Umfirmierung & Umbau

EY-Steuerchef: „Unser Wettbewerbsumfeld hat sich massiv geändert“

Die Big-Four-Gesellschaft Ernst & Young (EY) hat in Deutschland umfirmiert und in diesem Zusammenhang auch eine eigenständige Steuerberatungsgesellschaft gegründet. Gleichzeitig strukturiert sie zum April in der Steuerberatung um und besetzt wichtige interne Rollen nach. Ein Ziel: Die Beratung in Sachen Tax Technology zu verbessern. Doch EY-Steuerchef Alexander Reiter hat noch weitere Pläne.

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Alexander Reiter

JUVE Steuermarkt: Sie haben kürzlich umfirmiert und nun unter anderem auch eine eigene Steuerberatungsgesellschaft gegründet. Die Wirtschaftspresse hat vor allem das Thema Haftung als Aufhänger für die Umfirmierungen aufgegriffen. Wir haben uns viel mehr gefragt: Warum jetzt erst eine eigene Steuerberatungsgesellschaft?
Alexander Reiter: Es gibt gute Gründe, warum wir das jetzt tun: Das Projekt Everest hat uns deutlich gemacht, dass die bisherige Struktur in einer GmbH nicht den Strukturen der anderen europäischen EY-Ländergesellschaften entspricht – und die geplante Aufspaltung in Deutschland erheblich komplexer und schwieriger gewesen wäre. Wir waren neben den Schweizern die einzigen in Europa, die noch mit dieser Struktur arbeiteten. Zugleich hat sich mit dem FISG auch das Haftungsregime für die Wirtschaftsprüfung erheblich verschärft. Daher war der medial stark kolportierte Aspekt der Haftungsgründe nur ein Anlass, sich über die Änderung der Gesellschaftsstruktur Gedanken zu machen. Unsere zentrale Motivation lag aber jetzt darin zu überlegen, ob eine Gesellschaft unserer Größe und so verschiedener Geschäftsbereiche noch mit einer einzigen Gesellschaftsstruktur angemessen und richtig fährt. Durch die Umstrukturierung und die Schaffung einer eigenen Steuerberatungsgesellschaft haben wir nun eine Angleichung an die europäischen Strukturen von EY erreicht.

Hochreguliertes Wirtschafts-, teilreguliertes Steuerberatungs- und nichtreguliertes Unternehmensberatungs- und Consultinggeschäft

Von welchen Geschäften sprechen Sie?
Wir haben grundlegend drei Arten von Services: das hochregulierte Wirtschaftsprüfungsgeschäft, das teilregulierte Steuerberatungsgeschäft und das nichtregulierte Unternehmensberatungs- und Consultinggeschäft. Mit Blick auf mögliche künftige Haftungsfälle hilft uns die neue Struktur, künftige Geschäftsrisiken dort zu belassen, wo sie entstehen. Das gilt auch umgekehrt. Wenn in Zukunft die EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft einen Haftungsfall haben sollte, dann wird auch nur diese und nicht die anderen Gesellschaften dafür mithaften. Für Altrisiken oder Altfälle ändert sich nichts, weil für diese weiterhin die bestehenden bisherigen gesetzlichen Vorgaben gelten.

Stärker und einheitlicher als Steuerberatungsgesellschaft auftreten

Welche Vorteile hat die Umstrukturierung für Sie jenseits von Haftungsfragen?
Es ist wichtig, dass wir stärker und einheitlich als Steuerberatungsgesellschaft auftreten können. Als größter Steuerberater in Deutschland ist dies für uns besonders relevant. In der Vergangenheit war es nicht möglich, die verschiedenen Service Lines (Wirtschaftsprüfung, Strategieberatung, Consulting und Tax) unter den Schirm des Steuerberatungsgesetzes zu bringen. Jetzt haben wir die Möglichkeit dazu. Dazu war es aber nötig, dass wir eine Gesellschaft haben, in welcher nur Steuerberatungsleistungen erbracht werden. Man darf den operativen Vorteil, den getrennte Gesellschaften bieten, nicht unterschätzen. Es geht dabei nicht nur um Regulatorien, sondern auch um die Wettbewerbs- und die Bewerbersituation von Mitarbeitenden, die in den einzelnen Bereichen Audit, Advisory und Tax völlig unterschiedlich sind. Es ist viel einfacher, verschiedene Geschäftsmodelle in separaten Einheiten zu managen. Die Größe unserer Einheiten spielt dabei eine Rolle. Wir sprechen hier über 3.000 Mitarbeitende allein in der deutschen EY Steuerberatungsgesellschaft.

Das ist aber doch kein Argument. Mitarbeiter unterschiedlicher Fachbereiche arbeiten doch in fast jedem Unternehmen. Dazu braucht es doch keine eigene Entität.
Doch. Denn das Wettbewerbsumfeld hat sich entschieden geändert. Wenn Sie sich etwa die Strategieberatung anschauen, dann spielen die anderen Big-Four-Gesellschaften zwar auch eine Rolle, wichtige Wettbewerber sind dann aber eben auch McKinsey und Bain oder die Boston Consulting Group. Wenn man die IT-Beratung anschaut, dann sind unsere Konkurrenten Accenture und IBM. Hier differenziert sich der Wettbewerb aus, und damit der Personenkreis innerhalb von EY, der sich diesem Wettbewerb stellt. Wenn Sie sich die Situation vor 25 Jahren anschauen, dann haben dort viele noch Prüfungs- und Steuerthemen parallel betreut. Das gibt es so heute bei uns nicht mehr – allenfalls die Prüfung der Steuerpositionen im Jahresabschluss im Rahmen eines Reviews. Ansonsten ist bei uns der Personenkreis für Prüfung und Steuern getrennt.

Die Anwaltsgesellschaft haben Sie auch getrennt. KPMG wollte ihre Anwaltsgesellschaft vor geraumer Zeit integrieren und ist vor dem Verwaltungsgericht gescheitert. Gibt es solche Bestrebungen auch bei Ihnen?
Das wäre natürlich wünschenswert, wenn es berufsrechtlich möglich wäre, Recht und Steuern aus einer Einheit heraus anzubieten. Aber dies ist, solange sich das Rechtsanwaltsberufsrecht nicht ändert, eher schwierig umzusetzen.

Independence-Regeln gelten weiterhin

Durch die jetzige Umstrukturierung sind Sie dann aber nicht auch von den Regeln des Sarbanes-Oxley-Acts und der EU-Audit-Reform befreit?
Nein, soweit greift diese Reorganisation nicht. Die Independence-Regeln gelten weiterhin für den Gesamtverbund. Aber was die spezifischen zusätzlichen Qualitätssicherungsregeln im WP-Bereich betrifft, diese treffen uns aus der EY Tax GmbH Steuerberatungsgesellschaft künftig nicht mehr. Dafür unterliegen wir jetzt der Steuerberatungsregulierung.

Hat die Umfirmierung auch etwas mit Ihren internen Umstrukturierungen bei den Rollenverteilungen im Bereich Tax zu tun?
Der Grund für unsere Entscheidung, die Strukturen zu überprüfen, hat mit der Reorganisation nichts zu tun. Was die Veränderungen bei den Rollen angeht, so geht es dabei um unsere Organisation innerhalb der Arbeitsbereiche in der Steuerberatung. Diese Veränderungen hätten wir unabhängig davon durchgeführt, ob wir eine eigenständige Gesellschaft sind oder nicht.

Frank-Peter Ziegler

Wie genau haben Sie intern umstrukturiert?
Es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu unterscheiden. Die Sub-Service-Lines, also die Fachbereiche im Bereich Steuern, kümmern sich um bestimmte Disziplinen. Ein anderer Aspekt ist die Kundenbetreuung, also die Marktseite. Bei den Sub-Service-Lines hat sich grundsätzlich nichts geändert. Die Strukturen sind wie bisher. Eine Änderung gab es jedoch im Bereich Indirekte Steuern, wo die Zuständigkeit von André Hengst zu Frank-Peter Ziegler überging. Dies betrifft Umsatzsteuer und Zoll, wobei sich inhaltlich nichts verändert hat.

Ralf Eberhardt

Im Bereich der International Tax and Transaction Services (ITTS) gibt es drei Unterbereiche. Einer dieser Unterbereiche, den wir als ICTA (International Corporate Tax Advisory) bezeichnen, befasst sich mit klassischer internationaler Steuerberatung. Diesen Kompetenzbereich führt nun ab April Ralf Eberhardt an.

Karl-Christopher Erkrath

Das sind sehr viele Akronyme…
In vielen Gesellschaften nutzen wir eine Vielzahl von Abkürzungen. TTA steht für Transaction Tax Advisory, was steuerliche Transaktionsberatung bedeutet. Mit April übernimmt hier Karl-Christopher Erkrath die Leitung des Bereichs. Wir haben also keine Umstrukturierung vorgenommen, sondern die Bereiche existierten bereits vorher und bestehen auch heute noch fort. Im Bereich Transfer Pricing hat sich im Übrigen nichts geändert. Dieser steht weiterhin unter der Leitung von Alessia-Maureen Dickler. Wir arbeiten vor allem daran, die Kundenbetreuung, also die Marktseite, neu zu gestalten.

Alessia-Maureen Dickler

Künstliche Intelligenz und Technologietrends von zentraler Bedeutung

Das müssen Sie erläutern.
André Hengst wird das Thema Technologieberatung übernehmen, und zwar über alle Abteilungen hinweg, die wir in Tax haben. Denn es gibt bestimmte Themen, die gesamtunternehmensweit in der Steuerabteilung behandelt werden sollen. Es ist wichtig, dass wir nicht in Silos denken, sondern uns von den Kundenbedürfnissen leiten lassen. Wenn man die Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) und andere Technologietrends betrachtet, ist klar, dass diese Themen von zentraler Bedeutung sind. Technologie spielt sowohl in den indirekten als auch in den direkten Steuern eine bedeutende Rolle. Um eine gewisse Konsistenz zu haben und das Thema insgesamt voranzutreiben, soll André Hengst den Technologiebereich steuern und koordinieren.

André Hengst

Nachdem Sie das Tax, Technology and Transformation-Team vor gut zwei Jahren aufgelöst und in die Sub-Service-Lines reintegriert hatten, betonen Sie nun das Thema Tax Technology wieder stärker in einer Matrix-Struktur?
Genau, aber die TTT war damals eine eigenständige Einheit und die Rolle, die André Hengst übernimmt, gab es zuvor nicht. Der Hintergrund ist, dass die technologische Entwicklung, insbesondere durch KI und im Speziellen von GenAI, unseren Bereich in der Steuerberatung noch stärker beeinflussen wird, sowohl in Bezug auf unsere Arbeitsweise als auch auf die unserer Kunden. Diese Veränderungen werden in den kommenden fünf Jahren wahrscheinlich größer sein als alle anderen Veränderungen in den vergangenen zwanzig Jahren. Deshalb soll André Hengst unsere Lösungen für Kunden im Technologiebereich über die gesamte Steuerabteilung koordinieren und vorantreiben. Aus meiner Sicht ist dies ein wichtiger Bestandteil, um die Zukunft der Steuerberatung richtig zu gestalten, weil der Technologieanteil in der Beratung in den kommenden Jahren deutlich zunehmen wird oder zunehmen muss.

Wird EY jetzt eine Softwareschmiede?
Nein, es wird immer eine enge Verbindung zwischen Technologie und Beratung geben. Wir werden kein Softwareunternehmen. Angesichts der Entwicklungen in der Künstlichen Intelligenz könnte man sich sogar fragen, ob das Thema Software überhaupt noch eine Zukunft hat. Mit bestimmten KI-Lösungen, wenn man die richtigen Prompts setzt und die richtigen Fragen stellt, sind die Zeiten vorbei, in denen viele Menschen sitzen, diverse Programme entwickeln und Codes schreiben. Ich glaube, dass das Thema Technologie im Steuerbereich deutlich an Bedeutung gewonnen hat und weiter gewinnen wird. Das ist nicht überraschend, da vieles im Steuerrecht regelbasiert ist und Technologie hier viel an neu dazu gewonnenen Daten und die Entwicklung von Mehrwerten aus diesen übernehmen kann.

Florian Ropohl

Branchenübergreifende Funktion für Transaction-Tax-Chef Florian Ropohl

Und welche Rolle wird Ihr bisheriger Transaction-Tax-Chef Florian Ropohl in Zukunft einnehmen?
Wir möchten, ähnlich wie alle anderen Service Lines, unseren Fokus stärker auf Sektoren, also Branchen, richten. Die Themen, die Kunden aus einem bestimmten Sektor oder Subsektor haben, sind oft sehr ähnlich. Eine engere Zusammenarbeit mit Kollegen bei Projekten macht es sinnvoll, auch in der Steuerberatung den Fokus auf einzelne Branche zu verstärken. Dies ermöglicht eine engere Verzahnung bei gemeinschaftlichen Projekten, etwa im Bereich Sustainability oder bei Transformationsprojekten. Natürlich gibt es auch im Steuerrecht sektorspezifische Themen, wie im z.B. im Bereich der Fördermittel, und um hier einen stärkeren Push zu erzielen, wird Florian Ropohl diese Koordination übernehmen. Das Thema ist aber nicht komplettes Neuland für uns: Er übernimmt die Funktion von Roland Kaufmann, der aus Altersgründen ausscheidet.

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