Unter der Lupe

„Der BFH hat sich intensiv mit der Materie beschäftigt“

Sind Kryptowährungen steuerpflichtig? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit der Bundesfinanzhof (BFH; Az.: IX R 3/22). Gestern fand in München die mündliche Verhandlung zu dem Verfahrenskomplex statt. Dr. Martin Friedberg, Verfahrensbeobachter und als Partner bei der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle unter anderem auch für das Thema ‚Besteuerung von Kryptowährungen‘ zuständig, sprach mit JUVE Steuermarkt über den Status quo der Verhandlung.

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Das Verfahren – und worum es geht: Geklagt hatte ein Kölner Krypto-Anleger, der auf veräußerte Gewinne mit Kryptowährungen Steuern zahlen sollte. In dem Verfahren, das erstinstanzlich vor dem FG Köln geführt wurde, geht es vor allem um die grundsätzliche Frage, ob Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum als Wirtschaftsgüter behandelt werden und entsprechend der Steuerpflicht unterliegen. Zudem argumentierte der Kläger, dass eine von der Finanzverwaltung angenommene Steuerpflicht verfassungswidrig sei. Das FG Köln entschied in seinem Urteil vom 25. November 2021 zugunsten der Verwaltung (Az.: 14 K 1178/20). 

Martin Friedberg

JUVE Steuermarkt: Wenn ich nun künftig in Bitcoin investiere: Werde ich dann auf die Veräußerungsgewinne Steuern zahlen müssen?
Dr. Martin Friedberg: Auch wenn das Urteil noch aussteht, nach dem, was wir beobachtet haben, wird der BFH wahrscheinlich dem Finanzgericht Köln folgen. Die Richter haben sich zwar nur bedingt in die Karten schauen lassen, aber aus der Art und Weise, in der sie ihre Fragen formuliert haben, ließ sich schon so einiges ableiten. Die Frage, ob Kryptowährungen tatsächlich als ‚Wirtschaftsgut‘ definiert werden, wird das Gericht sicherlich bejahen. Um also Ihre Frage zu beantworten: Wenn Sie in Bitcoin oder andere digitale Währungen investieren, wären die Veräußerungsgewinne – ab einem Wert von 600 Euro wohlgemerkt – innerhalb eines Jahres steuerpflichtig.

Und wenn ich Bitcoin nach einer bestimmten Zeit einfach in Ethereum tausche und nicht in Euro, bin ich dann noch vor Ablauf dieses einen Jahres fein raus?
In der Tat hat der BFH auch diesen Sachverhalt im Rahmen der mündlichen Verhandlung thematisiert. Die Frage nämlich, ob eine Steuerpflicht auch besteht, wenn ich eine Kryptowährung in eine anderen tausche oder nur dann, wenn ich meine Kryptowährung innerhalb eines Jahres in Fiatgeld tausche – zum Beispiel in Euro. Der Kläger hatte argumentiert, dass dies nicht der Fall sein sollte. Und in der Tat hatte der BFH dem Kläger auch eine gewisse Vorlage für die Argumentation in diese Richtung gegeben. Nämlich mit dem sogenannten ‚Second-Life-Urteil‘ (vom 18. November 2021, Az. V R 38/19; Anm. d. Red.).

Das müssen Sie erläutern.
Bei diesem Urteil ging es um die Frage, ob Umsatzsteuer bei der Vermietung von virtuellem Land im Rahmen des Online-Computerspiels ‚Second Life‘ anfällt. Und dem hatte der BFH seinerzeit eine deutliche Absage erteilt: Bei rein spielinternen ‚Umsätzen‘ fehle es an der Verschaffung eines verbrauchsfähigen Vorteils im Sinne des Mehrwertsteuerrechts, so seine Argumentation. Und auf dieses Urteil stützte sich nun auch die Argumentation des Klägers, auch wenn es in diesem Zusammenhang natürlich um Ertragsteuern geht. Sprich: Was in der Kryptowelt passiert, bleibt in der Kryptowelt.

Und was sagt der BFH?
Ich denke, er wird in diesem Zusammenhang anders entscheiden. Das heißt, auch der Umtausch von Krypto zu Krypto wird voraussichtlich eine Steuerpflicht hervorrufen. Die von Ihnen angesprochene Möglichkeit, mein Geld von Bitcoin in Ethereum zu wechseln, ohne die einjährige Haltefrist zu reißen, würde es daher, wie auch derzeit schon nach Ansicht der Finanzverwaltung, nicht geben. Spannend fand ich aber vor allem, dass der BFH in diesem Punkt explizit nach der Meinung des Klägers gefragt hat. Überhaupt ist uns aufgefallen, dass das Gericht den durchaus komplexen Sachverhalt sehr gut wiedergegeben und sich intensiv mit der Materie beschäftigt hat.

Dann gilt das sicherlich auch für die zweite zentrale Frage, die in der mündlichen Verhandlung – und auch schon vor dem Finanzgericht Köln – im Raum stand: Liegt bezüglich der Aufdeckung von Transaktionen mit Kryptowährungen ein Vollzugsdefizit vor? Der Kläger sieht die Besteuerung ja zusätzlich als verfassungswidrig an.
Auch in diesem Punkt sprechen die Zeichen eher dafür, dass der BFH dem FG Köln folgen wird und nicht von einer Verfassungswidrigkeit ausgeht. Klar ist zwar wohl allen Parteien, auch der Finanzverwaltung, dass es erhebliche tatsächliche Probleme hinsichtlich der Besteuerung in diesem Punkt gibt. Und das war ein Argument des Klägers: Er gibt die Gewinne an und andere, die dies nicht tun, zahlen eben keine Steuern. Dem Finanzamt fehlen die Möglichkeiten, hier eine Gleichbehandlung der Besteuerung zu gewährleisten. Aber, und das ist der entscheidende Punkt: Der BFH sieht in diesem Zusammenhang wohl keinen normativen Widerspruch. Und der Kläger konnte diesen auch nicht substanziieren.

Und wann können wir mit einem Urteil rechnen?
Das wird sicherlich noch etwas dauern. Ich würde vermuten, dass es noch dieses Jahr zu einem Urteil kommen wird, es wurde vom BFH aber nicht ausdrücklich ausgesprochen.

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