STEUERMARKT: Werden Steuerfunktionen nach Corona anders aussehen?
Prof. Dr. Deborah Schanz: Ja, ganz sicher. Sie hätten allerdings auch ohne Corona anders ausgesehen als in der Vergangenheit – nur zu einem späteren Zeitpunkt. Steuerfunktionen befinden sich ja in einem stetigen Wandel. Es gibt allerdings gewisse Trends und Entwicklungen, die besonders einschneidend sind. Anfang der 1970er-Jahre war dies zum Beispiel die Einführung von Softwarelösungen, Ende der 1990er-Jahre die von Elster. Heute sind es Faktoren wie Unsicherheit, Komplexität und Digitalisierung, die den Wandel vorantreiben.
Auch wenn so manches Vorstandsmitglied eines Unternehmens die Steuerfunktionen nicht würdigt, haben diese in den vergangenen Jahren eine zunehmend große Akzeptanz innerhalb ihrer jeweiligen Unternehmen erlangt. Ist Corona diesbezüglich ein Dämpfer, weil Top-Manager sich nun sagen: Wir haben gerade weitaus größere Probleme als Steuern?
Das genaue Gegenteil ist der Fall – beziehungsweise sollte zumindest der Fall sein. Natürlich hat die Pandemie große wirtschaftliche Probleme hervorgebracht, die auf den ersten Blick erst einmal nichts mit Steuern zu tun haben. Aber: Vor allem an den von der Politik angebotenen Lösungen sieht man recht deutlich, wie wichtig das Thema auch gesamtgesellschaftlich ist. Denn ein guter Teil der Maßnahmen sind ja vor allem steuerlich getrieben. Steuerstundungen, Steuererstattungen, Kurzarbeit – bei all diesen Themen muss die Steuerfunktion dann selbstverständlich auch unmittelbar und direkt eingebunden werden. Das gilt aber auch für Themen, die nichts mit dem Maßnahmenpaket, aber mit der aktuellen wirtschaftlichen Situation zu tun haben. Die Frage zum Beispiel, ob Unternehmen aufgrund der Pandemie nun vermehrt im Inland produzieren müssen, weil es im Ausland derzeit nicht möglich ist. Oder dass Mitarbeiter auf der ganzen Welt auf einmal aus dem Homeoffice arbeiten. Überall stellen sich steuerliche Fragen, auf die Unternehmen schnell eine Antwort haben müssen.
Und wenn die Steuerfunktionen nicht rechtzeitig eingebunden werden?
Das wäre ein fataler Fehler der Vorstände. Es bringt nichts, erstmal „business as usual“ zu machen und das Thema Steuern außen vor zu lassen. Es kostet hinterher viel mehr Kraft, Zeit und Geld, steuerliche Sachverhalte im Nachgang zu erfassen statt ex ante zu planen. Unternehmen müssen also jetzt reagieren.
Wie kann eine Steuerabteilung dabei denn gut kommunizieren und sich Gehör verschaffen?
Sie muss sich immer einbringen. Die Steuerleiterin oder der Steuerleiter darf niemals ein Gespräch mit einem Nein beenden. Die Abteilungen müssen Lösungen generieren und sich als wertvoller Ansprechpartner anbieten. Das muss in allen Köpfen sein und setzt oft einen Kulturwandel voraus. Es muss ein grundlegendes Umdenken stattfinden; es ist eine ganz neue Welt gegenüber der, als Steuerabteilungen als Verhinderer galten. Und Kommunikation ist dabei fundamental wichtig: Sie muss gerade in Zeiten der Digitalisierung und Automatisierung mit der IT-Kompetenz parallel eingeführt werden. Nicht jede Person muss das beherrschen. Aber die Leiter auf jeden Fall. Ein Beispiel: Wenn jemand ein TCM-System aufbaut und dadurch mit vielen Schnittstellen im Unternehmen zu tun hat, muss sie oder er sehr kommunikationsstark sein.
Das Gespräch führte Daniel Lehmann.
Das ausführliche Interview mit Deborah Schanz lesen Sie in der aktuellen Sonderausgabe JUVE Inhouse Steuern.