Im Gespräch mit Baker Tilly

„Viele große Unternehmen kommen derzeit auf uns zu“

Seit etwas mehr als einem Jahr hat Baker Tilly nun ihre Partnerschaft neu organisiert. Im Gespräch mit JUVE Steuermarkt spricht Oliver Hubertus, Managing-Partner für den Bereich Steuern, über die neue Struktur, die Vorteile von organischem gegenüber anorganischem Wachstum und darüber, wieso die Next-Seven-Gesellschaft ganz automatisch in die Phalanx der Big Four vordringt.

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Oliver Hubertus zeichnet seit fast sieben Jahren als Managing-Partner für die Geschicke der Steuerberatung bei Baker Tilly verantwortlich. Der Münchner Berater ist Rechtsanwalt und Steuerberater und seit gut 18 Jahren bei der Next-Seven-Gesellschaft (damals noch Richter & Partner). Davor war er unter anderem für Ernst & Young tätig.

JUVE Steuermarkt: Herr Hubertus, wie war Ihr vergangenes Jahr?
Oliver Hubertus: 2022 war für unsere Steuerpraxis ein überaus erfolgreiches Jahr. Für diesen Erfolg haben alle Kolleginnen und Kollegen hart gearbeitet und wir möchten diese Entwicklung natürlich ohne Unterbrechung in diesem Jahr fortsetzen.

Trotz oder gar wegen der ganzen Krisen?
Es ist durchaus so, dass wir alle bei Baker Tilly immer mehr Krisenfälle auf den Tisch bekommen. Das ist für unser Beratungsbusiness natürlich positiv. Ich reise viel, besuche Mandanten und bin im Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten. Das Geschäft in der Steuerberatung entwickelt sich sehr positiv.

Zumindest das Transaktionsgeschäft schwächelt aber zurzeit stark.
Das können wir so nicht bestätigen. Der Eindruck mag in Bezug auf Deals im Large-Cap-Segment teilweise zutreffen, aber schauen Sie sich die Branchen an, in denen wir schwerpunktmäßig tätig sind: Healthcare, Sports, Energy, Infrastructure – dort ist überall nach wie vor viel Musik drin. Vor allem bei den strategischen Käufern läuft es nach wie vor sehr gut. Mit unseren Beratungsaktivitäten im Transaktionsgeschäft bin ich sehr zufrieden. Aktuell laufen sowohl mehrere Signings als auch Closings. 

Für Ihre Kollegen und Kolleginnen, die sich vor allem mit Immobilientransaktionen beschäftigen, dürften das nur warme Worte sein. 
Der Real-Estate-Sektor mag unter Druck sein, weil Immobilienbesitzer im Moment schlechter verkaufen können. In manchen Segmenten, vor allem bei Immobilien im Healthcare-Sektor, hat sich das Transaktionsgeschäft auch spürbar abgeschwächt. Aber es wird wieder Zukäufe geben, nur sicher nicht zu den alten Preisen. Selbst derzeit angeschlagene Unternehmen werden wieder investieren – da bin ich mir sicher. Außerdem: Keiner unserer Berater ist nur auf Immobilientransaktionen begrenzt. Die Kolleginnen und Kollegen haben zuletzt unter anderem viele Restrukturierungsthemen mit unseren Spezialistenteams begleitet.

Und dieses Geschäft wird noch zunehmen?
In diesem Jahr sind bereits zahlreiche Unternehmen in eine Schieflage geraten – wie man ja auch der Presse entnehmen konnte. Das bleibt bei den gestiegenen Preisen nicht aus. Mit einer flächendeckenden Insolvenzwelle rechne ich allerdings nicht mehr. 

„Wir wollen Partner aus den eigenen Reihen“

Für stabiles Geschäft würde etwa die Beratung der öffentlichen Hand sorgen. Wie sind Ihre Ambitionen diesbezüglich?
Wir haben unsere Public-Sector-Beratung vor gut zwei Jahren mit Rainer Schindler in Leipzig verstärkt. Eine strategische Erweiterung, die wie geplant komplett aufgegangen ist. Und am Ende des Tages kommt bei der Beratung der öffentlichen Hand das Konzernsteuerrecht mit unterschiedlichen Vorzeichen zum Einsatz. Insofern werden wir den Ausbau im Public Sector weiter vorantreiben. Man muss hier allerdings auch beachten, dass die Vergaben in diesem Segment auch sehr preisgetrieben sind; wir wollen und werden daher nicht alles mitgehen.

Stichwort Finanzsteuern: Sowohl den bisherigen Praxisgruppenleiter Marc Lebeau als auch den langjährigen Berater Dr. Götz Weitbrecht hat es zu Ernst & Young (EY) gezogen. Da haben Sie zuletzt ordentlich Federn lassen müssen…
…und mit Bartosch Tomczyk sofort einen erfahrenen und versierten Nachfolger gefunden.

Herr Tomczyk kam von der Berenberg Bank. Muss er sich nicht erst noch in die Beraterwelt einfinden?
Keineswegs, er war ja vor seiner Zeit bei Berenberg immerhin acht Jahre in der Financial-Services-Tax-Praxis von PricewaterhouseCoopers als Berater tätig. Bartosch kennt also beide Seiten, passt perfekt ins Team, ein echter Glücksgriff.

Um mit den genannten Wettbewerbern Schritt zu halten bzw. um an diese heranzukommen, müssen Sie aber noch wachsen.
Das werden wir – auch mit weiteren erfahrenen Partnern. Und das nicht nur bei Financial Services Tax, sondern vor allem auch bei Konzernsteuern und Transaktionen.

Andere Gesellschaften waren zuletzt aber deutlich aktiver, wenn es um das Thema Quereinsteiger geht.
Wir setzen dafür stärker als andere auf organisches Wachstum. Wir legen viel Wert darauf, neue Partner aus den eigenen Reihen aufzubauen. Unsere Talente verkörpern unseren Spirit, das ist uns sehr wichtig. Wir haben in 2022 insgesamt elf Kollegen und Kolleginnen im Bereich Recht & Steuern zu Partnern bzw. Direktoren befördert. In diesem Jahr waren es wieder sieben, davon drei Partner. Gleichzeitig halten wir die Augen offen, um uns auch punktuell mit weiteren Top-Fachleuten von außen zu verstärken.

Inwiefern hilft Ihnen das neue Partnermodell?
So neu ist es gar nicht mehr. Bereits seit Januar 2022 sind alle Partner Equity-Partner – und entsprechend gleichgestellt. Dass wir nun ein ‚Naked-in-naked-out-Modell‘ haben, hilft ungemein. Und die Akzeptanz ist sehr groß.

„Ein kleines Commitment ist uns nach wie vor wichtig“

Also keine Einlage mehr?
Eine Einlage im sehr niedrigen sechsstelligen Bereich ist weiterhin Bestandteil einer Partnerschaft. Als kleines Commitment ist uns dies nach wie vor wichtig. Die Zeiten, in denen Anwälte und Steuerberater bereit sind, ein oder zwei Millionen Euro zu zahlen, um Teil einer Partnerschaft werden zu können, sind aber definitiv vorbei.

Und wie halten Sie Ihre Angestellten bei Laune?
Zum einen wollen wir die Kolleginnen und Kollegen weiterentwickeln. Wir unterstützen sie bei der fachlichen Vertiefung in Form von Fort- und Weiterbildungsangeboten. Es geht darum, den Mitarbeitern zu zeigen: Bei uns habt ihr eine echte, langfristige Perspektive. Hier schließt sich wieder der Kreis zum Thema organisches und anorganisches Wachstum. Zudem haben wir zum Start des Jahres 2023 ein neues Vergütungssystem eingeführt.

Mit Geld allein wird sich der Fachkräftemangel aber nicht lösen lassen.
Es geht dabei nicht nur um das Finanzielle, sondern auch darum, den jungen Kolleginnen und Kollegen mehr Wahlfreiheit zu geben. Seit Anfang des Jahres vergüten wir unter dem Titel des Managers anders. Diese bekommen nun ein fixes dreizehntes Monatsgehalt und können zusätzlich noch bis zu einem vierzehnten Monatsgehalt als Boni erhalten. Das Besondere dabei ist, dass sie die Zusatzgehälter wahlweise auch in Freizeit umwandeln können. Das läuft unterm Strich fast auf eine Viertagewoche bei gleichbleibendem Gehalt hinaus. Diese Wahlmöglichkeit ist vor allem bei jungen Kolleginnen und Kollegen extrem positiv angekommen. Das bietet nicht jeder Arbeitgeber. Analog werden wir zudem unsere Examensförderung angleichen. Dazu kommen noch Benefits wie Sport- und Freizeitangebote. Wir lassen uns einiges einfallen – und das müssen wir auch.

Wie halten Sie es mit dem Thema Homeoffice?
Natürlich bieten wir unseren Kolleginnen und Kollegen Flexibilität bei der Wahl ihres Arbeitsorts. Es ist gleichzeitig eine Gratwanderung zwischen Flexibilität und Unternehmensbindung. Gut ist natürlich, wenn unsere Partnerinnen und Partner ihre Teams dafür begeistern können, wirklich oft und gerne ins Büro zu kommen.       

Zurück zum Geschäft: Wofür brauchen Sie denn vor allem Personal?
Die Auslagerung von globalen Steuerfunktionen wird für uns immer mehr zum Thema. Viele große Unternehmen kommen derzeit auf uns zu und fragen, ob wir nicht weite Teile der Prozesse übernehmen können. Das fängt bei der Deklaration an und hört bei Transaktionen nicht auf. Aus solchen Mandaten erwachsen dann alle möglichen Themen – durchaus auch streitige natürlich. Beim Thema globale Mindeststeuer haben wir vor allem mit Dr. Klaus-Jörg Dehne einen renommierten Experten, den wir vor zwei Jahren geholt haben und der mehr als 20 Jahre Inhouse-Erfahrung bei Bayer mitbringt. 

Wohin geht die Reise beim Outsourcing?
Der große Treiber ist die globale Mindestbesteuerung, die Implementierung von Pillar 1 und Pillar 2. Das kommt aus der Steuerabteilung, aber das Accounting setzt es um. Deshalb braucht es Schnittstellenberater – und das sind wir.

„Die Spezialisierung hilft uns“

Dringen Sie damit nun endgültig in die Phalanx der Big Four vor?
Ja, und das passiert ganz automatisch. Die Unternehmen geben immer mehr Service-Leistungen raus. Viele Big-Four-Gesellschaften sind jedoch bereits Prüfer. Und selbst wenn nicht: Einige Unternehmen wollen ihre Steuerberatung gar nicht in die Hände einer der Big-Four-Gesellschaften legen. Vor allem große Mittelständler sind hier eher zurückhaltend. Das ist für uns eine Riesenchance. Die Spezialisierung der vergangenen Jahre hilft uns da ungemein.

Sprechen wir hier eher von In- oder von Outbound-Geschäft?
Sowohl als auch. In der Regel setzt der Outsourcing-Prozess ja beim jeweiligen Headquarter an. Und je nachdem, wo die Zentrale ist, werden wir in den Prozess mit einbezogen. Auch die Kollegen aus unserem weltweiten Baker Tilly-Netzwerk nehmen uns dazu, da betreuen wir dann die jeweiligen Landesgesellschaften – das ist natürlich kleinteiligeres Geschäft.

Sie haben eben die wachsende Spezialisierung angesprochen. In München und Düsseldorf sind Sie in der Steuerberatung personell breit aufgestellt – und können Spezialdisziplinen anbieten. Wie sieht es zum Beispiel in Hamburg aus? Die Fusion mit TPW liegt mittlerweile mehr als sieben Jahre zurück.
In Hamburg haben wir etwa mit Christian Hensell einen Spezialisten für Reorganisationen, Tax Litigation und vor allem Umwandlungsteuerrecht – er kam direkt von TPW. Zudem gibt es Matthias Chuchra, der einen Schwerpunkt im internationalen Steuerrecht und im Bereich Immobilien hat.

Und Sie leisten sich einen vergleichsweise kleinen Standort wie Dortmund – nicht unweit von Düsseldorf?
Das ist kein Widerspruch. Westfälische Mandanten fühlen sich bei Dortmunder Beratern besser aufgehoben. Die regionale Präsenz spielt bei der Beratung eine extrem wichtige Rolle. Beispielsweise lassen sich Mandanten in Stuttgart nicht nachhaltig aus Frankfurt oder Düsseldorf begleiten. Einige Standorte sind historisch bedingt Teil von Baker Tilly mit durchgehend gut laufendem Geschäft. Sie sind aber alle Teile des Ganzen und haben deshalb auch nur bedingt eine eigene Infrastruktur. Sprich: Sie sind bereits nahtlos integriert.

Der von Ihnen angesprochene Lokalkolorit ist vor allem wichtig für die Beratung des familiengeführten Mittelstands – und damit auch für die Nachfolgeberatung. Ein Bereich, in dem Baker Tilly früher zu den führenden Einheiten gehörte.
Und heute weiterhin gehört. Auch heute beraten wir vermögende Privatpersonen und Unternehmer auf höchstem Niveau zu Erbschaftsteuer- und Nachfolgethemen. Neben langjährigen Partnern wie Roland Hoven haben wir mit Marcel Lemmer und Dominik Halbmeyer in München auch hier zwei Experten, die vor allem der zunehmenden Internationalisierung des Geschäfts Rechnung tragen. Und auch an den anderen Standorten – etwa in Stuttgart und Hamburg – gibt es nach wie vor Spezialisten für diese sehr anspruchsvollen Mandanten.

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