand“ an. Das machen andere Wirtschaftskanzleien, die ganz ähnlich aufgestellt sind, aber doch genauso. Was hebt Sie hier ab?
Schrade:
Eine Besonderheit ist sicherlich, dass wir ein umfassendes Konzept anbieten können mit Steuern im ‚driver’s seat‘. Wir gehen hier gewöhnlich zunächst vom Dreiklang Gesellschafts-, Steuer- und Arbeitsrecht aus. Hinzu kommen dann je nach Bedarf andere Fachbereiche wie Finanzierung, Real Estate, Regulierung, IP, Commercial oder IT. Zudem haben wir als global aufgestellte Kanzlei mit insgesamt mehr als 5.800 Anwälten eine stärkere Durchschlagskraft als mancher Wettbewerber.
Gerdel:
Da wir hier mit eingespielten Teams agieren, können wir alles anbieten – bis hin zu Post-Merger-Streitigkeiten. Da kommen wir unter anderem mit unseren Litigation-Kollegen zusammen, weil es sich nicht selten um steuerliche Themen handelt.

Ist das nicht sehr stark mit der Beraterbrille gedacht? Alles aus einer Hand anbieten, ist schön und gut. Aber die Ansprechpartner in den Unternehmen sind doch in der Regel völlig unterschiedlich: für Sie der Steuerchef, für die Rechtskollegen dann aber eher der General Counsel.
Schrade:
Natürlich muss man manchmal auch zwei Kanäle parallel bespielen. In der Regel preist die Praxis, die als erste den Fuß in der Tür hat, die anderen dann mit an. Das funktioniert nicht immer und letztlich entscheidet der Mandant. Unsere Erfahrung ist aber, dass sich die Kolleginnen und Kollegen in den Unternehmen durchaus intensiver austauschen, als es früher der Fall war und im Hinblick auf Synergieeffekte immer öfter auch gleich ein Konzept aus einer Hand anfragen. Wir übernehmen hier teilweise das Projektmanagement, die Unternehmen haben einen deutlich geringeren Abstimmungsaufwand, die Prozesse laufen effizienter und die Beratungsqualität ist nach meiner persönlichen Erfahrung auch besser. Diese Vorteile sehen die meisten unserer Mandanten.

Angesichts der steigenden Komplexität in der internationalen Besteuerung: Wie positionieren Sie Ihre Praxis, um Unternehmen in diesen Angelegenheiten zu unterstützen?
Schrade:
Wir haben bereits ein sehr gutes internationales Netzwerk. Wir treffen uns regelmäßig physisch und haben auch virtuell einen monatlichen Austausch. Zudem hat jeder seine individuellen Kontakte aus dem Netzwerk, mit denen sie oder er regelmäßig zusammenarbeitet. Aber klar: Wir sind kleiner als eine Big-Four-Gesellschaft. Allerdings bieten wir die gesamte Bandbreite der notwendigen Rechtsberatung an. In kleineren Ländern, in denen wir nicht präsent sind, setzen wir auf ein erweitertes Netzwerk aus Best-Friends-Kanzleien. Das funktioniert sehr gut.
Gerdel: Es gibt im Übrigen keinen Zwang zur Exklusivität wie in anderen Kanzleien und Beratungsgesellschaften, sprich: Wir können selbst dort, wo CMS vertreten ist, auf andere Berater zurückgreifen. Aber auch hier nutzen wir natürlich vorwiegend das eigene Netzwerk – Stichwort wieder: Cross-Selling.

Nun sind Sie als Praxis in der Tat so groß, dass Sie vom Cross-Selling-Geschäft allein vermutlich nicht gut leben könnten. Wie hoch ist der Anteil an genuinem Steuergeschäft in der deutschen Steuerpraxis?
Gerdel: Natürlich sind wir nicht alle Spezialisten für alles und beraten neben dem klassischen Konzernsteuerrecht auch in Spezialbereichen wie Fonds, indirekten Steuern oder Private Clients. Neben dem Cross-Seeling-Geschäft aus der Sozietät sind wir im Gegensatz zu anderen Kanzleien nicht gehindert, genuines Steuergeschäft zu akquirieren. Wir agieren in etlichen Bereichen als ‚Berater für Berater‘, insbesondere in Finanzgerichtsverfahren. Im Bereich Steuercompliance, Außenprüfungen und Steuerstreit werden wir auch regelmäßig von Unternehmensvertretern direkt beauftragt. Solche und ähnliche Themen beschäftigen uns sehr intensiv und machen einen erheblichen Teil unserer Praxis aus.

Und das Thema Steuerstrafrecht? Jahrelang hat man gesagt, dies sei Sache der Boutiquen. Nun entdecken seit einigen Jahren die Big Four und so manche Wirtschaftskanzlei das Thema für sich.
Gerdel: Wieso der Markt Kanzleien wie uns diesbezüglich weniger auf dem Schirm hatte, ist leicht zu beantworten: Das Thema Vertraulichkeit ist hier noch mal ein ganz anderes. Wenn Sie sich mit einem Anwalt aus einer Strafrechtsboutique unterhalten, wird er Ihnen sicher nicht gleich Ross und Reiter nennen. Dass er aber im Strafrecht tätig ist, liegt dann ja auf der Hand. Da wir die Unternehmen meist ganzheitlich beraten, ist die singuläre Nennung von steuerstrafrechtlichen Mandaten meist nicht gewollt. Soviel kann ich aber sagen, dass auch dieser Bereich einen vergleichsweise hohen Prozentsatz der täglichen Arbeit von einigen von uns ausmacht.

Sie decken das Thema also schon länger ab?
Gerdel: In der Tat. Ich bin 2011 bei CMS Partner geworden zu einer Zeit der Hochkonjunktur von Selbstanzeigen und sonstigen steuerlichen Präventivmaßnahmen. Gerade im Präventivbereich sind wir weiterhin sehr aktiv. Nun haben wir mit Dr. Daniel Kaiser einen Spezialisten für das Thema Wirtschaftsstrafrecht in der Partnerschaft und dadurch sehr große Compliance-Fälle. Wir sind hier stets im Austausch mit den anderen Praxisgruppen, speziell mit unseren Compliance- und Private Clients-Experten.

Was mich aber wundert: Sie bieten auch Deklarationsgeschäft an?
Schrade: Wir bieten Deklaration nur für wenige, ausgewählte Mandate und zumeist für Sonderthemen, jedoch nicht flächendeckend an. Überlegungen zur Neujustierung des Deklarationsgeschäfts gibt es laufend, sie werden derzeit jedoch nicht forciert.

Aber wie wichtig ist das Thema Tax Tech und allgemein die Digitalisierung von Steuerfunktionen – Stichwort: Prozessberatung – für die tägliche Arbeit Ihrer Praxis? Oder ist das eher die Sache der WP-Gesellschaften?
Schrade: In unserer täglichen Arbeit kommt Tax Tech derzeit noch nicht zum Einsatz. Aber perspektivisch ist es für unseren Geschäftsbereich und unsere Kanzlei insgesamt natürlich ein Riesenthema. Wir haben ein großes Legal-Tech-Team, das aktiv den Markt screent und gemeinsam mit Mandanten an wegweisenden Projekten arbeitet. Dieses Team schaut sich auch die Entwicklungen im Steuermarkt an und wir haben uns bereits Demos zeigen lassen und Beta-Versionen getestet. Wir führen auch Gespräche mit einigen Entwicklungshäusern dazu. Zumindest in dem für uns relevanten Bereich der komplexen Steuerberatung ist die Künstliche Intelligenz zum heutigen Zeitpunkt noch kein Gamechanger und muss sich noch weiterentwickeln. Im Gegenteil kann im aktuellen Entwicklungsstadium ein Halluzinieren der Sprachmodelle wie ChatGPT sogar gefährlich sein, wenn man es nicht erkennt. Punktuell kann KI bereits heute sicherlich insbesondere bei repetitivem oder stark standardisiertem Geschäft sinnvoll eingesetzt werden. Das trifft auf CMS jedoch weniger zu als auf die großen WP/StB-Gesellschaften.
Gerdel: Es gibt derzeit erfolgversprechende Projekte, die anlaufen. Wir müssen uns aber ganz genau anschauen, in welchen Bereichen wir das als Kanzlei letztlich gewinnbringend einbringen können.

Die zahlenaffine Steuerbranche ist in Sachen KI, aber auch in Sachen Digitalisierung insgesamt schon weiter als der Rechtsmarkt bei diesen Themen. Etwa auch was hochspezialisierte TCMS-Beratung und steuerliche Prozessberatung anbelangt, die dann in einem zweiten Schritt digitalisiert und automatisiert wird.
Gerdel: Das trifft sicherlich auf das Deklarationsgeschäft zu, aber nicht auf hochspezialisierte Beratung im Steuerbereich. Was Ihre Frage zur Prozessberatung angeht: Wir nutzen Software-Lösungen bisher vor allem intern und für unsere Arbeit. Wir beraten Mandanten diesbezüglich auch, aber eher aufgrund einer Second Opinion im materiellrechtlichen Bereich, nämlich ob ein Tax Compliance Management System gut umgesetzt wurde.  Es ist also eher eine Arbeitsteilung als ein Wettbewerb zwischen uns und den Prüfungshäusern.

Halten Sie eine noch größere Spezialisierung, wie es die genannten Wettbewerber schon länger forcieren, trotzdem für notwendig, um Mandanten im Zuge der zunehmenden Regulierung noch umfassend unterstützen zu können? Stichworte sind etwa: Verrechnungspreise und Umsatzsteuern.
Gerdel:
Neben all den genannten Gebieten, sind wir bei Zoll- und Verbrauchsteuern zum Beispiel ebenfalls schon weit. Wir haben hier eigene Leute in Hamburg. Aber ja: Um die Praxis noch weiter zu stärken, könnte man durchaus an die von Ihnen genannten Themen denken.
Schrade:
Dem stimme ich zu. Gerade Umsatz-, Verbrauchsteuern und Verrechnungspreise bieten für uns weiteres Potenzial.

Mit Blick auf aktuelle Trends wie New Work, Kryptowährungen, Fintech und ESG: Wie können Sie Mandanten die richtigen steuerlichen Antworten auf diese Entwicklungen geben?
Gerdel:
Für das Thema Krypto haben wir mit Dr. Martin Friedberg einen ausgewiesenen Spezialisten in unseren Reihen. Er ist seit gut einem Jahr Partner und soll Themen wie Kryptowährungen und die steuerliche Behandlung von Fintechs beobachten und das Geschäft dahingehend weiter ausbauen. ESG ist ohnehin das Schnittstellenthema unserer Zeit. Wir sind sicher kein Treiber innerhalb der Kanzlei, aber das Thema wird uns künftig noch stärker beschäftigen. Wer weiß: In ein bis zwei Jahren heißt es vielleicht: ESG Tax muss von Anfang an dabei sein. Künftige Entwicklungen zu prognostizieren, wird immer schwieriger. Als aktuelle Trends würde ich auch noch DAC 7 nennen wollen, was uns derzeit auch sehr beschäftigt. Wir stehen dabei in engem Austausch mit dem Bundeszentralamt für Steuern und dem Bundesfinanzministerium.
Schrade: Und was New Work angeht: Global Mobility, Remote Work und grenzüberschreitende Entsendungen spielen bei uns ebenfalls eine große Rolle. Immerhin haben wir eine herausragende Arbeitsrechtspraxis mit gut 80 Arbeitsrechtlern in der Kanzlei – hier fällt viel gemeinsames Geschäft für uns an, und wir können wiederum Lösungen aus einer Hand anbieten.

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