JUVE Steuermarkt: Der BDI hat vor rund zwei Wochen den sogenannten „Acht-Punkte-Steuerplan zur Bewältigung der Corona-Krise“ veröffentlicht. Was hat es damit auf sich?
Dr. Monika Wünnemann: Die Corona-Krise hat für die Wirtschaft erhebliche Folgen, das sehen wir schon jetzt. Unsere Mitgliedsunternehmen kommunizieren auch uns gegenüber deutlich, wie stark sie betroffen sind – da werden Werke vorübergehend geschlossen, es wird Kurzarbeit eingeführt. Und die Unternehmen fordern natürlich, dass wir mit der Politik in einen Dialog treten, um kurz- und mittelfristige Maßnahmen zu erarbeiten, die der Wirtschaft auf die Beine helfen und bei den Unternehmen für Liquidität sorgen. Die Belastungen sind von Branche zu Branche natürlich unterschiedlich. Die Automobilindustrie ist derzeit zum Beispiel besonders betroffen. Die von uns im Positionspapier aufgestellten acht Punkte sind der größte, gemeinsame Konsens.
Wie sind die Reaktionen auf das Positionspapier bisher ausgefallen?
Bislang ist die Resonanz sehr positiv. Die Unternehmen finden es gut, dass wir uns so intensiv für sie im steuerlichen Bereich einsetzen. Manche Punkte sind bereits umgesetzt, wie zum Beispiel die volle steuerliche Abziehbarkeit von Corona-Sachspenden. Andere Punkte werden nicht kommen oder werden erst als Maßnahme für die sogenannte Erholungsphase der Wirtschaft diskutiert
Welche Punkte wären das?
Unsere Forderung, die Lohnsteuerzahlungen zu verschieben zum Beispiel. Das wird vom Bundesfinanzministerium (BMF) nicht unterstützt. Wir hören, dass dies schlicht zu teuer sei. Was aber in der Tat heiß diskutiert wird, ist die Maßnahme, die Verlustverrechnungen zu verbessern, um den Unternehmen kurzfristig eine höhere Liquidität zu garantieren.
Was fordert der BDI hier konkret?
Normalerweise erfolgt eine Verlustverrechnung ja erst zum Ende des Jahres, nämlich mit der Steuererklärung. Eine kurzfristige Maßnahme wäre es also, die Verluste des Jahres 2020 bereits unterjährig zu verrechnen. Basierend auf prognostizierten Verlusten des Wirtschaftsjahres 2020 sollten die steuerlichen Vorauszahlungen für 2019 herabgesetzt werden. Das würde ganz konkret und schnell Liquidität bei den Unternehmen schaffen. Mittelfristig fordern wir aber auch, den Verlustrücktrag für alle offenen Jahre zu ermöglichen – und mit einem höheren Volumen.
Sie fordern im Positionspapier zudem, neue Compliance-Anforderungen wie DAC 6, die ATAD-Richtlinie und die Besteuerung der digitalen Wirtschaft zu verschieben. Wieso sollte das notwendig sein?
Alle drei Themen belasten die Unternehmen ohnehin schon extrem. Und sie haben vor allem jetzt im Zuge der Corona-Krise schlicht und ergreifend keine Zeit und keine Kapazitäten, um all diese Anforderungen wirklich umzusetzen. Deshalb fordern wir zum Beispiel, die praktische Umsetzung von DAC 6 vom 1. Juli 2020 auf den 1. Juli 2021 zu verschieben. Denn die Unternehmen müssen zurzeit zum Teil auch in den Steuerabteilungen auf Kurzarbeit setzen.
Das Gesetzt zu DAC 6 steht aber doch bereits seit Anfang des Jahres. Waren die Unternehmen hier nicht einfach zu langsam? Immerhin gibt es auch solche, die dafür noch nicht mal eine Entscheidung bezüglich der Mandatierung getroffen haben.
Dass DAC 6 kommt, wissen wir natürlich schon länger, das ist richtig. Aber: Die konkrete Umsetzung ist ja immer noch in der Diskussion, wie der aktuelle Entwurf eines BMF-Schreibens hierzu zeigt. Vermutlich haben sich die Unternehmen auch deshalb zurückgehalten, denn natürlich gibt es nach wie vor unterschwellige Widerstände gegen die Meldepflicht.
Gegenüber der Süddeutschen Zeitung hat OECD-Präsident Angel Gurría gesagt, er erwarte eine Grundsatzeinigung zur Besteuerung der Digitalen Wirtschaft bis Anfang Juli. Ist das realitätsfern?
Das wird sowohl von der OECD als auch dem BMF nach wie vor so anvisiert. Aus Sicht der Unternehmen ist es realitätsfern, den Zeitplan dieses Projekts in der aktuellen Corona-Ausnahmesituation weiter durchzuziehen. Deshalb kämpfen wir ja auch für eine Verschiebung. Hierbei handelt es sich um eine „neue Weltsteuerordnung für Unternehmensgewinne“ und daher muss man die Unternehmen hier ganz praktisch mit einbeziehen, wenn man es denn umsetzen will. Ein weltweiter Konsens ist notwendig, sonst kommen Länder wie Frankreich oder England wieder mit einer eigenen Lösung an. Aber nicht jetzt mit diesem Zeitdruck.
Bei DAC 6 und der Digitalsteuer fordern Sie eine Verschiebung. Beim ATAD-Umsetzungsgesetz gehen Sie aber einen Schritt weiter.
Das ist richtig. Wir wollen, dass sich die nationale Umsetzung der Richtlinie auf die Vorgaben ebendieser beschränkt und nicht – wie in dem Referentenentwurf – weit darüber hinausgeht. Das haben wir aber auch vor Ausbruch der Corona-Krise so kommuniziert. In und nach der Krise zählt dies aber umso mehr.
Es ist kein Geheimnis, dass der BDI bereits vor der Corona-Krise allgemeine Forderungen wie eine generelle Modernisierung des Unternehmenssteuerrechts stellte. Böse Zungen behaupten, dass Sie die Corona-Krise nun ausnutzen, um ihre Forderungen als Verband durchzudrücken.
Dieses Argument wird in einer solchen Situation immer wieder bemüht. Aber für den Neustart der Unternehmen nach dieser Übergangsphase brauchen die Unternehmen gute steuerliche Rahmenbedingungen und darüber müssen wir frühzeitig diskutieren.
Das Gespräch führte Daniel Lehmann.