Zuvor war die Klage vor dem Finanzgericht Nürnberg gescheitert (Az. 3 K 1098/19). Der Anwalt der Kläger, Prof. Dr. Roman Seer, argumentierte, der Solidaritätszuschlag verstoße nach dem Auslaufen des Solidarpakts II und der Neuregelung des Länderfinanzausgleichs 2019 gegen das Grundgesetz. Auch dürfe der Zuschlag als Ergänzungsabgabe nicht dauerhaft, sondern nur bei Bedarfsspitzen erhoben werden. Neue Zusatzlasten, die sich beispielsweise aus der Corona-Pandemie oder dem Ukraine-Krieg ergäben, könnten den Solidaritätszuschlag nicht rechtfertigen. Zudem sehen die Kläger in der Beschränkung der Abgabe einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Somit handele es sich um eine „Reichensteuer“.
Der Bundesfinanzhof (BFH) folgte dieser Argumentation nicht. Der Solidaritätszuschlag der Jahre 2020 und 2021 sei eine verfassungsmäßig zulässige Ergänzungsabgabe. Erst wenn ein erhöhter Finanzbedarf – wie beispielsweise durch die Wiedervereinigung – dauerhaft bestehe, sei er nicht mehr über einen Zuschlag zu decken, sondern müsse über die auf Dauer angelegten Steuern gedeckt werden. Somit könne eine verfassungskonform beschlossene Ergänzungsabgabe verfassungswidrig werden, „wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden“ sei, so der BFH in einer Pressemitteilung.
Beim Solidaritätszuschlag sei dies nicht der Fall. Obwohl der Grund für die Erhebung schon lange zurückliege, so sei der zusätzliche Finanzbedarf auch in den Jahren 2020 und 2021 nicht erloschen und auch darüber hinaus anzuerkennen, so das Gericht. Zudem deckten die Einnahmen aus dem ab 2021 fortgeführten Solidaritätszuschlag die wiedervereinigungsbedingten Kosten nicht.
Auch den Einwand, die Abgabe verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), seit sie ab 2021 auf Bezieher höherer Einkommen beschränkt wurde, ließ das Gericht nicht gelten. Die Ungleichbehandlung sei gerechtfertigt. Bei Steuern, die „wie die Einkommensteuer und damit auch der Solidaritätszuschlag an die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, ist die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig“, so der BFH.
Die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag beliefen sich nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums für 2020 auf mehr als 18 Milliarden Euro. 2021 sanken diese auf etwa elf Milliarden Euro und bis November 2022 auf rund zehn Milliarden Euro.
Vertreter Kläger-Ehepaar
Seitz (Köln): Nils Kröber
Prof. Dr. Roman Seer
Bundesfinanzhof, IX. Senat
Dr. Hans-Josef Thesling (BFH-Präsident/Vorsitzender Richter)
Hintergrund: Das Kläger-Ehepaar setzte erneut auf die Kölner Kanzlei Seitz. Der ehemalige Leiter der Steuerabteilung im Bundesfinanzministerium, Michael Sell, war Ende 2018 als of Counsel zu Seitz gestoßen und hatte das Mandat bis zu seinem Wechsel als Leiter der Abschlussprüferaufsichtsstelle zum Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Berlin inne. Das Mandat übernahm Nils Kröber. Er verantwortet die Bereiche Steuerrecht, Steuerstrafrecht sowie Steuerberatung bei Seitz.
Zudem wurde Prof. Dr. Roman Seer als Prozessvertreter hinzugezogen. Er ist Gründer und Direktor des Instituts für Steuerrecht und Steuervollzug an der Ruhr-Universität Bochum.