Die als ,Lünendonk-Liste‘ bekannte Aufstellung der umsatzstärksten Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften feiert dieses Jahr ihr 20-jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass brachte das Marktforschungsinstitut Lünendonk & Hossenfelder erneut Medienvertreter und Beratende in Frankfurt zusammen, um über die Umsatzzahlen und aktuelle Entwicklungen zu sprechen. Eins vorweg: Dem Markt geht es – trotz insgesamt wirtschaftlich schwacher Lage in Deutschland – weiterhin sehr gut.
Die 25 größten WP- und Steuerberatungsgesellschaften sind auch im vergangenen Geschäftsjahr erneut deutlich gewachsen: Im Durchschnitt konnte die Spitzengruppe im vergangenen Geschäftsjahr 10,7 Prozent mehr Umsatz erwirtschaften – und knackte damit zum ersten Mal die Marke von 20 Milliarden Euro. Dabei zeigen sich einige Parallelen zu den erst kürzlich von JUVE Steuermarkt recherchierten stärksten Steuerberatungseinheiten. Denn auch mit Blick auf den Gesamtumsatz dominieren die Big-Four-Einheiten nach wie vor den Markt: Mehr als 50 Prozent der 20 Milliarden Euro entfallen auf sie.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Unter den Big Four kam es jedoch zu Verschiebungen. PricewaterhouseCoopers (PwC) bleibt – trotz eines mageren Wachstums von 1,1 Prozent – mit einem Umsatz von rund drei Milliarden Euro Branchenprimus. Doch bei den Verfolgern hat sich einiges getan. EY musste den zweiten Platz an KPMG abgeben. Und Deloitte ist beiden Einheiten mittlerweile dicht auf den Fersen.
Tatsächlich liegen die Umsätze mittlerweile so nah beieinander, dass selbst Lünendonk die Platzierungen in Frage stellt. „Hier geht es auch um buchhalterische Unterschiede. Man kann also kaum noch sagen, wer tatsächlich die Nummer Zwei, Drei oder Vier ist“, sagte Jörg Hossenfelder, Geschäftsführender Gesellschafter von Lünendonk & Hossenfelder. Zur Einordnung: KPMG kam auf einen Gesamtumsatz von 2,595 Milliarden Euro und EY auf 2,593 Milliarden Euro; Deloitte erwirtschaftete 2,582 Milliarden Euro.
Auch das Verfolgerfeld konnte zuletzt wieder kräftig zulegen: Die sogenannten Next Six – bestehend aus RSM Ebner Stolz, BDO, Rödl & Partner, Forvis Mazars, Baker Tilly und Grant Thornton – legten 2024 wieder deutlich zu und kamen mit einem durchschnittlichen Plus von 15,8 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro (2023: 1,9 Milliarden Euro). Damit hat RSM Ebner Stolz Wettbewerberin BDO mit einem Plus von fast 20 Prozent überholt.
Viel Dynamik im Markt
Auch unterhalb der Next Six sind die Entwicklungen größtenteils positiv. Beispiele: dhpg wächst im zweiten Jahr in Folge überdurchschnittlich stark: Nach einem Plus von 48,6 Prozent 2023 erzielt die Bonner WP-Gesellschaft im zurückliegenden Geschäftsjahr einen Umsatz von 137,3 Millionen Euro (+47,8 Prozent). Dabei kam dhpg vor allem die Integration von Nordwest Revision in Bremen zugute. Damit gehören drei der sechs ehemaligen RSM-Deutschland-Gesellschaften nach dem Netzwerk-Wechsel mittlerweile zu dhpg. Die anderen drei Einheiten sind als Nexia aktiv und nehmen mit 66,9 Millionen Euro Platz 16 ein.
Ähnlich wie im Steuermarkt zeigt sich die Konzentration der Branche auch an den Umsatzzahlen von Lünendonk. Zum Vergleich: Dr. Kleeberg, die letztplatzierte der Top 25, kam auf einen Umsatz von 40,1 Millionen Euro. Das macht noch nicht einmal 1,5 Prozent des Umsatzes von PwC aus. „Die Zahlen zeigen, dass es unglaublich viel Potenzial für Marktkonsolidierungen gibt“, analysierte Hossenfelder im Rahmen der Pressekonferenz.
Damit spielt er auch auf die jüngste Entwicklung an, dass der Markt zunehmend für Private-Equity-Investoren interessant wird. Während Einheiten wie WTS, PKF WMS, ETL und Afileon bereits Kooperationen mit Finanzinvestoren eingegangen sind, zeigten sich die bei der Pressekonferenz anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch zurückhaltend.
Prof. Dr. Andreas Blum, Managing-Partner bei dhpg, sieht zwar ein verstärktes Interesse der PE-Branche. Aber: „Das ist Wahnsinn. Zum Teil haben an einem Tag gleich fünf Investoren bei uns angeklopft“, sagte er. „Als Berater für den Mittelstand müssen wir jedoch selbst Unternehmer sein. Ein solcher Schritt passt also nicht zu unserer Kultur“, betonte Blum, wenngleich er kein Unabhängigkeitsproblem der Branche durch PE-Investments sieht.
In eine ähnliche Kerbe schlug auch Rainer Grote von Nexia. „Als Mittelstandsberater ist dies für uns auch kein Thema. Aber: Natürlich kann sich diese Situation auch ändern.“
Verschiebung bei Managementthemen
Wenig überraschend: Kein Thema beschäftigt die Branche so stark wie die Digitalisierung und künstliche Intelligenz. 100 Prozent der Befragten unter den Top 25 gaben an, dass Technologie zu den wichtigsten Managementthemen gehört. Zum Vergleich: Das Thema Personal kam nur noch auf einen Wert von 76 Prozent. „Dabei war Personal in den vergangenen Jahren immer das Thema Nummer 1 für den Markt“, betonte Hossenfelder.
Generell fällt auf, dass Transformation – egal ob digital, strukturell oder personell – derzeit das zentrale Schlagwort im Markt ist. Christoph Regierer, Managing-Partner von Forvis Mazars mahnte allerdings zur Vorsicht. „Transformation ist ein Imperativ und nicht optional. Was aber nicht stimmt: Private Equity plus künstliche Intelligenz gleich Transformation. Ich wünsche mir hier mehr Differenzierung“, sagte er.
ESG verliert an Bedeutung
Auffällig war in der Lünendonk-Studie darüber hinaus, dass das Thema ESG zuletzt an Bedeutung verloren hat. Nur noch 43 Prozent der Umfrageteilnehmenden erwarten hier Umsatzsteigerungen. „In den vergangenen Jahren sprachen wir hier immer von gut 80 Prozent“, betonte Hossenfelder. Ein Grund: Durch die EU-Omnibus-Verordnung gebe es eine deutliche Zurückhaltung beim Thema ESG. Doch, da waren sich die bei der Pressekonferenz anwesenden Beratungsgesellschaften einig, könne sich das auch sehr schnell wieder ändern.
Was sich nicht so schnell ändern wird: Die Bedeutung von Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung für die Teilnehmenden der Lünendonk-Studie. Zwar hat das Thema Consulting/Advisory in den vergangenen Jahren vor allem bei den Big Four an Fahrt aufgenommen. So erwirtschaftete allein Deloitte zuletzt knapp die Hälfte ihres Umsatzes mit eher klassischer Unternehmensberatung. Trotzdem machen Steuerberatung (inklusive Deklaration und Buchhaltung) mit 42,1 Prozent und Wirtschaftsprüfung mit 34,4 Prozent nach wie vor den Löwenanteil am Gesamtumsatz der Gesellschaften aus. Und dies soll sich laut Prognosen auch im laufenden Geschäftsjahr nicht ändern.