Globale Mindeststeuer

Zu Risiken und Nebenwirkungen: Pillar II erreicht den M&A-Markt

Die globale Mindestbesteuerung umzusetzen, ist für die betroffenen Unternehmen eine Mammutaufgabe – und sorgt für volle Auftragsbücher bei den Beratungsgesellschaften. Weniger präsent ist, wie sich die Regelungen auf die Transaktionsberatung auswirken. Dabei stellt Pillar II gerade Berater im Large-Cap-Segment vor Herausforderungen.

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Die globale Mindeststeuer wird in Zukunft unweigerlich auch Gegenstand von Transaktionsverhandlungen sein und rückt damit auch in den Fokus der M&A-Tax-Berater. Berater berichten bereits jetzt von einer erhöhten Aufmerksamkeit für das Thema.

GloBE, MinStG und MNE: Diese Abkürzungen dürften derzeit in den Köpfen vieler Steuerchefs großer Unternehmen herumschwirren. GloBE steht für die Global Anti Base-Erosion Rules von OECD und G20, auch Pillar II genannt. Hinter dem MinStG verbirgt sich das Mindeststeuergesetz, wiederum kurz für: Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung in Unternehmensgruppen, das Pillar II in deutsches Recht umsetzt. Und MNE sind ‚Multinational Entities‘, die ab einer gewissen Umsatzschwelle unter das Pillar-II-Regime fallen. Laut dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) sollen in Deutschland zwischen 400 und 600 Konzerne betroffen sein. Diese sind fieberhaft damit beschäftigt sind, Daten zu sammeln, Strukturen zu schaffen und Tools zu füttern, um den GloBE-Regelungen gerecht zu werden – oftmals unterstützt von Beratungsgesellschaften.

Vor allem für die Big Four und Next Six ist die Beratung zur globalen Mindeststeuer ein riesiges Betätigungsfeld. Konzernsteuerberater und auch Verrechnungspreisexperten sind seit Monaten mit dem Thema vertraut und beschäftigt. Gleichzeitig wirft Pillar II seine Schatten auch in anderen Beratungssegmenten voraus, die eigentlich nicht im Fokus des Gesetzesprojektes standen. So bekommen steuerliche Transaktionsberater bereits jetzt die Auswirkungen zu spüren und rechnen damit, dass das Thema noch an Fahrt aufnehmen wird.  

Ein ehrgeiziges Unterfangen

Seit 2024 gilt in Deutschland gemäß MinStG die globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent für Großkonzerne ab 750 Millionen Euro Jahresumsatz. In jeder Jurisdiktion, in der die Unternehmen operieren, sollen sie mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Liegt die Steuerquote in einem Land darunter, kann eine Top-Up Tax fällig werden – eine Art Aufstockung auf die vereinbarten 15 Prozent. Der Bundestag hatte das Gesetz im November 2023 beschlossen, im Dezember trat es mit Gültigkeit ab Januar 2024 in Kraft.

Mitte 2026 müssen betroffene Unternehmen ihren ersten Globalen-Mindeststeuer-Bericht einreichen. Bis Ende 2026 läuft eine Übergangsphase. In dieser Zeit können Unternehmen von Safe-Harbour-Regelungen profitieren, die geringere Berichtspflichten und ein Aussetzen der Top-Up-Taxes bedeuten. Eine Sonderrolle spielen Immobilieninvestmentvehikel und Investmentfonds. Für den Fall, dass sie ihre Portfoliounternehmen nicht voll konsolidieren, entfallen sie als Muttergesellschaften aus Pillar II. Sie gelten ebenso wie staatliche Einheiten oder internationale Organisationen als ‚Excluded Entities‘. 

Komplexer wird die Sache dadurch, dass es auf internationaler Ebene einen Flickenteppich gibt, was die GloBE-Umsetzung angeht. Insgesamt haben sich rund 140 Staaten verpflichtet, die globale Mindestbesteuerung einzuführen. Innerhalb der EU gilt Pillar II flächendeckend seit 2024, in vielen asiatischen Jurisdiktionen ebenfalls ab 2024/2025. Hingegen kommen die USA frühestens 2025 dazu, bei Kanada und vielen afrikanischen Länder stehen die Fristen noch aus.

Das Thema ist gesetzt

Oliver Hubertus

Der Pillar-II-Prozess läuft und hat eine internationale Ausdehnung und Komplexität wie kein anderes steuergesetzliches Vorhaben zuvor. Gleichzeitig sind mangels Erfahrungswerte viele Fragen zur Umsetzung offen. Doch auch ohne Empirie ist klar: Durch M&A-Transaktionen kann ein Unternehmen unter Pillar II fallen oder durch Verkäufe eben nicht mehr, wobei die Betroffenen letzteres vermutlich weniger als Problem wahrnehmen. Außerdem erweitert sich bei Konzernen, die sich oberhalb der 750-Millionen-Euro-Grenze bewegen, der Pillar-2-Geltungsbereich bei Akquisitionen. Mit einem Erwerb ‚kaufen‘ sie sich entsprechende Berichtspflichten und gegebenenfalls eine Top-Up-Tax mit ein.

Damit wird die globale Mindeststeuer unweigerlich Gegenstand von Transaktionsverhandlungen und rückt in den Fokus der M&A-Tax-Berater. Berater berichten bereits jetzt von einer erhöhten Aufmerksamkeit für das Thema auf Buy- und Sell-Side, wobei insbesondere die Buy-Side es frühzeitig im Transaktionsprozess platziere. Zeitgleich setzten, so ein Big-Four-Partner, aktuell viele auf eine Schonfrist durch die Safe-Harbour-Regelungen.  

Fakt ist auch: Pillar II wird die Art und Weise, wie Transaktionen vonstattengehen, grundlegend ändern. Verkäufer und Käufer müssen mehr Informationen austauschen als zuvor. Die wichtigste Frage ist jedoch, ob die Informationen immer vorhanden sind. Das gilt etwa für eine Zielgesellschaft, die bisher keine Berührungspunkte mit Pillar II hatte, nun aber das Kaufinteresse eines Großkonzerns weckt, welcher der globalen Mindestbesteuerung unterliegt. Diesbezüglich weisen Transaktionsberater wie Oliver Hubertus, Christian Wegener und Uwe Roth von Baker Tilly auf die Vorteile eines Tax-Compliance-Management-Systems (TCMS) hin: „Zu erwerbende Gruppen mit einem TCMS, in welches dann Pillar II integriert ist, werden zukünftig ein höheres ‚Comfort Level‘ sowohl aus Sicht des Erwerbers als auch aus Sicht einer W&I-Versicherung vermitteln“, sind sie überzeugt.

Christian Wegener

Eine andere Frage ist, ob beide Verhandlungsseiten bereit sind, Informationen zu teilen, wenn diese das Geschäftsmodell betreffen und einem Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Das ist etwa im Falle eines Carve-Outs eines Großkonzerns denkbar, den ein Wettbewerber aufkauft. Jenseits des Informationsaustauschs werden grenzüberschreitende Transaktionsprozesse auch dadurch komplexer, dass sich die konkreten GloBE-Regeln in den einzelnen Ländern unterscheiden.

Wohin geht die Reise?

Die Sonderrolle von Investmentfonds als ‚Excluded Entities‘ kam bereits zur Sprache. Sie kann für PE-Fonds in der Erwerberrolle interessant werden und sich eventuell als Nachteil für strategische Investoren erweisen. Auf der Verkäuferseite ist anzunehmen, dass Zielgesellschaften mit steuerlichen Risiken aufgrund von Pillar II – aufgrund von Unsicherheit wegen komplexer internationaler Strukturen, Anfälligkeit für eine Top-Up-Tax – weniger attraktiv sein werden.

Uwe Roth

Neben Auswirkungen auf die Transaktionsstruktur gehen Marktakteure davon aus, dass Pillar II Eingang in die Due Diligence (DD) finden wird. Hier sind viele Berater im Moment aber noch in Wartestellung und rechnen erst ab 2025 mit größeren Veränderungen. Dann wird die DD das erste volle Prüfungsjahr unter den Vorzeichen von Pillar II erfassen. Doch bereits jetzt gib es erste Annäherungen, die sich aber eher auf der Ebene bewegen, ob Pillar II grundsätzlich anwendbar auf die Zielgesellschaft ist.

Die GloBE-Dokumentation wird sich als Teil der DD weiter ausdifferenzieren. In diesem Rahmen rücken auch verstärkt Konzernabschlüsse in den Fokus der Tax Due Diligence. Bisher waren diese stärker im Bereich der Financial Due Diligence angesiedelt. Hier ist also mit internen Verschiebungen zu rechnen. Ein praktisches Problem liegt in der zeitlichen Abfolge. Die Tax DD geht in der Regel mit hohem Zeitdruck einher. Wie es angesichts dessen machbar ist, den neuen Themenbereich abzudecken, wird die Zukunft zeigen. Auch hier warten Kanzleien auf das Jahr 2025 und halten sich mit Mehrkapazitäten bisher zurück.

Damit einher geht die Frage, wie Versicherer mit Pillar-II-Risiken umgehen werden. Bisher seien sie, so hört man aus dem Markt, beim Thema globale Mindeststeuer außen vor. Berater, die wiederum für Versicherungen tätig sind, berichten, dass zunehmend GloBE-Einzelfragen auftauchen. Es ist denkbar, dass Risiken aus Pillar II Gegenstand steuerlicher Spezialversicherungen werden und damit ihre Analyse aus dem Zeitdruck der Transaktion herausrutscht.      

Das Vertragswerk ist schließlich der Ort, an dem die steuerlichen Risiken resultierend aus der globalen Mindeststeuer zwischen Käufer und Verkäufer aufgeteilt werden. Dazu stellt die Big-Four-Gesellschaft Deloitte in einer Handreichung fast lakonisch fest: „Currently there is no universally accepted standard language to comprehensively articulate Pillar Two concerns.“ Auch hier hat sich der Markt noch nicht gefunden.

Georg Roderburg

Da bisherige Steuerklauseln Pillar II nicht abdecken, wird ihre Komplexität zunehmen. Das bestätigen auch die Freshfields-Partner Dr. Georg Roderburg und David Beutel und fügen hinzu: „Das gilt umso mehr, als eine Absicherung von Pillar-II-Themen über die etablierten Versicherungslösungen auf absehbare Zeit wohl nur eingeschränkt möglich sein wird.“ Die konkrete Ausgestaltung in den SPA ist dabei offen. Klar ist hingegen, dass die Kooperation und Mitwirkung aller Transaktionspartner im GloBE-Kontext bei den Kaufverhandlungen wichtiger wird – womit sich der Bogen zum Informationsaustausch schließt.

Betroffene und weniger Betroffene

Die globale Mindeststeuer wird wegen der 750-Millionen-Euro-Grenze vor allem großvolumige Transaktionen betreffen und damit Berater im Large-Cap-Segment. Somit sind Anwaltskanzleien wie Freshfields oder Hengeler Mueller bereits jetzt mit dem Thema konfrontiert, ebenso die Big-Four-Gesellschaften. Das Ausmaß hängt dabei von der Mandantenstruktur ab, weil sich Unternehmen a priori stärker damit befassen müssen als PE- und Immobilieninvestmentfonds.

David Beutel

Die genannten Transaktionsberater haben Pillar II auf dem Schirm, das Thema ist zudem seit einiger Zeit in Form von Workshops, Podcasts oder Vorträgen bei Veranstaltungen präsent. In der Mandatspraxis tauchte die Mindeststeuer in den vergangenen Monaten durch Einzelfragen oder bereits konkret in Vertragsverhandlungen auf.   

Auch die Next Six verfolgen das Thema aufmerksam. Einerseits bewegen sich manche ihrer Deals auch im Large-Cap-Bereich. Andererseits können auch kleinere Zielgesellschaften in Transaktionen mit Pillar II konfrontiert werden. Gleichwohl ist die Wahrscheinlichkeit im Small- und Mid-Cap-Bereich geringer. Hier wird die globale Mindeststeuer lediglich in bestimmten Konstellationen maßgeblich. Es wird zukünftig schwer sein, komplett um das Thema herumzukommen. Wie sehr es Transaktionsberater beschäftigen wird, hängt von der Mandantenstruktur sowie vom Beratungsschwerpunkt im M&A-Prozess ab.

Ende offen

Fazit: Pillar II ist da – und kommt damit auch auf dem Transaktionsmarkt an. Zwar zielt die globale Mindeststeuer nicht primär auf M&A ab. Als Nebenwirkung werden Inhouse-Abteilungen und Dealberater sie trotzdem zukünftig bei der Strukturierung in Betracht ziehen, in der DD abbilden und ihre Risiken im Vertragswerk abdecken. Das betrifft in stärkerem Maße das Large- als das Small- oder Mid-Cap-Segment.

Darauf bereiten Berater sich vor, stehen aber zugleich vor vielen unbekannten Variablen. Ob Strukturierung, DD oder Vertragsklauseln – wie genau Pillar II Eingang findet, ist offen. Denn wir stehen erst am Anfang des laufenden Prozesses, bei dem die Akteure gemeinsam neue Marktstandards definieren. Frühestens in einigen Jahren, so prognostizieren es etwa die Freshfields-Partner Roderburg und Beutel, werde sich eine etablierte Marktpraxis herausbilden.

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