Studie zu Steuerwettbewerb

Deborah Schanz: „Die Unternehmen werden erschlagen“

Im internationalen Vergleich bekommen deutsche Politiker für Ihre Steuerpolitik eher eine schlechte Note. Zumindest sagt das Prof. Dr. Deborah Schanz von der Ludwig-Maximilians-Universität München im Gespräch mit JUVE Steuermarkt. Im Auftrag der vbw, einer Interessenvereinigung der bayerischen Wirtschaft, hat Schanz eine Studie erstellt und Deutschland mit 13 Industrienationen in Bezug auf den Steuerwettbewerb verglichen.

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„Die Anreize, in einem anderen Land sesshaft zu werden, nur um Steuern zu sparen, sind durch Pillar II schon viel niedriger“, sagt Deborah Schanz. Nun kämen aber noch Zinsschranke, Lizenzschranke, Zinshöhenschranke und die Hinzurechnungsbesteuerung hinzu. „All das und noch mehr braucht es meiner Meinung nach nicht.“

JUVE Steuermarkt: Stellen Sie sich vor, Sie seien Lehrerin. Welche Schulnote bekommt das deutsche Steuerrecht von Ihnen im Vergleich zu anderen Ländern? Und welches Zeugnis stellen Sie der Politik aus?
Prof. Dr. Deborah Schanz: Ehrlich gesagt, das wird eine eher schlechte Note. Wir befinden uns generell in einer ungünstigen Lage mit dem deutschen Steuerrecht. Es gibt viele Normen, und vieles wurde in den vergangenen Jahren unter dem Missbrauchsgedanken geformt. Dem in jedem Punkt Herr zu werden, erfordert nun aber wahnsinnig viel Dokumentation und Compliance. Die Unternehmen werden von Regulierungen erschlagen.

Das ist aber doch kein explizit deutsches Problem.
Wir haben viele Regelungen von der EU und auf Ebene der OECD, das stimmt. Aber auch hier hat die deutsche Politik einen Ermessensspielraum. Andere Länder setzen die Regelungen viel besser um, während Deutschland nahezu immer die schwierigste, komplizierteste und herausforderndste Option wählt.

Haben Sie ein Beispiel?
Ich habe auf Anhieb zwei. Erstens: Das Steueroasenabwehrgesetz. Hierzu saß ich auch im Finanzausschuss des Bundestags. Die EU-Staaten müssen nun eine Richtlinie umsetzen, um Steueroasen zu bekämpfen. Es gibt Staaten, die haben sich eine oder vielleicht zwei Maßnahmen ausgesucht. Deutschland hat sich aber gleich vier herausgepickt. Und das ergibt absolut keinen Sinn. Im Vorfeld habe ich explizit nachgefragt, was die vierte Maßnahme soll, wenn die anderen drei doch eigentlich schon alles erfassen. Als Antwort erhielt ich: Damit man einmal alles abgedeckt habe. So ist die Kultur in der Politik und der Verwaltung.

Und das zweite Beispiel?
Die Meldepflichten für Steuergestaltungen. Wenn die EU grenzüberschreitende Meldungen vorgibt, ist es absolut unnötig, nun auch noch die innerdeutsche Meldepflicht zu fordern. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Betriebsprüfung immer früher kommt und schneller wird. Zudem gibt es vor allem in Deutschland zahlreiche Tagungen und einen intensiven Austausch, bei denen Leute aus der Verwaltung auch immer mit eingeladen sind.

„Das Wachstumschancengesetz ist ein kleiner Schritt“

Sie sprechen vor allem die Überregulierung und Komplexität des deutschen Steuerrechts an. Welche konkreten Schritte schlagen Sie vor, um den Compliance-Aufwand zu reduzieren und Redundanzen innerhalb des Steuerrechts zu vermeiden, insbesondere vor dem Hintergrund der globalen Mindeststeuer?
Wir haben im grenzüberschreitenden Bereich nun eine Einigung von 140 Staaten. Die 15 Prozent der globalen Mindeststeuer werden immer erreicht, selbst wenn ein Staat nicht mitmacht. Die Anreize, in einem anderen Land sesshaft zu werden, nur um Steuern zu sparen, sind ja auch so schon viel niedriger. Nun kommen aber noch Zinsschranke, Lizenzschranke, Zinshöhenschranke und die Hinzurechnungsbesteuerung hinzu. All das und noch mehr braucht es meiner Meinung nach nicht.

Stichwort Zinshöhenschranke und innerdeutsche Meldepflichten. Beides sind Eckpunkte aus dem Wachstumschancengesetz. Was halten Sie davon?
Das Gesetz bietet nur minimale Wachstumschancen und ist lediglich ein kleiner Schritt. Im Referentenentwurf wurde noch mutiger gedacht. Aber das Gesetz ist nun sehr abgespeckt. Es bietet insgesamt wieder mehr Komplexität als Abbau. Die 15 Prozent AStG-Satz sind enthalten – eine Reduktion um 10 Prozent, immerhin. Aber die negativen Punkte wie eben die Zinshöhenschranke auch. Und auch bei der Verlustverrechnung wurde wieder zurückgerudert.

Sie schlagen vor, die Verlustverrechnungsmöglichkeiten zu verbessern, indem der Verlustrücktrag erweitert und die Beschränkungen des Verlustvortrags aufgehoben werden. Wie könnte eine solche Neugestaltung aussehen?
Der Ausgangspunkt ist für mich klar: einfach gar keine Einschränkung in der Verlustverrechnung mehr. Wenn der Staat an den Gewinnen partizipiert, müsste er auch an den Verlusten beteiligt sein. Das wird aus fiskalischen Gründen aber nicht getan. Natürlich ist das verständlich, aber so werden Investitionen ausgebremst. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wurde die Verrechnung von vorgetragenen Verlusten auf 80 % reduziert. Besser wären aber 100 Prozent. Am Ende müssen Unternehmen den Verlust auch selbst tragen.

In Bezug auf die Forschungszulage weisen Sie auf die begrenzte Förderhöhe und die Einschränkung der förderfähigen Aufwendungen hin. Wie könnte Deutschland die Forschungsförderung verbessern, um mit anderen Ländern wettbewerbsgerecht zu konkurrieren?
Ein positiver Schritt ist, dass die Bemessungsgrundlage erweitert wurde. Es gibt ja verschiedene Kosten. Bislang hat man nur den Personalaufwand berücksichtigt, nun sind auch gewisse Investitionen über die Abschreibungen hinzugekommen. Man könnte aber auch Materialkosten in die Bemessungsgrundlage aufnehmen. Der Prozentsatz der Förderung von 25 Prozent kann sich international durchaus sehen lassen, aber die Kappungsgrenze ist zu niedrig. Sie beträgt eine Million Euro und wurde im Wachstumschancengesetz nun auf 3 Millionen Euro erhöht. Aber fast alle anderen Länder, die wir untersucht haben, haben gar keine Kappungsgrenze. Das heißt, wir sprechen hier von viel größeren Möglichkeiten. Für große Forschungsvorhaben sind die derzeitigen Regelungen lächerlich. Und für kleine Forschungsvorhaben ist der bürokratische Aufwand viel zu hoch.

Sie heben in der Studie die hohe nominale Steuerlast für deutsche Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich hervor. Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor, um die steuerliche Belastung zu reduzieren und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken?
Zunächst einmal möchte ich klarstellen:Wir haben Deutschland nicht mit allen Ländern der Welt verglichen. Sondern die zehn, in die Deutschland am meisten exportiert, die zehn, in die Deutschland am meisten investiert. Und auch noch die Konkurrenten, also die Staaten, die dort ebenfalls am meisten investieren. Genau das sind ja unsere Wettbewerber. Am Ende waren wir bei 13 Staaten. Das sind wirtschaftsstarke Nationen, die im Vergleich zur ganzen Welt höhere Steuersätze haben. Trotzdem kommen wir hier auf einen Durchschnitt von 25 Prozent. Man sieht, dass mehr als die Hälfte der verglichenen Staaten auf diesem Niveau liegen. Es gibt wenige Ausreißer nach unten. Und Deutschland fällt neben Japan nach oben hin auf. Deshalb fordern wir auch die 25 Prozent, um wettbewerbsfähig zu sein. Zudem haben wir noch die bürokratische Hürde mit der Körperschafts- und der Gewerbesteuer.

Wie sieht es für die deutschen Personengesellschaften aus?
Bei diesen sprechen wir von einem Spitzensteuersatz, der international im Mittelfeld liegt. Hier würde ich keine Veränderung fordern. Aber: Die Thesaurierungsbegünstigungen müssen wir uns anschauen, weil wir viele Personengesellschaften in Deutschland haben. Das ist im internationalen Umfeld so nicht üblich. Das wurde bereits 2008 als Problem erkannt, und deshalb wurden die 28,25 Prozent bei den Thesaurierungsbegünstigungen für nicht entnommene Gewinne eingeführt. Nur hat dieser Satz de facto nie gegolten. Der Steuersatz lag in der Regel immer höher – nämlich bei rund 36 Prozent. Da gibt es nun eine Änderung im Wachstumschancengesetz, die das Problem angeht. Hier lobe ich das Gesetz auch gerne mal.

Die Studie haben Sie für die vbw, eine Interessenvereinigung der bayerischen Wirtschaft erstellt. Dass Unternehmen Steuern sparen wollen, ist ja nichts Neues. Würden die von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen nicht Riesenlöcher in den Haushalt von Bund, Länder und Kommunen reißen?
Sicherlich würde es etwas kosten, den Nominalsteuersatz zu senken. Einige Maßnahmen würden aber nur das Recht vereinfachen. Und ja, die Kommunen haben ein Problem. Aber: Die Finanzierung über die Gewerbesteuer ist insgesamt problematisch und auch volatil. Man muss also grundsätzlich darüber sprechen, wie eine Finanzierung hier künftig gewährleistet werden kann. Zudem: Das Wachstumschancengesetz sollte ja auch für mehr Gewinne sorgen – und so würden wieder mehr Steuern anfallen.

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