Kommentar

Wenn der Dotter zweimal fliegt: Eigennutz in der Gastrosteuerdebatte

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Nach dem Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse sind die Würfel in Sachen Mehrwertsteuererhöhung für die Gastronomie endgültig gefallen. Die Ampel muss sparen. Doch so manche Vorkämpfer für die angeblich gerechte Sache eines geringeren Umsatzsteuersatzes für die Bewirtung durch Speis und Trank sparen noch an etwas anderem: der Deklaration von Eigeninteresse. So wie Metrochef Dr. Steffen Greubel.

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Convenience Food als preissensitive Ideallösung angesichts von Fachkräftemangel und Preissteigerungen.

Wäre Eigeninteresse ein Lebensmittelzusatzstoff, so wie Mononatriumglutamat, dann müsste man ihn kenntlich machen. Doch wohingegen die Angabe von E621 als Inhaltsstoff klar die Verwendung von Geschmacksverstärkern bezeugt, unterliegen öffentliche Statements zu Steuerthemen keiner Deklarationspflicht der Inhaltsstoffe. So kann „Eigeninteresse“ in Stellungnahmen enthalten sein, die für sich selbst „Gemeinwohl“ als Ziel deklarieren. Denn wenn man die Stellungnahmen von Gastro-, Hotel- und Nahrungsmittelverbänden zu der geplanten Mehrwertsteuererhöhung in der Gastronomie betrachtet, dann kann der Eigennutzcharakter nicht offensichtlicher sein. Ebenso in den Stellungnahmen der Opposition.

Steffen Greubel

„Toxisches Narrativ der Gastrogegner in der Ampel“

Aber wie sieht es mit Stellungnahmen von Unternehmenslenkern aus? Sind sie in der Steuerdebatte nicht unparteiischer, objektiver? Muss das entschiedene Engagement von Metro-Chef Dr. Steffen Greubel gegen eine Erhöhung nicht schwerer wiegen, sachlich begründeter sein? Engagieren jedenfalls tut sich Greubel: „Das wird nun ein herber Schlag ins gastronomische und volkswirtschaftliche Kontor der Bundesrepublik Deutschland. Diese Entscheidung wird tausende Existenzen von selbstständigen Kleinunternehmern zerstören, zehntausende von Arbeitsplätzen vernichten und das Bild vieler Innenstädte und Ortschaften zum Schlechteren ändern. Weniger oder keine Individualgastronomie heißt weniger Diversität, weniger Sozialleben, weniger Individualität. Es scheint, dass das toxische Narrativ der Gastrogegner in der Ampel verfangen hat“, tönte der Metrochef in LinkedIn vor wenigen Tagen.

Ende Oktober keulte Greubel bereits ebenfalls in LinkedIn gegen eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), die eine Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie für sinnvoll hält. Die Studie sei „rein agitatorische, wichtigtuerische Propaganda“ und ein „Pseudogutachten von entseelten sog. Wissenschaftlern“. Greubel erwog sogar Restaurantverbote für die Wissenschaftler und löschte später einige Passagen. Von einem „emotionalem Thema“ sprach damals ein Metrosprecher. Um gegen eine Anhebung der Mehrwertsteuer zu werben, haben Greubel und Metro sogar extra eine Medienkampagne auf Instagram mit dem Sternekoch Nelsen Müller aufgelegt: Bei dieser schlagen Greubel und Müller unter dem Motto ‚Ready to Rumble‘ symbolisch auf einen Boxsack ein, auf dem 19 Prozent Mehrwertsteuer stehen.

Greubel zeichnet von sich selbst also das Narrativ eines leidenschaftlichen, uneigennützigen Kämpfers für die Bedürfnisse aller Hungrigen gegen die Herrschaft einer auf Steuererhöhungen versessenen Ampel.

Was nach Einsatz für das Gemeinwohl schmeckt, hat allerdings mehr als nur eine Prise Eigennutz intus: Greubel ist CEO eines der größten Händler und Produzenten von Convenience-Food-Produkten in Deutschland. „Metro Simplifood-Convenience für Profis“ überschreibt Metro auf ihrer eigenen Website die Produktsparte, die seit Corona mit für stetig steigende Umsatzspitzen sorgt. „Profitieren Sie durch Zeitersparnis, optimale Planbarkeit und reduziertes Warenrisiko!“, wirbt Metro bei Gastronomen für Fertigprodukte, mit denen der Konzern nicht nur handelt, sondern die er in Eigenmarken auch selbst herstellen lässt.

Auf küchenfertig vorbereiteten Zutaten bis hin zu servierfertigen Gerichten setzt das Unternehmen – wie etwa fertig gebratene, tiefgekühlte Spiegeleier mit ganzem Dotter, die nur noch im Kombidämpfer warmgemacht werden müssen: 50 Stück im 2 kg Karton für weniger als 45 Euro. Ideal für jedes Frühstücksbuffet.

7.500 Köchinnen und Köche fehlen

Damit setzt Greupel auf einen Effekt, von dem er in seinem Einsatz gegen die Mehrwertsteuererhöhung gar nicht spricht, nämlich den Fachkräfte- und Personalmangel in der Gastronomie. Während der Corona-Krise haben viele Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) kommt auf 44.000 offene Stellen für Fachkräfte in Hotel- und Gaststättenberufen bei lediglich 29.000 entsprechend qualifizierten Arbeitslosen. Bundesweit fehlten über 7.500 Köchinnen und Köche, rund 40 Prozent der offenen Stellen in der Gastronomie könnten nicht mit passend qualifizierten Arbeitskräften besetzt werden.

Convenience Food als preissensitive Ideallösung im Fachkräftemangel

Convenience Food ist dafür die ideale Lösung. Denn mittels dieser können selbst ungelernte Kräfte schnell ganze Menüs zaubern. Greubel konnte so seit Corona den Umsatz von Metro mit einer konsequenten Ausrichtung auf Großhandel für Restaurants und Hotels deutlich steigern: Um 21,4 Prozent auf knapp 30 Milliarden Euro stieg der Umsatz allein im Geschäftsjahr 2021/22. Auch in diesem Jahr steigt der Umsatz des Unternehmens weiter.

Doch der Einsatz von Fertigprodukten birgt einen Nachteil für Gastronomen: So einfach Gerichte herzustellen sind, so preissensitiv reagiert die Kundschaft. Gäste sind für frische, hausgemachte Produkte mit regionalen Zutaten bereit, auch vergleichsweise höhere Preise zu entrichten. Die Umlage von Kosten auf die Preise in der Gastronomie sind also ein Umstand, der Greubel Geschäftsmodell direkt gefährdet. Denn Gastrobetriebe, die Convenience-Produkte einsetzen, reagieren deutlich sensibler auf Preissteigerungen als dies Betriebe mit eigener, frischer regionaler Küche. Sie können die Preise nur bedingt erhöhen.

Deshalb braucht Greubel weiterhin einen niedrigen Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie. Nicht aus Gemeinnutz. Sondern für weitere Umsatzrekorde der Metro.

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