JUVE Steuermarkt: EY hat vor kurzem auch offiziell bekannt gegeben, Prüfung und Beratung zukünftig trennen zu wollen. Warum und warum jetzt?
Alexander Reiter: Die Frage nach der Trennung von Prüfung und Beratung ist ja nicht neu, sondern kommt schon mindestens seit zehn Jahren immer wieder auf. Grundsätzlich muss man sagen: Die regulatorischen Rahmenbedingungen haben sich in der jüngeren Vergangenheit stark geändert. Und da mussten wir uns die Frage stellen, ob wir noch das richtige Geschäftsmodell haben, um innerhalb dieser Rahmenbedingungen erfolgreich für unsere Kunden arbeiten zu können.
Was bedeutet die Trennung für die deutsche Steuerberatung bei EY?
Die Initiative ist nicht aus Deutschland getrieben, sondern hat ihren Ursprung in den USA und Großbritannien. Sie ist für das gesamte globale Netzwerk eine große Chance. Auch für uns als Tax haben sich die regulatorischen Bedingungen seit dem FISG (Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität; Anm. d. Redaktion) erschwert. Wir schätzen, dass sich unser Marktzugang in Deutschland um 25 Prozent erhöht, wenn wir nicht mehr durch die Prüferrotation gebunden sind. Außerdem haben wir durch die Aufspaltung viel mehr Freiheiten, was die Kooperation mit Technologiedienstleistern und Technologie-Projekten bei unseren Mandanten angeht.
Dass man durch die Trennung von Prüfung und Beratung besseren Zugang zu den Public Interest Entities (PIE) bekommt, ist ein gern genommenes Argument. Aber könnte die Konsequenz nicht auch sein, dass Unternehmen durch den Wegfall der Prüferrotation noch weniger Gründe haben, ihren Steuerberater zu wechseln?
Aus meiner Sicht ist das kein Problem, denn wir eröffnen den Unternehmen so mehr Wahlmöglichkeiten. Denn, wenn sie immer die Prüferrotation im Blick behalten müssen, fallen einfach eine Reihe Beratungshäuser von vornherein weg.
Und wieso wird die Kooperation mit Technologiedienstleistern aus Ihrer Sicht einfacher?
Nehmen wir zum Beispiel Cloud-Dienstleister. Immer mehr Unternehmensprozesse werden in die Cloud verlagert. Die beiden größten Anbieter sind Amazon und Google – beides Unternehmen, die EY in den USA prüft. Das heißt, für uns ist es derzeit nicht möglich, in steuergetriebenen Technologieprojekten mit diesen Dienstleistern zu kooperieren…
…also vergleichbar wie kürzlich in Deutschland mit der Ausschreibung von SAP zur Prüfung. Da haben die Big Four ja recht zurückhaltend gepitcht, weil sie auf das lukrative Geschäft mit S/4Hana-Integrationen nicht verzichten wollen…
Ganz genau. Aber auch außerhalb des Steuer- und Technologiebereichs ist die avisierte Unabhängigkeit eine große Chance: Wir haben beispielsweise in den vergangenen Jahren viel in die Strategieberatung investiert, und wir werden dort künftig mit McKinsey oder Boston Consulting in einer Liga spielen. Denn die Verbindung von Steuern und Strategieberatung haben diese Unternehmen nicht. Aber auch dafür ist die Unabhängigkeit von der Prüfung entscheidend.
Wie sieht es denn aber mit Schnittstellenthemen zwischen Prüfung und Beratung aus, beispielsweise bei Fragen der Unternehmensbewertung?
Die Unternehmensbewertung ist bei uns in der Strategie- und Transaktionsberatung angesiedelt, sie wird also Teil der neuen Beratungsgesellschaft. Umgekehrt werden wir natürlich gewährleisten, dass der zukünftig unabhängige Prüfungsarm auch alle Schnittstellen mit der Steuerberatung weiter bedienen kann.
Wie ist denn aktuell der Stand der Dinge bei der Aufspaltung? Können Sie schon Näheres zur zukünftigen Struktur in Deutschland sagen?
Dafür ist es noch zu früh. Wir haben ja gerade erst vor ein paar Wochen bekannt gegeben, dass wir diesen Schritt überhaupt gehen wollen. Die Aufspaltung wäre ein Mammutprojekt, denn es geht ja darum, das Beratungsgeschäft als Teil bislang unabhängiger Member Firms in eine globale Struktur zu überführen. Das wird sicher mindestens mehrere Monate bis ein Jahr dauern. Aktuell geht es vor allem darum, die Mitarbeitenden auf diese Reise mitzunehmen.
Wie ist Ihre konkrete Rolle in dem Projekt?
Unser Geschäft ist ein People’s Business. Meine Hauptaufgabe ist daher aktuell vor allem, mit unseren Mitarbeitenden in der Steuerabteilung zu kommunizieren. Auch das ist ein Marathon, kein Sprint. Außerdem bin ich noch Mitglied einer globalen Arbeitsgruppe, die sich um die Ausgestaltung der Steuerberatung in der künftigen Beratungsgesellschaft kümmert.
Was ist aktuell der Zeitplan für die Abstimmung?
Geplant ist, dass die Partnerschaft in den USA und Großbritannien bis Ende des Jahres abstimmen. Die wichtigen großen Ländergesellschaften sollen dann Anfang 2023 folgen, bis zum Ende des ersten Quartals sollen die Abstimmungen abgeschlossen sein. Basis für das Voting werden ein so genanntes Global Framework Agreement und separate, länderspezifische Dokumente sein, in dem die länderspezifischen Fragen zur zukünftigen Unternehmensstruktur und Besonderheiten wie beispielsweise Pensionen geklärt sind.
Und wie ist die Stimmung in der deutschen Partnerschaft?
Sehr positiv!
Das dürfte auch finanzielle Gründe haben, denn die Aufspaltung soll sich ja für die Partner sehr lohnen, nicht zuletzt, weil die Quersubventionierung des Prüfungsgeschäfts dann wegfällt.
Geld darf bei derartigen Projekten nie die alleinige Rolle spielen. Bei unserer Initiative handelt es sich aus meiner Sicht um die größte Veränderung der Branche seit mindestens 20 Jahren. Das Narrativ und die Business-Logik müssen stimmen. Und davon bin ich sehr überzeugt.