Stromsteuer

Die Stromsteuerfalle: „Unternehmen werden zu einem bestimmten Setup gezwungen“

Autor/en
  • Götz Kümmerle

Die Energie- und Stromsteuerregulation birgt viele Stolperfallen. Zum Beispiel, dass von Unternehmen selbst produzierter Strom nicht für jeden Verwendungszweck von der Stromsteuer befreit ist. Darüber hat JUVE Steuermarkt mit dem Steuerstrafrechtler und Tax-Litigation-Experten Dr. Rainer Spatscheck von der Münchner Kanzlei Kantenwein Zimmermann Spatscheck & Partner gesprochen.

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Rainer Spatscheck

JUVE Steuermarkt: Herr Spatscheck, Stromsteuer-Hinterziehung war bisher eher ein Randthema. Sie sagen, dass die Finanzverwaltung hier nun wesentlich härter vorgeht als in der Vergangenheit. Wieso?
Dr. Rainer Spatscheck: Die Stromsteuer ist eine klassische Verbrauchsteuer. Tricky ist allerdings die Art und Weise, wie das Verfahren zur Ermittlung der Stromsteuerlast angelegt ist. Der Steuerschuldner ist verpflichtet, eine Voranmeldung beim Zoll abzugeben. Dazu muss er die Steuerlast selbst berechnen. Dies ist bei weitem nicht trivial und birgt einige Stolperfallen. Und hier haben wir als Berater regelmäßig mit Themen rund um Ermäßigungen und Entlastungen zu tun.

Stromsteuer im Kontext von Ermäßigung und Entlastung – was meinen Sie damit?
Entlastungen und Ermäßigungen kommen dann ins Spiel, wenn man Strom einsetzt, um Strom zu produzieren. Sprich: Ich betreibe eine Anlage, mit der ich Strom produziere. Dieser Strom, den ich produziere, darf dann zum Betrieb der Anlage verwendet werden, ohne dass auf diesen Stromsteuer entrichtet werden muss. Spannend wird es bei der Abgrenzung. Was heißt ‚zum Betrieb der Anlage‘ verwenden? Gilt das auch für das Licht im Generatorenhaus? Was ist mit der Klimaanlage? Wie ist das mit den einzelnen Stromkreisen und deren Überwachung? Diese Abgrenzung führt in der Praxis zu erheblichen Problemen. Dadurch, dass das Gesetz und die Stromsteuerverordnung regelmäßig geändert werden, verschärfen sich die Probleme. Ein Beispiel: Sie haben ein Gebäude, in dem Strom produziert wird. Dieses Gebäude ist klassischerweise eine Fabrikhalle. In diesem Gebäude stehen Generatoren. Mit diesen Generatoren erzeuge ich Energie. Den Strom, den ich damit erzeuge, kann ich zur Beleuchtung der Halle, in der die Generatoren stehen, verwenden. Aber was ist mit der Klimaanlage? Die Klimaanlage kann ich verwenden, solange ich die Halle, in der Strom erzeugt wird, kühle. Wenn ich einen Arbeitnehmer habe, der vor Ort arbeitet, dann darf ich seine Umkleidekabine im selben Gebäude nicht mehr mit diesem stromsteuerbefreiten Strom kühlen. Ich darf in der Umkleidekabine auch kein Licht für ihn anmachen, ohne dass Stromsteuer entsteht. Dies ist zumindest die derzeitige Auffassung der Generalzolldirektion (GZD).

Wenn Unternehmen Strom produzieren, um wieder Strom zu erzeugen, dann ist dies stromsteuerfrei, aber nicht für andere Zwecke?
Genau.

Also darf ich selbst erzeugten Strom nicht umfassend steuerfrei einsetzen?
Wenn Sie selbst Strom erzeugen, müssen Sie, wenn Sie den Strom für die Produktion im weiteren Sinne einsetzen, auch Stromsteuer bezahlen. Es sei denn, dieser Strom stammt aus erneuerbaren Energien und Sie betreiben eine elektrische Anlage mit einer Nennleistung von mehr als zwei Megawatt. Das heißt: Wenn Sie eine größere Anlage betreiben und Strom aus erneuerbaren Energien erzeugen, dann dürfen Sie den Strom stromsteuerfrei verbrauchen, wenn sie diesen am Ort der Erzeugung selbst verbrauchen. Sobald Sie anfangen, den Strom über Leitungen zu transportieren, gilt dies nicht mehr.

„Bis jetzt keine Gerichtsverfahren, aber viele Ermittlungsverfahren der Zollbehörden“

Diese Regelungen haben jetzt schon zu Ermittlungen oder Gerichtsverfahren geführt?
Also, bis jetzt konnten wir für unsere Mandanten alles ohne Gerichtsverfahren klären, aber es gab bereits viele Ermittlungsverfahren der Zollbehörden. Denn wir sprechen über eine allgemeine Verbrauchsteuer, und diese wird vom Zoll überwacht.

Wie kann der Zoll sowas genau prüfen?
Man muss zunächst ein Setup wählen, um zu messen, welche Strommenge man aus dem selbst erzeugten Strom verwendet, um wieder Strom zu erzeugen. Dafür muss man Messstellen einbauen. Dann muss die Strommenge gemessen werden, die für sonstige Supportleistungen notwendig sind, also Außenbeleuchtung, Büros etc. Alles, was nach Auffassung der GZD nicht unmittelbar der Stromerzeugung dient, ist nicht abzugsfähig. Nur: Wenn man eine solche Rechnung aufmacht, ist der Zoll gewarnt und weiß, dass sich hier unter Umständen ein genaueres Nachprüfen lohnt.

Also ich muss mir als Unternehmen, wenn ich selbst Strom erzeuge, erstmal diverse Strommesser und -zähler kaufen, um in der Lage zu sein, diese Abgrenzung durchzuführen? Wäre es dann nicht billiger, einfach die Stromsteuer zu bezahlen?
Das muss man für jeden Einzelfall kalkulieren. Wenn ich aber sehe, was häufig nachgezahlt werden muss, lohnt es sich , den Strom, den man zur Stromerzeugung braucht, von der Steuer auszunehmen.

„Unternehmen sind verwundert, wenn von staatlicher Seite so genau nachgerechnet wird.“

Ist das nicht gemein, wenn sich ein Unternehmen in Zeiten von Energiekrise und Klimawende engagiert, um eigenen Strom zu produzieren – und dann kommt der Zoll und forscht gezielt nach?
Das sehen viele Unternehmen genauso. Sie wollen sich engagieren und Stromerzeugungsanlagen schaffen, die irgendwie angeschlossen sind an den Betrieb, zum Beispiel indem man zumindest die Energie, die im Produktionsprozess anfällt und ungenutzt bleibt, als warme Abluft nutzt, um nochmal Strom daraus zu erzeugen. Unternehmen sehen darin auch einen Dienst an der Allgemeinheit. Da verwundert es schon, wenn von staatlicher Seite so genau nachgerechnet wird. Die Extramessungen sind mit Sonderverkabelungen und einem anderen Setup der Stromkreisläufe verbunden. Das bedeutet zusätzliche Kosten und Aufwand. Letztlich zwingt der Zoll Unternehmen zur Wahl eines bestimmten Setups in ihrer Stromleitungsarchitektur.

Sie sagten, es gebe viele solcher Ermittlungsverfahren. Haben Sie eine Zahl für mich oder eine Region, in welcher der Zoll besonders aktiv ist?
Wir haben eine gewisse Häufigkeit in Baden-Württemberg festgestellt. Wenn Sie mich jetzt nach einer Zahl fragen, kann ich Ihnen keine objektive Übersicht anbieten. Es ist immer sehr punktuell und sehr zufällig, welche Mandanten in dieser Frage zu uns kommen. Aber es hat mich sehr überrascht, dass es so viele sind. Natürlich sind es deutlich weniger als bei der Umsatzsteuer. Aber dafür, dass es auch nicht so furchtbar viele Energieproduzenten gibt, sind es doch relativ viele.

„Alle waren überrascht von der Regelungstiefe, die für die Abgrenzung nötig ist.“

Haben Ihre Mandanten regenerative Energieanlagen eingeführt oder waren das konventionelle Anlagen zur Stromerzeugung?
Sowohl als auch. Aber alle waren überrascht über die Regelungstiefe, die für die Abgrenzung nötig ist. Da gab es keinen, der die Frage der Stromsteuerhinterziehung in dieser Tiefe auf dem Schirm hatte – insofern herrschte auch kein Unrechtsbewusstsein. Die Produzenten haben das gemacht, was ihnen technisch empfohlen wurde. Niemand hatte beim technischen Setup vor Augen, dass eine Stromsteuerdifferenzierung nötig ist. Auch, weil die Regulation im Strom- und Energiesteuersektor wahnsinnig zerklüftet ist. Da gibt es nicht nur ein Gesetz, sondern es gibt Gesetz und Verordnung. Auch europarechtliche Vorgaben spielen eine entscheidende Rolle. Zudem gilt es, Fremdleister in der Abgrenzung zu berücksichtigen: externe Sicherheitsdienste, Logistikanbieter etc. Das macht die Praxis wahnsinnig kompliziert. Und das, obwohl man eigentlich fördern sollte, am Sitz eines Unternehmens so viel Strom wie möglich zu produzieren. Denn das Schlimmste, was man dem Strom ,antun‘ kann ist, ihn transportieren zu müssen. Der meiste Strom geht in Deutschland durch den Transport verloren. Daher ist die verbrauchsnahe Produktion von Strom ökologisch wichtig. Auch deshalb ist es überraschend, dass es so engmaschige Abgrenzungen gibt.

Hat sich der Zoll dazu geäußert, warum er das so engmaschig verfolgt?
Zunächst einmal: Die Zollbeamten, die das umsetzen,  sind natürlich nicht die Personen, die die politische Entscheidung treffen. Zur Ehrenrettung muss ich auch sagen, dass der Zoll in den Anfangsjahren der bedingten Stromsteuerbefreiung bei der Verwendung selbst produzierten Stroms verhältnismäßig großzügig war. Doch jetzt zieht der Zoll nach. Nicht nur im Rahmen von Betriebs- und Außenprüfungen, sondern auch bei der Einleitung von Ermittlungsverfahren.

Was erwarten Sie vom Gesetzgeber?
Meines Erachtens ist es zwingend notwendig, das Thema Strom und Stromsteuer sowie alle anderen Energieträger in einem gemeinsamen, einheitlichen Gesetz zusammenzufassen. Nur so kann der Nutzer den Überblick behalten. Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Strom brauchen wir unbedingt eine einheitliche gesetzliche Regelung.

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