ESG-Prüfung bei Beratungshäusern

Der neuralgische Punkt bei Kanzleien sind Gestaltungen

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Nachhaltigkeit gilt als der zentrale Wirtschaftstrend unserer Post-Postmoderne. Dem können sich auch Steuerberatungen nicht verschließen und entwickeln ESG-Angebote für Mandanten. Doch Nachhaltigkeit nur als Fremdverpflichtung wirkt nicht nachhaltig, wenn Kanzleien die eigene Medizin scheuen. Ein ESG-Check bei Kanzleien könnte für manche schmerzlich sein. Nämlich dann, wenn man neuralgische Punkte erwischt. Ein Essay über die Besonderheiten und Dilemmata bei Beratungshäusern.

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Das eigentliche Problem liegt gar nicht bei den Daten. Es liegt in der Selbstreflexion der handelnden Akteure. Und diese fällt bei einem produzierenden Unternehmen und einer Beratungsgesellschaft gänzlich anders aus.

Die Münchner Kanzlei Peters Schönberger & Partner (PSP) hat sich an etwas herangetraut, das andere Beratungen noch nicht angehen: sich selbst einer konsequenten und schonungslosen ESG-Prüfung zu unterwerfen. Anlass für diesen Selbstversuch ist die gerade bekannt gegebene Kooperation mit der Unternehmensberatung Sustainable AG, die sich ausschließlich auf den Bereich der Nachhaltigkeitsberatung spezialisiert hat. Hintergrund für diese Kooperation ist die europäische Gesetzgebung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Durch CSRD (Corporate Sustainable Reporting Directive) müssen Tausende deutsche Unternehmen zukünftig im Lagebericht gemeinsam mit dem Jahresabschluss nachprüfbar und belegt angeben, was sie in Sachen ESG tun.

Doppelte Wesentlichkeitsanalyse

Die wirkliche Herausforderung bei CSRD liegt in der doppelten Wesentlichkeitsanalyse, die Unternehmen in Zukunft bei dieser Berichterstattung vornehmen müssen. Hinter dem kryptischen Begriffsungetüm mit 31 Zeichen, das bei jedem Scrabble-Match zum Sieg verhelfen würde, versteckt sich eine perfide Fragestellung jener Art, wie sie Deutschaufsätze in der gymnasialen Oberstufe berüchtigt macht. Paraphrasiert bedeutet doppelte Wesentlichkeitsanalyse etwa Folgendes: „Erörtere, welchen Einfluss Umweltgesichtspunkte auf die Geschicke und Geschäftsmodelle Deines Unternehmens haben und inwiefern die Geschicke und Geschäftsmodelle Deines Unternehmens auf die Umwelt Einfluss ausüben.“ ‚Umwelt‘ gemeint im Sinne einer ökologischen, sozialen und gouvernementalen ‚Umwelt‘. Die Anforderung der doppelten Wesentlichkeitsanalyse ist daher mit einer existenzialistischen Erörterung frei nach Sartre vergleichbar: Hineingeworfen in die Welt sollen Unternehmen ihre Rolle darin und umgekehrt die Rolle der Welt im Unternehmen betrachten. Diese Erörterungsaufgabe kann man ernst und weniger ernst nehmen, solange die Ergebnisse durch ein Prüfungsunternehmen nachprüfbar sind. Peters Schönberger nahm diese Aufgabe ernst: Schließlich wolle man genau mit diesem Ansatz Geld verdienen, und dies gehe nur, wenn man die Prozedur selbst auf sich nehme, so die Verantwortlichen der Kanzlei.

„Was man nach außen trägt, muss man auch nach innen leben“

Stefan Groß

„Wir wollten uns beim Thema Nachhaltigkeit professionell aufstellen“, sagt der PSP-Partner Stefan Groß. „Um für das Thema einen richtigen Eindruck zu bekommen, war es daher für uns selbstverständlich, dass wir den Prozess zur Entwicklung einer ESG-Strategie zunächst selbst durchlaufen müssen.“ Die Notwendigkeit entstand aber nicht nur aus der Überlegung, eine Medizin selbst geschluckt zu haben, die man anschließend den eigenen Patienten verordnet. Letztlich geht es um Authentizität, aber auch um eine höhere Glaubwürdigkeit am Bewerbermarkt. „Bei jedem dritten Vorstellungsgespräch werden wir von Bewerberinnen und Bewerbern inzwischen gefragt, was wir im Bereich Nachhaltigkeit konkret tun würden“, berichtet Stefan Groß von seinen Erfahrungen im ‚War for Talents‘, der im Bereich Tax und Wirtschaftsprüfung gerade am Standort München so erbarmungslos tobt wie wohl an keinem anderen Standort in Deutschland.

Nikolaus Wanske

„Was man nach außen trägt, muss man auch nach innen leben“, formuliert Stefan Groß die Strategie, mit der die Kanzlei Mandanten wie Bewerber im Bereich Nachhaltigkeit überzeugen möchte. Dabei sah PSP die Wahl eines externen Partners als alternativlos an: „Durch das Selbstprüfungsverbot war uns klar, dass wir für die Implementierungsberatung CSRD einen externen Kooperationspartner brauchen“, sagt PSP-Partner Nikolaus Wanske, der im Prüfungsbereich die Federführung beim Thema ESG und CSRD bei der Münchner Kanzlei inne hat. So biete sich auch die Möglichkeit einer implementierungsbegleitenden Prüfung

Albert Baur

Die Einbeziehung einer auf ESG-spezialisierten Unternehmensberatung kann, gerade bei komplexen regulatorischen Anforderungen wie der CSRD, dabei helfen, einen für das eigene Unternehmen gangbaren Weg zur Erfüllung der diversen internen wie externen Anforderungen in Sachen Nachhaltigkeit zu definieren, sagt Dr. Albert Hans Baur, Director für Sustainability Management bei der Unternehmensberatung Sustainable AG. „Durch unsere breite Präsenz im DACH-Raum bekommen wir gerade tagtäglich mit, dass Unternehmen aller Branchen durch die neuen Berichtsanforderungen stark gefordert, wenn nicht sogar überfordert sind. Oft fehlt es sogar noch an Wissen, welche konkreten Anforderungen überhaupt auf das eigene Unternehmen zukommen“, so Baur. Die Notwendigkeit eines ESG-Reportings und welche Erfordernisse und Anforderungen dieses mit sich bringe, haben daher noch nicht alle Unternehmen und Inhouse-Steuerabteilungen gleichermaßen auf dem Schirm.

Probleme mit Nachhaltigkeit

Richard Albert

Eine Einschätzung, die eine Umfrage aus dem November der Big-Four-Gesellschaft Ernst & Young zum Umsetzungstand von ESG in Unternehmen bestätigt: 62 Prozent der Befragten hätten sich noch nicht ausreichend mit den abgefragten Neuregelungen befasst. 46 Prozent hätten noch nicht geprüft, inwieweit vertragliche Anpassungen mit vor- und nachgelagerten Teilnehmern der Lieferketten und das Ausnutzen steuerlicher Optionen hilfreich sein könnten. 38 Prozent sähen einen Mangel an Daten und Systemen, wodurch Risiken bei der Erfüllung der Berichtspflichten entstünden. Bei Mitarbeitenden der Steuer- und Rechtsabteilungen seien es sogar 55 Prozent, so die beiden Verantwortlichen der Studie, der Global-Trade- und Indirect-Tax- Partner, Richard J. Albert, und der EY-Law-Partner und Head of Legal Compliance, Sebastian Wurzberger.

Sebastian Wurzberger

Selbst bei CBAM, dem Carbon Border Adjustment Mechanism, hätten lediglich 16 Prozent der befragten Unternehmen bereits einen Umsetzungsplan definiert, während 65 Prozent die Regelung, die seit Oktober zu beachten ist, noch nicht ausreichend geprüft hätten. „Während viele Unternehmen noch schlecht aufgestellt sind, kommen aus Brüssel und Berlin laufend neue Richtlinien, Verordnungen und Gesetze zu ESG-Themen“, so Albert. Auch die Chancen der neuen Gesetzgebung werden unzureichend erkannt. Denn Umweltfreundlichkeitsangaben seien in Zukunft nur noch dann zulässig, so die EY-Experten, sofern sie belastbar nachgewiesen werden können. Damit soll das ‚Green Washing‘ eingedämmt werden. „Wenn Steuer- und Rechtsabteilungen aber realisieren, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung in einem hohen Maße nur noch dann valide durchgeführt werden kann, wenn steuerliche oder unternehmensrechtliche Regelungen beachtet werden und dafür Daten als Beweismittel vorliegen, können sie sich und ihre Position in die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens einbringen“, schreiben Albert und Wurzberger im Begleittext der Studie. An der Umfrage der Big-Four-Gesellschaft hatten sich über 200 Unternehmen aus dem gehobenen Mittelstands- und Konzernumfeld beteiligt.

Probleme mit den Daten

Probleme mit Daten im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit meldet auch die jüngst erschienene Studie der Marktforschungsgesellschaft Lünendonk & Hossenfelder zum Thema Data & Analytics Services in Deutschland. Partner der Studie war unter anderem die Big Four-Gesellschaft PricewaterhouseCoopers. 77 Prozent der in der Lünendonk-Studie Befragten sähen Data & Analytics-Technologien als wichtig an, um neue ESG-Reportingpflichten zu erfüllen. Um stärker datengetrieben agieren zu können, müssten Unternehmen jedoch einige Anforderungen erst noch erfüllen: Zwei Drittel der Unternehmen gaben laut der Lünendonk-Studie an, dass sie aufgrund von Datensilos und inkonsistenten Daten keine unternehmensweit homogene Datenbasis und kein einheitliches Datenmanagement hätten. Entsprechend investieren die Unternehmen hier: Satte 96 Prozent legen einen Fokus auf den Auf- oder Ausbau von Datenplattformen. Ebenfalls wollten nahezu alle Unternehmen ihre IT-Landschaft modernisieren, um eine bessere Dateninteroperabilität zu haben. Für die Studie hat Lünendonk rund 180 Anwendungsunternehmen von Data & Analytics-Technologien auf Konzern- und gehobenerer Mittelstandsebene in Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt.

Diametrale Auswirkungen am Beispiel der Kaffeemaschine

©stock.adobe.com | Guido Amrein

Doch wie die doppelte Wesentlichkeitsanlayse zeigt, liegt das eigentliche Problem gar nicht bei den Daten. Es liegt in der Selbstreflexion der handelnden Akteure. Und diese fällt bei einem produzierenden Unternehmen und einer Beratungsgesellschaft gänzlich anders aus: Bei einem produzierenden Unternehmen, das meinetwegen Kaffeemaschinen herstellt, könnte die doppelte Wesentlichkeitsanalyse in etwa so aussehen: Man muss sich Lieferanten und Lieferwege anschauen, betrachten, was man von wem kauft, wer daran als Zwischenhändler verdient und unter welchen Produktionsbedingungen die Komponenten der Kaffeemaschine hergestellt werden, wie hoch die CO2-Emissionen sind, wie es um die Sozialstandards und Bezahlung der Arbeiter steht. Wurden bei Produktion oder Transport Schmiergelder oder Wegegeld gezahlt? Profitierten totalitäre Regime oder terroristische Gruppen davon? Musste Regenwald für den Bau der Produktionsstätten der Komponenten gerodet werden und vieles mehr.

Dann muss man sich die Wirkung der Kaffeemaschine für die Welt da draußen anschauen: Für welchen Zweck benutzen Menschen diese Kaffeemaschinen? Was ist mit den gesundheitlichen Auswirkungen zu hohen Koffeinkonsums? Gibt es Folgeschäden wie Herz-Kreislauf-Krankheiten? Entstehen Abhängigkeiten? Welche Folgekosten für das Gesundheitssystem entstehen dadurch? Wie sieht es mit der Wahrscheinlichkeit von Unfällen aus, wenn sich Menschen an dem Heißgetränk aus der Maschine verbrühen? Können Kaffeemaschinen auch missbraucht werden? Beispielsweise, wenn Tübinger Studenten – wie in den 90er Jahren angeblich geschehen (die mutmaßlich Beteiligten sind der Redaktion bekannt) – Wodka statt Wasser in eine Kaffeemaschine einfüllten und dann etwa ihren Assistenzprofessor zu Kaffee und Kuchen einluden.

Dem muss man die positiven Auswirkungen für die Außenwelt gegenüberstellen: Die Steigerung der Arbeits- und Kognitionsleistungen durch Kaffeekonsum beispielsweise, ohne dessen exzessiven Einsatz auch dieser Artikel niemals entstanden wäre. Die kulturelle Bedeutung wäre eine positive Auswirkung auf die Umwelt: Ohne Maschinen zur Kaffeeherstellung hätten sich Kaffeehäuser und damit die berühmte Kaffeehauskultur niemals entwickelt – inklusiver aller dort angeblich entstandenen literarischen Werke. Wie sieht es aus mit der positiven sozialen Auswirkung von Kaffeekonsum, etwa Nachbarn einmal auf einen Kaffee einzuladen? Auch Steuermehreinnahmen des Staates durch Ertragsteuern, Mehrwertsteuer und Zoll rund um Kaffeemaschinen und Kaffee wären zu berücksichtigende positive Faktoren. Wie viele Arbeitsplätze hängen davon ab, dass Kaffeemaschinen in Deutschland produziert und verkauft werden? ‚Last but not least‘ muss man die wirtschaftlichen Auswirkungen betrachten, also den Nutzen für das Unternehmen, das mit der Produktion und dem Verkauf von Kaffeemaschinen einhergeht.

Kein kalter Kaffee: PSP steht beim Selbstversuch in Sachen ESG-Check vor einer anderen Herausforderungskulisse als Industrieunternehmen

Wäre also PSP ein – um bei unserem Beispiel zu bleiben – Produzent von Kaffeemaschinen, wäre alles überschaubar – und vor allem einfach abhak-, ableit- und abarbeitbar. PSP ist aber eine Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Rechtsanwaltsgesellschaft. Ihr Produkt ist daher kein Gerät, dass ein aromatisches, koffeinhaltiges Heißgetränk herstellt. Das Produkt von PSP ist die Beratungsleistung an sich. Daher steht PSP in seinem Selbstversuch in Sachen ESG-Check auch vor einer anderen Herausforderungskulisse als Industrieunternehmen. Während für Mandanten wie oben beschrieben die Datenpunkte und deren Auswertung ein zentrales Hindernis darstellen, sind es bei einer Beratung wie PSP eher die grundsätzlichen Überlegungen, welche die Erörterung im Sinne der doppelten Wesentlichkeitsanalyse so schwierig gestalten:

©stock.adobe.com | VectorMine

Denn der Begriff ‚Beratungsleistung‘ ist erstmal eine leere Worthülle, die gefüllt werden muss. Beratung für wen? Unter welchen Umständen? Zu welchem Zweck? Unter wessen Beteiligung? – Klar sind nur die rechtlichen Rahmensysteme, innerhalb derer sich die Beratungsleistung bewegt: die Rechtskreise der Steuerberatung, der Wirtschaftsprüfung und der Rechtsvertretung. Welche zusammengenommen alles nicht-private Handeln von Personen in einem Unternehmenszusammenhang abdecken. Klar ist daher nur das Gebiet, innerhalb dessen die Beratungsleistung stattfindet. Die Beratungsleistung an sich ist aber kein Gebiet, sondern ein Weg durch das Gebiet: Der Rechtsrahmen im Bereich Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Rechtsvertretung ist ein Ozean an Möglichkeiten, ein Meer an Inhalten. Eine unübersehbare Fülle an Routen ist möglich und denkbar, auf denen man diese Ozeane und Meere rechtssicher befahren kann.

Es macht keinen Sinn, bei einer ESG-Analyse hinzugehen und PSP mit BASF zu vergleichen, um dann festzustellen, dass PSP im Vergleich keine nennenswerten Emissionen verursacht.

Wenn die doppelte Wesentlichkeitsanalyse schon für produzierende Unternehmen eine Herausforderung darstellt, bewegen sich Beratungsgesellschaften, die sich ihr stellen, in einer ganz anderen Liga. „Wir haben daher bewusst nach einem externen Sparringspartner gesucht, der sich auf den Bereich der Nachhaltigkeitsberatung spezialisiert hat“, erläutert Stefan Groß. Einerseits um für Mandanten entlang der gesamten Wertschöpfungskette das Thema Nachhaltigkeit anbieten zu können, andererseits aber eben auch als Sparringspartner für PSP selbst, um genauer zu fassen, was ‚Wertschöpfungskette‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ im Beratungskontext bedeuten.

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Bei der ESG-Beratung und Prüfung gehe es um „Impacts Riscs und Opportunities“, erläutert Dr. Albert Hans Baur von Sustainable. Also darum, tatsächliche wie auch mögliche Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft, aber eben auch die Geschäftsrelevanz des Themas Nachhaltigkeit konkret zu bewerten. Und zwar bezüglich aller Dimensionen von Nachhaltigkeit: Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung. Ein wichtiger Schwerpunkt bilde dabei die Wesentlichkeit- oder Materialitätsanalyse. Sie helfe die zentralen Schwerpunktthemen für die weitere Integration von Nachhaltigkeit zu identifizieren. Gleichzeitig definiere das Bewertungsergebnis, zu welchen Nachhaltigkeitsthemen in Zukunft schwerpunktmäßig berichtet werden muss. Wichtig sei dabei, dass die verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen spezifisch für das betrachtete Unternehmen bewertet werden, um konkrete, unternehmensrelevante Schwerpunkte abzuleiten. Generell achte Sustainable darauf, dass ein solcher Prozess so aufgesetzt wird, dass er anschlussfähig zu bereits vorhandenen Bewertungs- und Managementsystemen ist. So könne die von der Regulatorik vorgesehen regelmäßigen Wiederholung der Materialitätsbewertung in Zukunft deutlich effizienter ablaufen und den Ressourcenbedarf in den Unternehmen beschränken, so Baur.

Es geht also um die Analyse von Eintrittswahrscheinlichkeiten bestimmter Einflüsse auf die Außenwelt im ökologischen, sozialen oder gouvernementalen Kontext. Deshalb macht es keinen Sinn, bei einer ESG-Analyse hinzugehen und PSP mit BASF zu vergleichen, um festzustellen, dass PSP im Vergleich keine nennenswerten Emissionen verursacht. Es kommt auf eine jeweils spezifische, individuelle Beurteilung an.

Bei ‚Environmental‘ und ‚Social‘ liegen keine echte Stolpersteine. Beratungen kommen erst dann richtig ins Schwitzen, wenn wir zum ‚G‘, nämlich zur ‚Governance‘ kommen.

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Die Frage der Umweltemissionen bilden also das geringste Problem bei der Eigenanalyse von Kanzleien wie PSP. Auch die Frage, ob etwa Associates zu sozial beanstandenswerten Arbeits- und Lohnbedingungen zu Werke gehen, kann man schnell hinter sich bringen. Aber wie sieht es mit der Steuergestaltung aus? Denn richtig disruptiv wird ESG erst beim richtigen Druckpunkt. Denn weder im Bereich ‚Environmental‘, noch im Bereich ‚Social‘ liegen echte Stolpersteine. Beratungen kommen erst dann richtig ins Schwitzen, wenn wir zum G, nämlich zur ‚Governance‘ kommen. Denn unter ‚Governance‘ fällt der Inhalt einer ‚Beratungsleistung‘. Damit müssen Beratungen im Sinne der doppelten Wesentlichkeitsanalyse erörtern, welche Konsequenzen die Inhalte haben, die sie beraten. Sie können sich nicht einfach auf ihre Funktion als Organe der Rechtspflege zurückziehen. Sie müssen sich auch damit auseinandersetzen, welche Auswirkungen die Art und Weise und der Inhalt der eigenen Beratung für die Außenwelt haben. Für eine Steuerberatung bedeutet dies die Auseinandersetzung mit der eigenen Beratungsleistung auch unter dem Aspekt der Steuergerechtigkeit.

Der Druckpunkt ist der Beratungsinhalt – und damit die Frage nach ‚aggressiver Steuergestaltung‘

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Der Druckpunkt für Beratungen wie PSP ist daher das Thema ‚aggressive Steuergestaltung‘. Denn ihr wirklicher Impact für die Außenwelt besteht für eine Steuerberatung darin, wohin die Millionen und Milliarden gehen, die potenziell bei Unternehmen und vermögenden Privatpersonen an Steuerbelastung anfallen würden – sei es ertrags-, erbschafts- oder schenkungssteuerlich. Werden diese mittels legaler, aber fragwürdiger Steuersparmodelle und komplexer Strukturierungen via Zwischenstationen auf den Kanalinseln auf sicheren Konten zum Beispiel in den Golfstaaten geparkt oder wird traditionsverbunden in Deutschland gewohnt, produziert und Steuern bezahlt? Wird extra eine ausländische Betriebsstätte ohne weiteren Sinn erreichtet, damit IP-Rechte möglichst kostengünstig und ohne weitere Steuern auszulösen in einer Steueroase gelagert werden können, während die kostenintensive und damit zur Gewinnreduktion wertvolle Produktion eher in einem Hochsteuerland verbleibt und man sich so gegebenenfalls auch noch Importzölle spart beziehungsweise zusätzlich staatliche Subventionen beantragen kann?

‚Aggressive Steuergestaltung‘ ist der neuralgische Druckpunkt der Branche – nicht erst seit der ZDF-Reportage im Dezember über „die geheime Welt der Superreichen“. Auch Cum-Ex wirft die Frage auf, wie aggressiv Steuergestaltung sein kann und darf. Und wann ‚zu aggressiv‘ beginnt, sich gegen den eigenen Urheber zu richten. ‚Aggressive Steuergestaltung‘ ist auch deshalb der neuralgische Druckpunkt der Branche, weil der Begriff schwer zu definieren ist.

„Als Berater haben wir die Verpflichtung, unsere Mandanten im Rahmen der geltenden Gesetze bestmöglich zu beraten“

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„Als Berater haben wir die Verpflichtung, unsere Mandanten im Rahmen der geltenden Gesetze bestmöglich zu beraten“, skizziert Stefan Groß das, was eine Beratungsleistung in der Steuerbranche ausmacht. „Das beinhaltet auch die Pflicht, den Mandanten über alle bestehenden Möglichkeiten innerhalb der geltenden Gesetze zu unterrichten“, fährt Groß fort. „Mache ich dies als Berater nicht, weil ich die eine oder andere Gestaltungsmöglichkeit als ‚unlauter‘ oder ‚zu aggressiv‘ ansehe und deshalb meinen Mandanten darüber nicht in Kenntnis setze, mache ich mich im Zweifel meinem Mandanten gegenüber schadensersatzpflichtig und haftbar.“

Dennoch kann man sich als Berater nicht vollständig aus ethischen und moralischen Gesichtspunkten heraushalten – ganz im Gegenteil: „Eine Beratung muss für sich eine Werteordnung definieren und der Berater muss entscheiden, wie weit er bei seiner Beratung innerhalb der geltenden Gesetze gehen möchte.“ Im Zweifelsfall muss er auch bereit sein, Mandanten an andere Berater zu verweisen, wenn der Mandant eine Gestaltung verlange, die außerhalb dieser Werteordnung liege, so Groß. „Im Rahmen des eigenen ESG-Projekts hat PSP für sich eine solche eigene Werteordnung schriftlich ausgearbeitet. „Unser Ziel ist es, gleichzeitig legal und legitim steuerlich zu gestalten“, so Groß. Daher rate PSP auch immer wieder von bestimmten Gestaltungsmöglichkeiten ab. Letzten Endes sei es aber Sache des Mandanten zu entscheiden, welche Art der Gestaltung er wünsche und sich im Zweifel dann auch die Beratung und den Berater auszusuchen, die bereit seien, diese umzusetzen.

Ethische Diskussion in der Steuerberaterbranche

Gerhard Schick

Einen Reflexionsprozess über die eigenen Steuergestaltungsmodelle, wie ihn nun PSP im Rahmen der ESG-Eigenprüfung beginnt, fordert auch Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende: „Was legitim ist, entzieht sich einer pauschalen und abstrakten Definition. Genau deshalb braucht es eine ethische Diskussion in der Steuerberaterbranche, konkret anhand verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten. Ich vermisse diese Diskussion.“ Ein guter Maßstab für eine Einschätzung sei für Schick die Frage, ob man sich wohlfühlen würde, wenn die rechtliche Konstruktion und ihre finanzielle Wirkung mit dem eigenen Namen in der Zeitung stünden. „Wer diese Frage mit einem Nein beantwortet, sollte das Ganze wohl besser nicht tun.“

Schick sieht die Beratungen in der Pflicht: „Jeder Berater kann seinem Mandaten Rechts- und Reputationsrisiken klarmachen und auch Grenzen ziehen, welche Geschäfte er aus seiner eigenen ethischen Haltung heraus ablehnt und nicht mitmacht. Das kostet dann vielleicht den ein oder anderen Auftrag. Aber genau das ist die ethische Haltung, die es braucht, dass man eben für Geld nicht alles mitmacht. Meine Beobachtung ist leider, dass bei einigen Beratern die Bereitschaft völlig fehlt, auch mal ein Geschäft nicht zu machen. Das einzige Kriterium scheint da manchmal der eigene Geldbeutel zu sein.“

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