„Im deutschen Unternehmenssteuerrecht hat sich seit einem Dutzend Jahren nicht wirklich etwas getan.“
Prof. Dr. Christian Dorenkamp, Deutsche Telekom: „Ganz anders im Rest der Welt, wo insbesondere, aber nicht nur in den USA, sondern zum Beispiel jüngst auch in Frankreich die Belastung von Unternehmensgewinnen auf rund 25 Prozent gesenkt wurde. Der Aufschlag, der für Wirtschaften in Deutschland inzwischen zu zahlen ist, beträgt somit rund zehn Prozentpunkte beziehungsweise rund 40 Prozent. So bleibt es hierzulande keinesfalls bei den „knapp 30 Prozent“, die Ziel der Unternehmenssteuerreform 2008 waren. Ob Deutschland so viel wettbewerbsfähiger ist als andere Industriestaaten, dass dieser Unterschied im Steuerkeil nachhaltig wettgemacht werden kann, dürfte zweifelhaft sein.“
Prof. Dr. Christian Dorenkamp ist seit 2005 in der Konzernsteuerabteilung der Deutschen Telekom in Bonn tätig, die er seit 2014 leitet. Als Honorarprofessor lehrt er zudem Internationales Steuerrecht an der Universität zu Köln.
„Die US-Reform taugt nicht in Gänze als Vorbild für Deutschland.“
Dr. Tobias Hentze, Institut der deutschen Wirtschaft: „Nach jahrelangem Stillstand besteht steuerpolitischer Handlungsbedarf. Deutschland hält bei der Unternehmenssteuerbelastung unter den großen Industrieländern mittlerweile die rote Laterne. Eine Senkung des Körperschaftsteuersatzes nach US-amerikanischem Muster, wenn auch weniger drastisch, könnte Abhilfe schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Wünschenswert wäre ein großer Wurf mit Abschaffung der Gewerbesteuer. Zielgerichtet würde eine Steuerreform nicht gleich zu einer Unterfinanzierung des deutschen Staates führen und sollte daher spätestens nach der Bundestagswahl 2021 auf der Agenda der Politik weit oben stehen. Trumps Reform veranschaulicht die zwei Seiten der Medaille von Steuersenkungen: Geringere Steuern bedeuten weniger verzerrte Entscheidungen, was aus ökonomischer Sicht erstrebenswert ist.“
Dr. Tobias Hentze ist seit 2014 Senior Economist für Steuer- und Finanzpolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Ebenfalls seit 2014 ist er Lehrbeauftragter für Volkswirtschaftslehre (VWL) an der FOM Hochschule.
„Wir können in der Tat von der US-Steuerreform lernen.“
Dr. Dagmar Möller-Gosoge, Rödl & Partner: „Eines können wir in der Tat von der US-Steuerreform lernen: Sie war ein großer Wurf, mit dem überfällige und international längst übliche Steuerregelungen investitionsstimulierend in den USA umgesetzt wurden. Diesen Mut, strukturelle Themen konsequent anzupacken, wünsche ich mir für die deutsche Steuergesetzgebung auch. 60 Prozent der Steuererleichterungen in den USA gingen dem Tax Policy Center zufolge an die einkommensstärksten 20 Prozent der US-Amerikaner. Zu den Gewinnern gehören sicherlich börsennotierte Großkonzerne wie Facebook, Amazon, Netflix, Google, Tesla und Apple sowie Firmen, die verstärkt in Forschung und Entwicklung investieren. Unternehmen, die sich historisch durch geschickte Gewinnverschiebungen innerhalb bestimmter Landeseinheiten dem US-Fiskus entziehen konnten, werden nun durch die Base Erosion and Anti-Abuse Tax (BEAT) zur Kasse gebeten. Matthias Amberg, mein Partnerkollege in Chicago, bestätigt, dass die US-Steuerreform von deutschen Unternehmen mit Investitionen vor Ort in den USA überwiegend begrüßt wurde und die Marktakzeptanz zum Beispiel durch Produktionsverlagerungen in die USA erhöht werden konnte. Zumindest auf der „Output“-Seite sind die USA wieder ‚great again‘. Aber zu welchem Preis?“
Dr. Dagmar Möller-Gosoge ist seit 2006 für Rödl & Partner tätig und ist als Partnerin für das Beratungsfeld Internationales Steuerrecht verantwortlich.
Zusammengestellt von Annika Janßen anlässlich der JUVE Steuermarkt „Frage des Monats“: Nach vier Jahren Trump: Braucht Deutschland eine Steuerreform nach US-Vorbild? Mehr dazu im aktuellen JUVE Steuermarkt November/Dezember 2020.